Hareth Ben Hemmam berichtet:
Mir fehlt in der Heimat etwas, – das ich suchen ging in Ehwas.1)– Doch ich ward dort kein Schlecker, sondern blieb ein Schlucker, – ich bekam nicht zum schmecken des Landes Zucker, – sondern es schüttelte an jeder Fiber – mich der Armut Fieber. – Nachdem ich nun dort, als niemands Gast, – nur mir selbst gelegen zur Last – und ohne Ruhe gehalten Rast, – verdroß mich zuletzt das Aufliegen, – und ich entschloß mich zum Auffliegen. – Ich nahm mit dem frostigen Blick des Hassers – Abschied von dem Brunnen seichten Wassers – und verließ ohne Dank die trocknen Tränke-Rinnen, – durstend nach milderen Tränkern und Tränkerinnen. – Als ich nun zwei Tagereisen gemacht – und zwei Nachtfahrten hatte vollbracht, – erschien mir ein Zelt, ein blinkendes, – und ein Feuer, ein winkendes, – und ich sprach wie Mose, da er sah den Strauch – brennen ohne Rauch: – Ich will hingehn, ob man mir meine Fackel zünde, – oder den Weg mir künde. – Als ich nun erreichte das Zelt, das gespannte, – erblickte ich Diener, geschickte, gewandte, – und gestickte Gewande, – dann einen Alten, mit kostbarem Stoff geschmückt, – vor ihm eine Tafel mit Früchten, frischgepflückt. – Es war wie eine Zaubererscheinung – in der Wüste der Paradieseswonnen Vereinung. – Ich bot erst meinen Gruß – und zog dann scheu zurück meinen Fuß; – doch er, indem er nickend sein Haupt erniederte – und meinen Gruß mit einem schönern erwiderte, – sprach: Willst du nicht den Saft meiner Früchte schmecken, – oder hier den Duft der Unterhaltung wecken? – Da ließ ich mich nieder, daß ich koste, – nicht seine Kost, sondern was er kos'te. – Und wie nun das Gespräch seinen Geist entfaltete – und seinen Mund das Lächeln spaltete, – erkannte ich den Abu Seid an seinem Witze, dem feinen, – und an seinen Zähnen, den unreinen. – Da holt' ich vor Überraschung tief Ach, – und meine Freude war zwiefach, – einmal, daß ich ihn wiedergefunden, – dessen Spur mir lange war geschwunden, – dann daß ich ihn wiedersah als reich, – den ich verlassen hatte einem Bettler gleich. – Ich vergaß, wie das Glück mich selber bedrückte, – und dankte ihm, daß es ihn beglückte. – Denn fragte ich: Von wannen des Weges? – und wo hinaus des Steges? – und woher die Auffrischung deines Gepräges, – die Anfrischung deines Weidegeheges? – Er sprach: Mein Kommen ist von Tus – und mein Gang nach Sus; – die Herrlichkeit aber, in der du mich siehest thronen, – kommt von den Geistern, die in der Öde wohnen. – Sie haben mich gewiesen zum Platz, – wo ich gehoben den Schatz. – Ich rief: Bei Gott, dem Schatzgeber! – bist du geworden ein Schatzgräber und Schatzheber? – Willst du mich nicht führen zu deinen Dschinnen? – denn mir thäte not, auch einen Schatz zu gewinnen. – Doch er sprach: Das schlage dir aus den Sinnen. – Die Geister sind alle verreist; – und es blieb nur zurück der Geist. – Ich sprach: So ist es wohl dein Geist, der gewandte, – der der Kunst Netze spannte, – in die des Glückes Beute rannte? – Er sprach lächelnd: Ja, das war das Mittel. – Ich sprach: Doch welches war sein Titel? – Er sprach: Der Mund, der stumme, rief – diesmal zu Hilfe einen Bettelbrief. – Da beschwor ich ihn mit Entzücken, – mit dem Brief herauszurücken. – Doch er sprach: Ich kann dich nicht beglücken, – wenn du nicht auf den Fuß – mir folgen willst nach Sus.– Da mußt' ich mich wohl entschließen, ihn zu begleiten; – und ich weilte dort einen Monat an seiner Seiten, – während er mein Herz mit Versprechungen – und mein Ohr mit Bestechungen – von einem Tag zum andern hinhielt, – Alles auskramend, was er im Sinn hielt, – und nur mit seinem Bettelbrief innhielt; – bis die Brust mir ward zu enge, – und die Geduld mir kam ins Gedränge, – daß ich ausrief: Nun bleibt dir nichts mehr zu plaudern – und mir nichts mehr zu zaudern. – Morgen, nach deines Truges Erkennung, – will ich krächzen lassen zwischen uns den Raben der Trennung2) – und abziehn mit den Schuhen des Honein. – Doch er sprach: O nein! – Stelle deinen Argwohn ein! – Ich habe dich nicht zurückgehalten, – um dir vorzuenthalten, – sondern um dich zu erhalten und zu unterhalten. – Ist denn bei mir so arg wohnen?–warum willst du so argwohnen? – Doch daß du meine Lügenscheue schauest – und künftig meiner Treue trauest – und auf mein Versprechen dein Gebäue bauest; – so laß dir nun den Vorhang – lüpfen von jenem Vorgang, – und laß dich in die Vorhalle – führen von jenem Vorfalle. – Er dient als ein Elixir zu des Gemütes Erweiterungen – und verdient einen Platz im Buche der Erheiterungen.3) – Ich sprach: Gott! wie bist du so verschieden gefunden, – bald so kurz angebunden, – bald so lang gewunden. – Wie unendlich sind deine Umstände, – und wie umständlich kommst du zum Ende. – Da erzählte er: Wisse, daß das bittere Muß – mich zwang, meine Nahrung zu suchen in Tus: – Meine Flügel waren damals von knappem Kiel – und schlappem Spiel, – ich hatte keinen Besenstiel und keinen Pappenstiel. – Da trieb mich die Leere im Kasten – zur Schwere von Schuldenlasten, – und es führte mich das harte Geschick – zu einem Gläubiger von hartem Genick. – Ich hoffte inzwischen auf Absatz meiner Waren4)– und machte keinen Ansatz zu sparen; – ich träumte, durch meiner Künste Aufwand – noch zu decken meinen Aufwand: – bis sich zerstreute die Verblendung – und ich bereute die Verschwendung. – Die Schuld war fällig, – und ihr Forderer war ungefällig; – er wollte nicht hören Beschwichtigung, – sondern drang auf Berichtigung; – er nahm nicht vorlieb mit Abspeisung, – sondern bestand auf Anweisung; – und wenn ich sprach von Stündung und Vertagung, – sprach er nur von Aufkündung und Abtragung: – er spottete meiner Klage – und drohte mit einer Klage. – Ich wußte aber, daß keine Gnad' hie – sei zu finden vorm Kadi, – daß hingegen der Chef der Polizei – ganz polit sei; – um nun den Handel aus der Hand zu spielen einem Leidigen – und vor einem Leidlichen mich zu verteidigen, – fand ich es rätlich, – mich an meinem Dränger zu vergreifen thätlich. – Als er nun, gestoßen mit Hand und Fuß, – mich schleppte vor den Befehlshaber von Tus; – las ich auf den ersten Blick – in dessen Mienen mein gutes Geschick. – Doch fürchtete ich, mir möchten Worte nicht helfen – gegen des Gegners Gelfen;5) – und um sichrer meines Richters Herz zu rühren, – wollt' ich meinen Streich mit der Feder führen. – Drum, als mein Feind tobte wie ein Ungetüm, – blieb ich stumm vor seinem Ungestüm, – deutend mit Gebärden und Zeichen, – mir Tintenfaß und Papier zu reichen. – Da dachte wohl der Herr bei meinem Lallen, – mir sei vor Schrecken die Sprache verfallen, – und er rief: Verteidigen muß sich jeder; – wenn ihm die Zunge versagt, so gebt ihm die Feder. – Als ich nun war des Gerätes Meister, – schrieb ich, was mir eingaben meine Geister: – Stumm ist die Treue, – stumm die Ehrfurcht und die Scheue; – stumm macht die Armut, die die Seele engt – und die Kehle zwängt, – die Brust beklemmt – und den Odem hemmt, – im Munde den Speichel macht trocken – und den Zug in der Lunge stocken. – Aber die milde Hand – löst der Zunge Band; – sie mache stumm meinen Tober, – und nie sei stumm ihr Lober!
Herr des Glückes! deines Neiders Auge müsse Blindheit decken, |
Das Auge der Welt ist gegen Verdienste blind, – ihr Ohr ist gegen Bitten taub, – ihre Hand ist zu geben lahm, – und ihr Mund ist zuzusagen stumm. – Aber der Reichtum ist ein Licht, das sehen die Blinden, – ein Himmelsgruß, den hören die Tauben, – eine Stütze, an der sich aufrichten die Lahmen, – ein Zauber, der reden macht die Stummen.
Blind ist das Auge, das nicht schaut der Sonne Glanz; |
Doch um den zu loben, den keine Gunst des Zufalls blendet – und keine Macht des Unfalls lähmet, – den kein Ruf des Beifalls täubet – und kein Ungestüm des Abfalls stümmet; – dazu ist des Geistes Sehkraft erblindet – und der Feder Schnellkraft erlahmet, – der Vorstellung Fassungskraft ertaubet – und der Dichtung Schöpfungskraft erstummet.
Stumm ward in meiner Väter Haus die Freude, |
Als der Emir nun empfing den Bettelbrief, – und sein Blick wohlgefällig über den Zettel lief, – säumte er nicht, meine Schuld abzutragen – und die Klage meines Gegners niederzuschlagen. – Dann mußt' ich in seine Dienste treten – und mich beizählen lassen seinen Prunkgeräten; – und ich lebte ein Stück, ein geraumes, – von den Früchten seines milden Baumes, – kleidete mich in Gold und weichliche Seide – und hatte reichliche Weide: – ich sang dazwischen meine Danklieder, – bis mir gewachsen war das Gefieder; – da ward mir zuwider der Ruhstand, – und ich zog ab, wie du siehst, in diesem Zustand. – So sprach er; ich rief: Gott gebe dem nun Bestand! – Er sprach: Diese Welt besteht aus Unbestand. – Doch was wählest du dir zur Gabe, – den Brief oder den Zehnten meiner Habe? – Ich sprach: Die Abschrift des Briefes ist mir begehrlicher. – Er sprach: Und bei Gott, mir ist sie entbehrlicher; – denn leichter giebt sich, was eingeht ins Ohr, – als was geht aus dem Beutel hervor. – Doch dann war's, als ob er sich schämte, – wenn er den nackten Brief nicht verbrämte; – und er ließ mich ziehn mit einem doppelten Maße von Wonnen, – mit dem Brief und einem vollen Eimer aus seinem Bronnen. – Da sprach ich zum Abschied: Gott behüte deinen Atem! – in ihm ist die Seele von Hatem.6) – Du bist ein besserer Tränker im Durst, als Kaab Ben Mame;7) – sei nie getränkt noch bedrängt von Grame. – Du warst mir ein besserer Umgang als Kaka Ben Schaur;8) – Gott bewahre dich vor der Schur und vor dem Schau'r! – Er rief: Gott mehre deines Geistes und deines Leibes Vorrat, – daß du seiest wie die Benu Forat9) – und wie das Wasser Forat!10) – Worauf ich abzog mit Freuden, – und er blieb, um zu vergeuden.