Hareth Ben Hemmam erzählt:
Ich zog ohne Gramm – mit der Karawane von Scham1) – gegen die Stadt des Heils am großen Tiger,2) – unterm Geleite der Söhne vom kleinen Panther,3) – in Gesellschaft Guter, Begüterter, – durch Eintracht in der Fremde Verbrüderter. – Und unser Trost im Leid, – unser Lustgeschmeid, – unser gemeinschaftliches Ehrenkleid, – unser wechselseitiger Neid – war der Seruger Abu Seid. – Als nun der Zug in Singar rastete, – traf es sich, daß ein Kaufherr des Ortes gastete, – der zu seinem Salz und Brot – ergehn ließ ein allgemeines Aufgebot, – ohn' Unterschied des Standes, – an das Volk der Stadt und des Landes; – sodaß sein Ruf auch an die Karawane kam – und sie mit Haupt und Gliedern in Anspruch nahm. – Als wir nun gefolgt seinen Boten – und betreten seinen gastlichen Boden; – ließ er auftragen Gerichte mancherhand, – wozu man langt mit einer Hand,4) – und wozu mit beiden,5)– was Gaumen zu laben dient und Augen zu weiden. – Dann ließ er bringen eine Vase, wie aus Luft gesponnen, – oder aus Licht geronnen, – die, mit ihrem Geheimnis nicht karg, – durchsichtig, den Schatz im Innern nicht verbarg, – zeigend eine Fülle nasser – Konfekte, mit Zucker bestäubt und beträuft mit Rosenwasser. – Und als nun vom Anblick die Gaumen sich zu wässern – begannen den Süßessern; – als die Augen der Erwartung starrten – und die Zähne der Ungeduld knarrten – und harreten wie kampflustige Leute – des Losungsworts: Zum Angriff und zur Beute. – da ergriff den Abu Seid ein Koller, – daß er aufsprang wie ein Toller – und, als ob ihm ein Unheil träumte, – vor der Vase rückwärts bäumte – und weit das Feld vor ihr räumte. – Wir ermahnten ihn zur Vernunft – und baten ihn um Wiederkunft, – ihn beschwörend, er möge doch unter den Gläubigen – nicht allein vorstellen den Sträubigen. – Doch er vermaß sich: Bei dem, der das Gebein belebt, das verdorrt ist! – ich kehre nicht eh'r, bis die gläserne Vase fort ist. – Und wir mußten schon, um ihn zu stillen – und um seines Schwures willen, – den schönen Krystall wegräumen – samt allen unsern süßen Träumen. – Und als er nun, seines Eids entledigt – und eingethätigt, – zurückgekehrt war zu seiner Stelle, – befragten wir ihn in der Schnelle: – warum er denn also aufgesprungen – und auf die Hinwegnahme des Glases gedrungen? – Er sprach: Weil Glas ein Verräter ist, – obgleich sein Kleid von Äther ist, – ein Alleszeiger, – Nichtsverschweiger, – Allesoffenbarer, – Nichtsbewahrer, – dessen Schwatzsüchtigkeit – ist seine Durchsichtigkeit, – und dessen Untüchtigkeit – ist seine Undichtigkeit; – und ich habe mich vor Jahren vermessen, – mit keinem Ausschwätzer zu sitzen noch zu essen; – weil ich es noch nicht vergessen, – daß ich einst mit einem gesessen. – Wir sprachen: Berichte, – wie war die Geschichte? –Er sprach: Ich hatte einst einen Nachbar, – den ich achtete, weil er schien achtbar; – mit dem ich sorglos und arglos umging – und nicht dachte, daß er mit Arg bloß umging; – den ich erkieste und mit ihm koste – und dachte nicht, daß es mich meine Ruhe koste. – Ich vertraute auf seine Treue – und glaubte nicht, daß er mir Verderben dräue. – Ich wähnte nicht, noch argwohnte, – als ich mich an ihn gewöhnte und mit ihm wohnte. – Seine Mienen schienen mir zu verbürgen, – daß unter ihnen sich keine Minen verbürgen; – sein Lächeln war eine Himmelsmitgift, – doch sein Herz war geschwängert mit Gift; – sein Äußres war gar nicht arm an Anmut, – doch nur zum Bösen war sein Innres reich an Mut. – Sein Gefäß klang mit reinstem Tone, – doch war es geformt aus unreinem Thone. – Ich hielt sein Herz für einen lautern Palast, – doch es war ein Schiff mit lauter Ballast; – ich hielt seinen Sinn für eine Säule, – um die ich vertrauend schlang meines Zeltes Seile, – doch was ich mir dachte zum Heile, – schlug mir aus zum Geheule. – Aber in meinem Hause, – in meiner innersten Klause, – zu meiner Augen geheimstem Schmause, – hatte ich eine Dirne, – die mit dem Glanz ihrer Stirne – beschämte des Himmels Gestirne; – deren Augen Schwärzen – alle brennenden Herzen – füllten mit dunklen Schmerzen; – deren wallende Locken – dienten, die Morgenwinde zum Spiel zu locken. – Sie taute, wo sie lächelte, – und zertaute, wo ihr Odem fächelte. – Ihrer Zähne Blinken – und ihrer Lippen Winken – machte Milchperlen vor Scham Blutröte trinken – und Rubinen im Preise sinken. – Ihr Auge machte Sonn' und Mond zur Fabel – und zur Wahrheit die Sage vom Zauberbronnen zu Babel.6) – Wenn sie rührte das Tambur, – oder führte das Sambur,7) – war es wie das Lautenspiel Anahids8) – und wie das Saitenspiel Davids. – Sie war Nachtigall, wenn sie flötete, – und Rose, wenn sie errötete. – Wenn sie tanzte, zog sie die Seelen in den Wirbel – und riß dem Ernste den Turban des Anstands vom Wirbel; – und über ihren Tanz vergaß der Zecher – selbst den Tanz der Perlen im Becher. – Sie beseelte mich – und entseelte mich, – sie beseligte mich – und befehligte mich; – ich achtete zu ihrem Befehle – gering, wie meine Seele, – mein rotes Gold und meine roten Kamele. – Ich verschleierte sie vor Mond und Sonne; – ich mißgönnte der Welt ihres Anblicks Wonne, – ja die Lust, ihren Namen zu hören, – oder sie zu ahnden hinter ihren Flören. – Nicht der Traum eines Wahrsagers – lüpfte den Vorhang ihres Lagers, – noch ein verräterischer Blitz – erspähte sie durch einen Ritz. – Doch an einem Tag, als mein Heil im Versiegen war, – als mein Glückstern vom Himmel gestiegen war, – machte Rausch mich zu meines Schweigens Verletzer – gegen meinen Nachbar, den Schwätzer. – Und als der Pfeil vom Bogen war, – das Wort dem Käfig entflogen war, – kam die Besinnung nach dem Wahn – und ließ mich sehn, wie übel ich gethan, – die Heimlichkeit meiner Liebe – einzugießen einem Siebe. – Doch ich nahm vom Nachbar ein heiliges Versprechen, – an meinem Vertrauen nicht zu verbrechen; – und er gelobte, mein Geheimnis so zu sparen, – wie Geizige ihren Schatz verwahren. – So ging vorbei – ein Tag oder zwei; – da ward der Emir jener Gegend, – der Fürst, jenes Landes pflegend, – Sinnes, zur Pforte des Königes – zu führen sein Heervolk, sein fröniges, – um zu gehorchen des Gebieters Winken – und seiner Gnade Regen zu trinken; – und er sah sich um nach rarem, – ausgesucht klarem – Geschenk für dessen Harem, – Lohn verheißend dem, der ihm könne deuten, – wo er ein solches möcht' erbeuten. – Da spitzte mein schlechter Nachbar die Ohren, – die Lohnverheißung gab seiner Gier die Sporen, – daß sie, von der Scham umsonst beschworen, – mit ihm rannte davon zu der Schande Thoren. – Er veruntreute, weh mir, – mein anvertrautes Geheimnis an den Emir. – Und als ich umsah, war der Harm mir da, – des Emirs Dienerschwarm mir nah. – Ich war betreten, – wie ich mich von ihm sah angetreten, – ihm mein Kleinod abzutreten. – Ich sollte das Unschätzbare schätzen, – einen Preis auf das Unersetzbare setzen. – Da bedeckte mich so viel Gram, als Meer – einst bedeckte Pharao und sein Heer. – Ich bat vor, und es nützte nicht; – ich schützte vor, und es schützte nicht. – Doch wie er sah meine Beharrlichkeit, – meiner Weigerung Halsstarrigkeit, – loderte er und brauste, – knirschte9) er und krauste.10) – Aber ich wollte meinen Mund von meinem Mond nicht scheiden, – und nicht mein Herz aus meinem Busen schneiden, – bis endlich niederschmetterte, – was lange mich umwetterte – und ein Schlag den Ausschlag gab: – da zog ich mit dem Leben ab – und gab meines Auges Schwärze – hin für seine gelben Erze. – Doch ich gelobte des Tags beim Hochgelobten, – nach meinem Schaden, dem erprobten, – nie künftig mit einem Verschwätzer mich einzulassen – noch mit einem Geheimnisverletzer mich zu befassen. – Das Glas ist aber als solcher bekannt – und sprichwörtlich so genannt; – und weil eben seine Treue so schwächlich, – ist sein Glück so zerbrechlich. –
Nun verzeiht, daß euch mein Schwur entzieht, worauf |
Hareth Ben Hemmam erzählt: Wir verziehn ihm aus Herzensgrund – und küßten seinen süßredenden Mund, – sprechend: Litt doch der Beste der Sterblichen 11) – auch von der Verschwätzerei, der verderblichen; – daher ihn Gott in seinem heiligen Buch – hat aussprechen lassen den Fluch – gegen die falsche Klägerin, – die Höllenbrennholzzuträgerin.12) – Dann fragten wir ihn: Und was that nun dein Nachbar, die Schlange? – Er sprach: Er wand sich in Demut und Wehmut lange, – versuchte mich mit Windung und Wendung – und nachgesuchter Freundesverwendung; – doch ich war geheilt von meiner Verblendung. – Ich beharrte bei meiner Spröde – und wies den Schnöden von mir schnöde. – Doch seine Entblödung war nicht zu beschämen, – seine Erdreistung nicht zu lähmen. – Und nichts befreite mich von seinem Zudrang – und sperrte zu mir ihm endlich den Zugang, – als einige Verse, die mein Unmut hauchte – und mein Schmerz in Bitterkeit tauchte; – die zwangen ihn, sich zu verbergen vor seiner Schmach, – seufzend weh und ach, – verzweifelnd an meiner Liebe Zurückerflehung, – wie Gottesleugner an Totenauferstehung. – Da bestürmten wir ihn, daß er ohne Weile – uns mit dem Genuß der Verse heile; – doch er sprach mit Lächeln: »Ja. der Mensch ist erschaffen aus Eile.« – Dann trug er vor Zeil' um Zeile:
Auch einen Nachbar hatt' ich, den mit Stetigkeit |
Hareth Ben Hemmam spricht: Als nun der Herr des Hauses – und der Wirt unsres Schmauses – erkannte seines Gastes verborgenen Adel, – die Feinheit und die Spitze seiner Nadel; – ließ er den Schöpfer vom nie leeren Witze – sitzen zu oberst auf dem Ehrensitze. – Dann ließ er, gefüllt mit süßen Dingen, – vor ihn eine silberne Vase bringen – und sprach: Nicht gleich ist das Los der Seligen und der Verdammten, – der treuen und der ungetreuen Beamten. – Dieses Gefäßes verschwiegnes Metall – ist nicht wie der verrätrische Krystall; – du wirst dich nicht seines Umgangs schämen – und gern aus seiner Fülle nehmen. – Da hielt jener das Silber mit dem süßen Kern – empor und zeigt' es uns von fern, – sprechend: Aller Augen warten auf den Stern. – Danket Gott, der euch vor Schaden behütet – und euch jeden Verlust vergütet; – der eurer Sehnsucht Wunde heilet – und eurem Munde die Füll' erteilet. – Der Mensch klagt über ein Übel so leicht – und denkt nicht, daß es ihm zum Besten gereicht. – Doch schnell dachte er sich ein andres aus – und sprach zum Herrn vom Haus: – Gepriesen ist der Wirt, von dessen Schmause – der satte Gast trägt sein Gefäß mit nach Hause. – Der Herr sprach: Nimm und frage nicht! – Geh in Gottes Namen und klage nicht. – Und Abu Seid zog ab mit seinem Volke – stumm dankend wie ein Garten der Regenwolke. – Dann versammelte er uns ohne Verweilen – und sprach: Nun lasset uns wie Brüder teilen. – Und dem gemäß – langt' er ins Gefäß – und verteilte den Inhalt, Stück für Stück; – das Gefäß behielt er für sich zurück. – Dann sprach er: Kein Unfall mög' eure Weiterfahrt hindern! – Ich kehre jetzt um und sehe nach meinen Kindern. – Er bestieg sein Tier und verschwand, – die Silbervas' in der Hand, – und wir blieben zurück erblindet, – wie eine Nacht, deren Mond verschwindet.
Verdorben Abulehebs Hand, und er verdorben! |
Sie trägt hier das Holzbündel, um die Hölle für ihren Mann zu heizen, weil sie
dessen Haß gegen Mohammed gehetzt, oder auch: sie trägt ein Bündel Dörner, weil
sie ein solches einst nächtlicher Weile dem Propheten soll in den Weg gelegt haben.