866. Gemse auf Tiroler Art. Chamois à la Tirolienne.

Die Tiroler haben eine eigene Manier, Gemswild zuzubereiten, welches von den Fremden, die nach Tirol kommen, mit vieler Vorliebe gespeist und von denselben oft als vorzüglich zubereitet bezeichnet wird. Ob allen Fremden, die dieses Gebirgsland bereisen, auch jedesmal wirklich Gemswild vorgesetzt wird, möchte ich dahin gestellt sein lassen, denn die Bereitungsweise ist von der Art, daß es nur dem Sachkundigen gelingen möchte, hierin nicht getäuscht zu werden. Diese Bereitungsweise ist folgende: Nachdem die Gemse ausgezogen, zertheilt und rein gewaschen ist, wird sie in ein irdenes Gefäß gelegt, gesalzen, mit einigen Zwiebeln, Lorbeerblättern, Pastinak, Thymian, Gewürznelken, Wacholderbeeren und einer in vier Theile geschnittenen Citrone gewürzt und mit heißem Essig übergossen, zugedeckt, beschwert und an einem kalten Orte aufbewahrt. Nach fünf bis sechs Tagen wird der Rücken oder der Schlegel herausgenommen, wie ein Rehschlegel gespickt, dann wird derselbe in ein Bratgeschirr gelegt, mit einer Zwiebel, Lorbeerblatt, Pfeffer und Salz nochmals gewürzt, mit 5/10 Liter rothem Tiroler Wein und 3/10 Liter gutem sauern Rahm und etwas Bratenfett übergossen, einige Schwarzbrodrinden beigelegt und in den Bratofen unter öfterem Begießen weich und kurz in seinem Safte gebraten, wo man öfters etwas sauern Rahm und Wein nachgießen muß. Beim Anrichten wird der Gemsschlegel auf eine Bratenschüssel gelegt, der zurückgebliebene Saft mit etwas Fleischbrühe aufgekocht und als eine gebundene, lichtbraune, wohlschmeckende Sauce darüber geseiht und sogleich zu Tisch gegeben.