Hareth Ben Hemmam berichtet:
Ich fuhr von Medinet Isselam,1) – um zu begehn die Wallfahrt des Islam. – Als nun, nach Ertragung der heiligen Beschwernisse – und Unterziehung der gesetzlichen Entbehrnisse, – wieder erlaubt waren die sinnlichen Begehrnisse, – traf der Rückzug der Pilger zusammen – mit des Sommers Entflammen. – Da gebraucht' ich die Mittel in meinem Besitze, – um mich zu schützen gegen die Mittagshitze. – Und als ich nun war unter dem Zelt von Fellen, – mit einer Gesellschaft seltener Gesellen; – als der Glutofen der Sandwüste sprühte – und das Auge des Chamäleons glühte; – da überfiel uns ein Alter in der abnehmenden Kraft, – gefolgt von einem Jungen im zunehmenden Saft. – Und der Alte that seinen Gruß wie ein gewandter Gesandter – und begann sein Gespräch wie ein alter Bekannter, – nicht wie ein fremd Hergerannter. – Uns gab Vergnügen, wie er auslegte seinen Kram, – und nahm wunder die Freiheit, die er ungegeben nahm; – wir sprachen: Wer bist du, und was ist, das du bringst? – und woher dein Eintritt, eh' du Einlaß empfingst? – Er sprach: Was ich bin, ist ein Besuch, – und was ich bring', ist ein Gesuch; – das Geheimnis meines Notstandes ist offen – und darf auf des Blickes Fürsprache hoffen. – Daß ich aber hereingetreten, – eh' ich ward hereingebeten, – das geschah nach des Sprichworts Vorgang: – daß die Thüre der Großmut ist ohne Vorhang. – Wir fragten weiter, wie er zu uns gefunden den Weg, – und was ihn gewiesen zu unserm Geheg? – Er sprach: Freigebigkeit hat einen Odem, der sich verbreitet, – einen Blumenhauch, der zu ihrem Garten leitet; – mich führte die Spur eurer Gerüche – zur Flur eurer Küche, – und der stäubende Duft eurer Balsamstaude – meldete mir die Milde, die von euch taute. – Da erkundigten wir uns nach seinem Anliegen, – dem unsre Bereitwilligkeit sich möchte anschmiegen; – er sprach: Ich komme mit einem Anspruche – und mein Sohn mit einem Ansuchen. – Wir sprachen: Beide Forderungen sollen sein berichtigt – und beide Parteien beschwichtigt; – doch dem Alter gebührt der Vortritt. – Er sprach: Ja! bei dem, auf dessen Wink die Sonn' emportritt. – Dann nahm er seinen Anlauf zum Sprechen, – wie ein Hengst, dem die Koppelstricke brechen, – und trug vor:
Ich bin ein Pilger, dessen Tier |
Da sprachen wir: Nun, was dich betrifft, deine Verse haben's uns erläutert, – daß dein Kamel gefallen und dein Glück gescheitert; – und du sollst uns beritten gelangen zu deinen Genossen. – Doch was ist nun das Gewerb deines Sprossen? – Da rief er: Auf Söhnchen! steh, wie dein Vater stund, – und thu deines Herzens Begehren kund, – kein Schloß sei an deinem Mund. – Da sprang der Junge, als ob ein Vorkämpfer ins Treffen springe, – und zückte eine Zunge wie eine scharfe Klinge; – so stimmt' er an:
Ihr hohen Herrn auf den Höhen, |
Hareth Ben Hemmam spricht: Da wir also gewahrten die gleiche Art – an des Jungen Locken und des Alten Bart – gaben wir dem Vater das Reittier schon – und die Reisezehrung dem Sohn. – Worauf sie die Gutthat nicht um den Dank verkürzten, – den sie mit dem Dufte des Lobes würzten, – und sodann sich zur Abfahrt schürzten. – Doch ich sprach zum Alten: War unser Versprechen wohl ein Versprechen Orkobs2) – oder ist ein Wunsch noch zurück in der Seele Jakobs.3) – Er sprach: Verhüt es Gott! nein und mit nichten; – sondern euer Edelmut gehört zu den Wundergeschichten. – Ich sprach: So gieb zur Belohnung – nun Kunde von deiner Wohnung. – Da seufzt' er wie ein Kranker in der Fremde – und hub an, indem ihn Schluchzen beklemmte:
Serug ist meine Heimath, doch wie |
Aber seine Augen quollen – und ließen die Thränen rollen; – er wollte die Wellen hemmen – und konnte den Strom nicht dämmen. – Da brach er seinen süßen Gesang ab – und ging mit beeiltem Gang ab.