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Ich reiste aus der Hauptstadt in Gesellschaft Heliodors, des Rhetors1), dem in seiner Kunst kein Grieche leicht den Vorzug nehmen wird. Aricia war das erste Nachtquartier ganz leidlich; Forum Appii das zweite, ein Nest mit Schiffertroß und Beutelschneidern von Wirten vollgepfropft. Wir krochen also zwei Tage (wie ihr seht) an einem Wege, den rasche Wanderer in einem machen; ein Vorteil, den die Straße Appia für Träge hat2). Hier sah ich mich gezwungen, des schlimmen Wassers wegen meinem Magen die Zufuhr abzuschneiden; während meine Reise- Gesellschaft, die sich's tapfer schmecken ließ, die Weile lang mir machte. Schon begann die Nacht den Erdkreis zu beschatten und mit Sternen den Himmel zu bestreun, als unsre Diener mit den Schiffern, beide nicht im feinsten Tone, sich hören ließen. »Hieher mit dem Schiffe!« | Egressum magna me excepit Aricia Roma hospitio modico; rhetor comes Heliodorus, Graecorum longe doctissimus. Inde Forum Appi, differtum nautis, cauponibus atque malignis. <5> Hoc iter ignavi divisimus, altius ac nos praecinctis unum; minus est gravis Appia tardis. Hic ego, propter aquam, quod erat taeterrima, ventri indico bellum, cenantes haud animo aequo expectans comites. Iam nox inducere terris <10> umbras et caelo diffundere signa parabat, tum pueri nautis, pueris convicia nautae ingerere. »Huc appelle!« »Trecentos inseris! ohe! | |
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»Du stopftest, glaub' ich gar, dreihundert
'reina)! Halt doch! es ist genug!« Bis jedermann bezahlt hat und das Maultier angebunden ist, geht eine ganze Stunde hin. Die bösen Schnacken und die Frösche im Kanal verhindern uns am Schlafen; zum Ersatz läßt uns der Schiffer und der Eseltreiber, mit schlechtem Weine beide wohlbeträuft, die Reize ihrer Mädchen in die Wette um die Ohren gellen. Endlich schläft aus Müdigkeit der Eseltreiber ein. Der Schiffer bindet das Zugseil an den nächsten Meilenzeiger, läßt das Maultier weiden gehn, und legt sich gleichfalls schnarchend auf den breiten Rücken. Der Tag war nahe, als wir merkten, daß der Kahn nicht weiter komme, bis zuletzt ein Tollkopf aufspringt und mit einem Weidenknittel dem Maultier und dem Schiffer Kopf und Rücken hobelt. Mit Mühe langten wir um zehn Uhr bei Feroniens Tempel an3). Wir stiegen aus, und wuschen, holde Nymph', in deiner Quelle | iam satis est.« Dum
aes exigitur, dum mula ligatur, tota abit hora. Mali culices ranaeque palustres <15> avertunt somnos; absentem ut cantat amicam multa prolutus vappa nauta atque viator certatim, tandem fessus dormire viator incipit; ac missae pastum retinacula mulae nauta piger saxo religat, stertitque supinus. <20> Iamque dies aderat, cum nil procedere lintrem sentimus: donec cerebrosus prosilit unus ac mulae nautaeque caput lumbosque saligno fuste dolat; quarta vix demum exponimur hora. | |
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uns Haupt und Hände, hielten Mittagsmahl, und krochen dann drei lange Meilenb) weiter, bis Anxur4), das von seinem weißen Felsen weit in die Ferne glänzt, erstiegen war. Hier war es, wo Mäcenas und Coccejus zusammenkommen sollten, beide wichtiger Geschäfte halben abgeordnete beide gewohnt entzweite Freunde zu vergleichen5). Hier war mein erstes, meinen bösen Augen durch ein bekanntes Sälbchen6) Linderung zu schaffen. Unterdessen traf Mäcenas und Coccejus ein, und Capito Fontejus7), ein Mann, so abgeschliffen wie ein Bild, woran der Nagel selbst nichts mehr zu glätten findet, Und dem Antonius, so wie kein andrer, hold. Aus Fundi machten wir uns hurtig fort, woselbst ein Geck von Schultheiß, der vom Schreiber zum Regiment des Orts emporgestiegen, mit seinem breiten Purpurstreif und Weihrauchfaß uns viel zu lachen gab8). Ermüdet blieben wir | Ora manusque tua lavimus, Feronia, lympha. <25> Milia tum pransi tria repimus, atque subimus impositum saxis late candentibus Anxur. Huc venturus erat Maecenas, optimus atque Cocceius, missi magnis de rebus uterque legati, aversos soliti componere amicos. <30> Hic oculis ego nigra meis collyria lippus illinere. Interea Maecenas advenit atque Cocceius, Capitoque simul Fonteius, ad unguem factus homo, Antoni, non ut magis alter, amicus. Fundos Aufidio Lusco praetore libenter <35> linquimus, insani ridentes praemia scribae, praetextam et latum clavum, prunaeque batillum. | |
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im Stammsitz der
Mamurren9)
übernacht, wo uns sein Haus Murena, Capito die Küche lieh10). Der nächste Morgen brachte uns große Freude: denn zu Sinuessa stieß Plotius, Virgil und Varius11) zu uns, die reinsten Seelen, welche je die Erde trug, und denen niemand mehr verpflichtet ist als ich. Was für Umarmungen das waren! Welche Herzenslust! So lange mein Herz gesund bleibt, geht nichts in der Welt mir über einen angenehmen Freund. Unferne der Campanschen Brücke gab die nächste beste Meierei uns Obdach; mit Holz und Salz versahen uns nach ihrer Schuldigkeit die Parochi12). Von dannen setzten unsre lastbarn Tiere bei guter Zeit zu Capua uns ab13). Mäcenas geht zum Ballspiel, schlafen gehen Virgil und ich, weil seinem schwachen Magen und meinen bösen Augen dieses Spiel | In Mamurrarum lassi deinde urbe
manemus, Murena praebente domum, Capitone culinam. Postera lux oritur multo gratissima: namque <40> Plotius et Varius Sinuessae, Virgiliusque occurrunt; animae, quales neque candidiores terra tulit, neque queis me sit devinctior alter. O qui complexus et gaudia quanta fuerunt! Nil ego contulerim iucundo sanus amico. <45> Proxima Campano ponti quae villula tectum praebuit, et parochi, quae debent, ligna salemque. Hinc muli Capuae clitellas tempore ponunt. Lusum it Maecenas, dormitum ego Virgiliusque; | |
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gleich schädlich
war14). Das
nächste Nachtquartier und Überfluß an allem Gutem gab uns eine Villa des Coccejus, jenseits der Caudischen Cauponen15). Hier, o Muse, wollest du den edeln Hahnenkampf des Pickelhärings Sarment, mit Messius, dem Gücker, uns nicht unbesungen lassen, und zuvörderst den Adel ihrer Abkunft uns enthüllen16). Die Messier sind ein bekanntes Haus, und, alles mit einem Wort zu sagen, Oscischen Geschlechtes; vom Sarment lebt noch auf diesen Tag die Eigentümerin17). Von solchen Ahnen entsprossen, traten sie zum Kampf hervor. Sarmentus tat den ersten Hieb: »Ich sage: du bist so bissig wie ein wildes Pferd.« Wir lachten alle, Messius lachte mit; »das läßt sich hören«, sprach er, und bewegte den Kopf als ob er seine Mähne schüttle. »Zum Glücke sind dir«, fährt der andre fort, »die Hörner aus der Stirne ausgeschnitten, da du gestutzt noch so gefährlich tust.« Dies ging auf eine ausgeschnittne Warze, wovon die Narbe, links, der borst'gen Stirne | namque pila lippis inimicum
et ludere crudis. <50> Hinc nos Coccei recipit plenissima villa, quae super est Caudi cauponas. Nunc mihi paucis Sarmenti scurrae pugnam Messique Cicirri, Musa, velim memores, et quo patre natus uterque contulerit lites. Messi clarum genus Osci; <55> Sarmenti domina extat. Ab his maioribus orti ad pugnam venere. Prior Sarmentus: »Equi te esse feri similem dico.« Ridemus, et ipse Messius; »accipio«, caput et movet. »O tua cornu ni foret exsecto frons«, inquit, »quid faceres, cum | |
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des Messius ein häßlich Ansehn gab. Sarment, nachdem er über seines Gegners Schönheit und die Campansche Krankheit18) viel gespottet, bat ihn, er möchte den Cyklopen tanzen: er könnte, meint er, sich die Larve und den tragischen Kothurn dabei ersparen19). Der Gücker blieb ihm keine Antwort schuldig. Er fragte, ob er auch den Laren seine Kette als ein ex voto schon geopfert habe20)? bewies ihm, daß sein Sekretärs-Charakter21) den Rechten seiner Dame nichts benehme, und wunderte sich mächtig, was in aller Welt ihn zum Entlaufen habe treiben können, da doch, so dürr und winzig als er sei, zwölf Unzen Mehl des Tags mehr als zuviel22) für ihn gewesen. Kurz, wir brachten diese Mahlzeit tief in die Nacht hinein recht fröhlich zu. Von hier gings nun gerad' auf Benevent, wo unser Wirt, vor Eifer seine magern Drosseln bald gar zu kriegen, sich und uns beinahe | <60> sic mutilus
minitaris?« At illi foeda cicatrix saetosam laevi frontem turpaverat oris. Campanum in morbum, in faciem permulta iocatus pastorem saltaret uti Cyclopa rogabat; nil illi larva aut tragicis opus esse cothurnis. <65> Multa Cicirrus ad haec: donasset iamne catenam ex voto Laribus, quaerebat; scriba quod esset, nilo deterius dominae ius esse. Rogabat denique, cur umquam fugisset, cui satis una farris libra foret, gracili sic tamque pusillo? <70> Prorsus iucunde cenam produximus illam. Tendimus hinc recta Beneventum, ubi sedulus hospes paene macros arsit dum turdos versat in igni: | |
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gebraten hätte. Denn die Flamm' ergriff die alte Küche, und, durchs räuch'rige Gebälke fort sich wälzend, leckte sie schon bis ans Dach hinauf. Stellt euch den Aufruhr im Saale vor! Wie Gäste und Bediente, heißhungrig jene, diese schüchtern und verstohlen, in die Schüsseln fahren, jeder noch was zu erhaschen sucht, und, um das Ihrige zum Löschen beizutragen, allesamt mit vollen Backen durch einander rennen! Nunmehr begann mein väterlich Apulien die wohlbekannten Berge mir zu zeigen, vom Nordost ausgedörrt; aus denen wir wohl nie herausgekrochen wären, wenn nicht bei Trivicum uns ein Meierhof noch aufgenommen hätte; wo uns aber der Rauch von frischgefälltem nassem Holz viel Tränen kostete23). Ein schelmisch Mädchen vom Hause spielte mir noch schlimmer mit. Ich Tor erwarte sie voll Ungeduld die halbe Nacht durch; endlich übermeistert | nam vaga per veterem
dilapso flamma culinam Vulcano, summum properabat lambere tectum. <75 > Convivas avidos cenam servosque timentes tum rapere atque omnes restinguere velle videres. Incipit ex illo montes Appulia notos ostentare mihi, quos torret Atabulus, et quos numquam erepsemus, nisi nos vicina Trivici <80> villa recepisset, lacrimoso non sine fumo, udos cum foliis ramos urente camino. Hic ego mendacem stultissimus usque puellam ad mediam noctem expecto: somnus tamen aufert | |
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der Schlaf mich dennoch, und ein plumper Traum entweiht das Amorn zugedachte Opfer. Von hier aus rennen unsere Kaleschen vier und zwanzig Meilen mit uns fort, um uns in einem Städtchen abzusetzen, dessen Name nicht in mein Versmaß paßt, doch ist's gar leicht an andern Zeichen zu erkennen24). Das Wasser, das gemeinste aller Dinge, wird hier bezahlt: hingegen ist das Brot so schön, daß kluge Wandrer sich davon mit einem Vorrat zu bepacken pflegen; denn zu Canusium ist es steinicht. Auch das Wasser ist rar in dieser alten Stadt, die sich des tapfern Diomed als Stifters rühmet. Hier trennte Varius sich von uns; der Abschied war auf beiden Seiten tränenvoll. Von da, nachdem wir einen langen und durch Regengüsse verdorbnen Weg durchmessen, kommen wir sehr müd' in Rubi an. Am nächsten Tage war das Wetter besser, schlimmer stets der Weg | intentum Veneri; tum immundo
somnia visu <85> nocturnam vestem maculant ventremque supinum. Quattuor hinc rapimur viginti et milia raedis mansuri oppidulo quod versu dicere non est, signis perfacile est: venit, vilissima rerum, hic aqua, sed panis longe pulcherrimus, ultra <90> callidus ut soleat humeris portare viator; nam Canusi lapidosus: aquae non ditior urna, qui locus a forti Diomede est conditus olim. Flentibus hic Varius discedit maestus amicis. Inde Rubos fessi pervenimus, utpote longum <95> carpentes iter, et factum corruptius imbri. Postera tempestas melior, via peior adusque | |
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bis an die Mauern des fischreichen Barium. Drauf gab uns Gnatia, ein im Zorn der Nymphen erbautes Örtchen, viel zu scherzen, weil die Leute dort uns glauben machen wollten, der Weihrauch schmelze ohne Flamme auf dem heiligen Altar25). Das glaub' Apella der Jud, ich nicht! Mich hat Lukrez gelehrt, daß sich die Götter nicht mit uns bemühen, und wenn Natur was Ungewöhnlichs tut, man nicht gleich wähnen muß, die Götter schicken's uns in böser Laune hoch aus ihrer Burg herab26). Brundusium machte unsrer langen Reise und diesem Tagbuch ein erwünschtes Ende. | Bari moenia piscosi. Dein
Gnatia, lymphis iratis extructa, dedit risusque iocosque, dum flamma sine tura liquescere limine sacro <100> persuadere cupit. Credat Iudaeus Apella! Non ego: namque deos didici securum agere aevum, nec si quid miri faciat natura, deos id tristes ex alto caeli demittere tecto. Brundusium longae finis chartaeque viaeque. |
Was Horaz hier von Fontejus Capito sagt, ist alles was man von ihm
weiß, und ist genug, uns einen sehr vorteilhaften Begriff von ihm zu machen, in so fern die
Redensart, ad unguem factus homo, zugleich einen feinen Weltmann und einen angenehmen
Gesellschafter zu bezeichnen scheint. Sie ist (sagt der Scholiast) von der Gewohnheit der Arbeiter
in Marmor hergenommen, welche nicht eher mit den Fugen zusammengekütteter Marmorstücke
zufrieden sind, bis man mit dem Nagel darüber hin- und herfahren kann, ohne die mindeste
Räuhe zu spüren. Ich denke Horazens Sinn durch meine Übersetzung vielleicht noch
besser getroffen zu haben. Woher aber Baxter und
Geßner dahinter gekommen, daß er durch diesen Zug den Capito
ut nimis bellum atque concinnum habe verspotten wollen, weiß
ich nicht: Aus dem Text wenigstens konnt' es nur eine Baxterische Nase
herausspüren. Wie äußerst unwahrscheinlich es sei, daß Horaz, in seinen
damaligen Verhältnissen und bei einer solchen Gelegenheit, einen Mann
von Stand und Ansehen, der als ein Freund des Antonius mit von dieser
Konferenz war, habe lächerlich machen wollen, hätte beiden Auslegern nicht entgehen
sollen.
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si potes illa pati, quae nec Sarmentus iniquas Caesaris ad mensas nec vilis Galba tulisset. |
Was den Messius Cicirrus betrifft, (dessen scurrilischen Zungenkampf mit
dem Sarmentus Horaz hier unter Anrufung der epischen Muse, mit einer burlesken Nachahmung Homers
besingt) so hat er seine Unsterblichkeit bloß unserm Dichter zu danken, und nach der Rolle,
die er hier an der Tafel des Coccejus spielt, kann er kein Mensch von einiger Bedeutung gewesen
sein. Der Scherz, ihn zum Beweis des Altertums seiner Familie von den Osciern, den uralten Bewohnern
Campaniens, abstammen zu lassen, gibt zu verstehen, daß er das gewesen, was die Römer
einen Erdensohn (terrae filium) nannten. Sein Beiname Cicirrus
scheint das griechische KikurroV, ein Gockelhahn, zu sein, wovon
vermutlich unser deutsches Provinzialwort Gücker abstammt. Ich habe
es im Deutschen statt Cicirrus gebraucht, weil es der ganzen Erzählung einen stärkern
komischen Anstrich gibt, dessen sie um so mehr vonnöten hat, da uns der Vorteil der
persönlichen Bekanntschaft mit den Helden des Kampfes mangelt, den die ersten Leser vor uns
voraus hatten.
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da leichte dünne Kleider und eingesalbte Locken ihm noch ziemten, er unentgeltlich noch der teuren Cinara gefiel, und ohne Nachteil noch vom Mittag an bis in die späte Nacht sich mit Falerner beträufeln konnte VIII) |
ist nichts zu erinnern, als, daß das schelmische Mädchen ohne Zweifel eine junge Sklavin
war, und vielleicht, während daß der treuherzige Dichter mit so vieler Ungeduld auf sie
wartete, in der Kammer des Mäcenas oder Fontejus Geschäfte hatte, wobei mehr zu verdienen
war.
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Servorum est festu' dies hic, quem plane hexametro versu non dicere possis.« |
| Der alte Scholiast. |
Torrentius findet aber bei diesem Equotuticum topographische Schwierigkeiten, womit ich meine Leser
gern verschone, weil Horaz nichts dabei gewinnen noch verlieren kann.
| Nam bene qui didicere deos securum agere aevum, |