Hareth Ben Hemmam erzählt:
Weil ich in der Heimat war schlecht begraset – und mein Weideland dünne beraset, – zog ich nach Waßet, ohne doch zu kennen eine Seele, – der ich das Heil der Meinigen dort empfehle. – Als ich nun hineinfiel, wie der Fisch aufs Trocken', – oder wie ein weißes Haar in schwarze Locken, – steuerte das Unglück meinen Kahn – in einen Chan, – wo einzukehren pflegten die Zerstreuten des Landes, – die gemischten Brüder des Fremdlingsstandes; – doch wo Reinlichkeit und Zierlichkeit – und der Leute Manierlichkeit – dienten, das Herz des Gastes zu gewinnen – und die Heimat zu entrücken seinen Sinnen. – Als ich nun, allein zu sein mit meinem Jammer, – mir hatte gemietet eine eigne Kammer, – die nicht größer war als das Nest einer Ammer; – stand es an nicht länger, als man sagt »Amen« – oder »in Gottes Namen«, – daß ich hörte, wie im nächsten Gemach – mein Wandnachbar zu einem, der bei ihm war, sprach: – Auf! mein Sohn; auf den Beinen sei dein Heil, – und Sitzen sei deiner Feinde Teil. – Geh hier mit dem Vollmondrundlichen, – Fettlichen, Mundlichen, – der auf der Welt nichts verschuldet hat, – aber vieles geduldet hat; – der eingesenkt ward, um aufzustehn, – und eingetränkt ward, um aufzugehn; – der sich mußte lassen schneiden und treten, – malmen und kneten – und ins Feuer schieben, bis er war erstarkt; – mit ihm geh auf den Markt – und hole von dort den Schmächtigen, – Schwängernden, Trächtigen, – Nutzens und Schadens Mächtigen, – Gluten Schwitzenden, – Funken Spritzenden, – Donnernden, Blitzenden, – Geschlagnen, Schlagenden, – nicht Versagenden, – Lust zu Lumpen Tragenden, – Knatternden, Knitternden, – nicht unnütz auf dem Feld Verwitternden, – sondern in seinem Beruf Zersplitternden. – Als nun verstummt war des Sprechens Gedröhne, – hört' ich noch des Fortgehens Getöne; – dann sah ich aus dem Hause schreiten – einen Jüngling, doch ohne zweiten.1) – Da fand ich es ein Rätsel, den Verstand zu äffen, – zu Vermutungen einladend, um fehl zu treffen; – und ich ging den Schritten des Gesendeten nach, – um zu erfahren, wovon sein Sender sprach. – Doch er wandte sich und rannte wie ein unsteter Geist, – bis er hatte den ganzen Markt durchreist – und alle Buden ausgekreist; – da trat er zuletzt an eine, – wo feil waren Feuersteine; – er reichte dem Verkäufer einen Kuchen2), und der ließ ihn dafür einen Stein aussuchen. – Dann verschwand er mit seinem Besitz; – doch ich bewunderte den Aufwand von Witz, – und mir fuhr durch die Seel' ein Blitz, – ich erkannte hieran den Seruger so klar, – daß mir zu fragen nicht nötig war. – Doch um meine Vermutung zu bestätigen – und meinen Scharfsinn mir selbst zu bethätigen, – eilt' ich zurück zum Chan, – was man nur eilen kann; – und die Sache hatte ihre Richtigkeit; – meine Scharfsicht übertraf Zerkas3) Scharfsichtigkeit: – Denn siehe, da saß er selbst, Abu Seid, in vollster – Wirklichkeit auf dem Gästepolster. – Wir begrüßten uns wie Bekannte – und umarmten uns wie Verwandte; – dann sprach er: Was ist dir begegnet, – daß du die Heimat hast gesegnet? – Ich sprach: Schicksals Drang – und Drangsals Überschwang. – Er sprach: Bei dem, der Regen preßt aus der Wolken Kleide – und die Dattel zieht aus der Fruchtscheide, – ja, die Zeit ist verdorben ungemein, – und das Verderbnis ist allgemein; – doch die Nahrung kommt von Gott, – sie zu errennen frommt kein Trott. – Aber wie fuhrest du auf deinen Pfaden? – ledig oder geladen? – Ich sprach: Die Nacht war mein weites Gewand, – und der Mantel mein ein enges Gürtelband. – Da blickt' er nachdenklicher Gebärde – und schrieb mit dem Finger an der Erde, – als sinn' er, wie er helfen werde. – Dann fuhr er auf, wie wem ein Wild aufstieß, – oder die Gelegenheit sich wies, – und sprach: Du sollst unter meinem Beirat – hier schließen eine Heirat – mit Leuten, die deinen Schaden heilen – und deiner Mause neues Gefieder erteilen. – Ich sprach: Soll ich meinem Wehstand – noch hinzuthun den Ehstand? – Und wer sind denn die Leute, die irgend heim – geben ihr Kind einem Habenichts von Nirgendheim? – Er sprach: Ich bin bei ihnen dein Mittler, – dein Bürge, dein Adler und Betitler. – Im übrigen sind es Leute vom alten Glauben, – nicht klug wie die Schlangen, doch ohne Falsch wie die Tauben; – die sich zum Beruf machen die Lösung der Gefangenen – und die Leitung der Irrgegangenen, – und die, haltend an der rechten Satzung, – nicht verlangen eines Eidams Brandschatzung. – Ob bei ihnen würbe Ibrahim Ben Edhem, – oder Gebelet Ben Eihem, – sie begehrten eben zum Mahlschatz fünfhundert Dirhem, – weil der Prophet so viel für seine Weiber gab – und nicht mehr nahm für seine Töchter ab. – Übrigens genügt ihnen ein Versprechen, – und vom Baren ist nicht zu sprechen. – Dazu werd' ich, wann du schließest den Ehevertrag, – für dich halten einen Werbvortrag, – desgleichen der Mund nie geboren, – noch empfangen haben die Ohren. – Hareth Ben Hemmam spricht: Da reizte mich mehr der gedachte Vortrag, – als die zugedachte Braut, daß ich einging den Vorschlag – und sprach: Ich geb' in deine Hand des Schwertes Heft, – führ als Freund und als verständiger Mann das Geschäft! – Da schritt er fort großprahlend, – dann kehrt' er zurück siegstrahlend – und sprach: Wünsche dir Glück zu deines Glückes Besserung – und deines trockenen Grundes Wässerung, – erkennend mit Dankespflichtigkeit – meiner Dienstbemühungen Wichtigkeit, – denn die Sach' ist in Richtigkeit. – Dann lud er auf die Nacht alle Leute des Hauses – und beschickte selbst die Süßigkeiten des Schmauses. – Als nun die Finsternis zog ihr Zelt von Flor – und jeder der kein Thor war, schloß sein Thor; – rief er bei Kerzenscheine – zur Versammlung die geladene Gemeine. – Da kam, was nur im Chan war, dem Rufe nach – und sammelte sich in sein Gemach. – Als nun der Brauterzeuger mit Gefolg war erschienen, – samt dem Volke derer, die zu Zeugen sollten dienen, – wies er rings die Polster zum Sitz an ihnen; – worauf er ein Astrolab erhob, – einen Kalender hin und wieder schob – und so lange stellte an einem Horoskop, – bis die ganze Gesellschaft nickte, – und Schläfrigkeit jeden bestrickte. – Da rief ich: Wann legest du endlich die Axt an den Stamm? – Wie lange lassest du zappeln das Opferlamm? – Doch er that einen Schiefblick, – dann sprach er mit einem Tiefblick: – Ich schwör' es beim Berge Tur4), – und groß ist dieser Schwur, – und beim aufgeschlagenen Buch,5) – dieser Schwur leidet keinen Bruch: – die Heimlichkeit dieses Dings wird sich offenbaren – und das Gedächtnis davon sich bewahren – bis zu dem Tag, wo sich versammeln die Scharen. – Worauf er auf die Knie sich hockte – und die Ohren zur Weide lockte, – indem er nicht im Vortrag stockte, – sprechend: Gelobt sei Gott, der gelobte, der zu lobende, – der erprobte, der erprobende, – der Erschaffer aller Erschaffnen, – der Erwecker aller Entschlafnen; – der mit seinem Segen regnet – und mit seinem Regen segnet; der die Abgründ' ergründet – und die Strommünder mündet – und die Sünder entsündet; der den Bund der Weltseiten bündet – und das Rund der Jahreszeiten ründet; – der von den Wolkenfirsten wettert – die Gipfel der Forsten blättert – und die Giebel der Fürsten schmettert; – der Urheber und der Wender, – der Anheber und der Ender, – der Ratgeber und der Vollender; – der Vater der Schwarzen und Weißen, – der Begnader der Thoren und Weisen, – der Berater der Witwen und Waisen; – der Entlader der Beladenen, – der Einlader der Ungeladenen; – der die Wünsche gewährt – und die Hoffnungen bewährt – und die Bitten nicht wehrt; – dem die Verachteten sind wert – und dessen Gnade ewig währt. – Ich lob' ihn, wie ihn lobten die Altväter, – und bet' an, wie angebetet Abraham der Anbeter. – Kein Gott ist außer dem Gott der Welt; – was er hält, das hält, – was er fällt, das fällt. – Er hat gesandt den Mohammed Aleihisselam,6) – vor der Welt aufzurichten den Islam, – die Übermütigen zu demütigen – und zu trösten die Wehmütigen; – daß er machte zu Schutt und zu Spott – die Götzen Suwaa und Wodd.7) – Er richtete und unterrichtete, – berichtete und verrichtete, – vermahnte und bedrohte, – bahnte den Steig der Gebot' und Verbote. – Und Gott hat ihn ausgezeichnet mit Lohnung, – seinen Geist aufgenommen in die Friedenswohnung – und seinem Geschlecht verheißen Gnad' und Schonung, – solange die Luft am Mittag flimmert – und der Strauß in Wüsten wimmert – und der neue Mond im Westen schimmert. – Wirket (Gott schirm' euch) im besten der Werke – und wandelt ohne Wandel in des Glaubens Stärke, – hasset das Böse und lasset es, – höret das Gute und fasset es, – entringet euch den Banden der Schuld und der Schande – und schlinget des Bluts erlaubte Bande, – verschwägert auch mit Reinheit und mit Zierde – und entschlaget euch unreiner Begierde. – Hier euer Eidam ist von Herkunft der klarste, – von Einkunft der Barste, – von Auskunft der Offenbarste, – von Verheißung auf die Zukunft der Wahrste. – Er steht vor euch hier auf dem Wahlplatz, – die Perl' eures Hauses ist sein Wahlschatz, – für die er euch bietet zum Mahlschatz – so viel, als weiland der Prophet – bot für Ummu Selemet.8) – Sie passen zusammen wie Stahl und Stein, – wie Schal' und Wein; – ferne von ihnen sei Qual und Pein. – Keinem Feineren als ihm ward noch ein Kind vertraut, – von einem Reineren ward nie entschleiert eine Braut. – Sein Schwäher ist mit ihm unbeschwert, – und sein Gewährer ist mit ihm gewährt. – Ich bitte Gott, daß er ihn euch lasse gelieben – und daß sein Glück sei durch euch beklieben. – Gott segne eure Aus- und Einkehr – und bereite euch zu sich die Heimkehr. – Ihm ist der Preis, der ewig flammet, – und das Lob seinem Gesandten Mohammed.
Als er so mit seinem Vortrag die Hörer verwundert, – auch den Vertrag geschrieben über die fünfhundert; – sprach er, das Werk zu krönen: – »Zu Eintracht und zu Söhnen!«9)– Dann bracht' er die bereiteten Süßigkeiten – und stiftet' ein Gedächtnis auf ewige Zeiten. – Als ich begierig krümmte die Krallen, – um vor den andern darüber herzufallen; – hielt er mich zurück und bedeutete mich, daß mir vom Feste – nichts zusteh' als die Bedienung der Gäste. – Das that ich denn flink; – doch es währte einen Augenwink, – da fielen sie auf ihre Kinne, – und weg waren ihre Sinne. – Als ich sie sah liegen, – wie die toten Fliegen, – merkt' ich, daß es sei von verruchter Tück' – ein ausgesuchtes Stück, – und sprach: O du Feind deines Lebens – und Knecht deines bösen Strebens, – hast du ihnen gereicht süßes Brot – oder bittern Tod? – Doch er sprach unkummerhaft: – Nichts weiter als einen Schlummersaft. – Ich rief: Ich schwör' es bei derer10) Reigen, – die dem Nachtwandler die Wege zeigen, – du hast hier aufgerichtet ein Schandmal – und dir aufgedrückt ein Brandmal. – Dann dacht' ich an der Folgen Erstreckung – und die Gefahr der Ansteckung, – bis mir die Gesinnung in Funken stob – und die Rückenhaut ein Schauder hob. – Doch als er sah meiner Furcht Bewegungen – und die Unruhe meiner Regungen, – sprach er: Woher deiner Besorgnisse Flut – und wozu deiner Befahrnisse Glut? – Wenn um meinetwegen, – so laß den Sturm sich legen; – denn im Augenblick werd' ich hier packen und sacken – und diesen Ort ansehn mit meinem Nacken. – Wie manchen schon hab ich geräumt, der nach mir leer blieb wie Schlacken! – Doch siehst du auf deine Bedrängnis – und besorgst für dich das Gefängnis; – so genieße hier den Rest und fürchte kein Leid, – als daß ich dir ausziehe das Kleid. – Dann kannst du hier sicher bei den andern bleiben – und morgen deine Hochzeit betreiben. – Doch willst du das nicht, so fliehe, – ziehe fort, eh man fort dich ziehe! – Dann fing er an, auszuräumen in den Gemächern, – was sich fand in Schreinen und Fächern, – und erlas den Aushub von allen Waren – wiegbaren oder meßbaren, – bis, was er zurückließ, war ein Quark, – wie ein Knochen, aus dem man genommen das Mark. – Als er nun gerührt und geschnürt, was er für gut befunden, – die Ärmel gestülpt und den Gurt gebunden; – wandt' er sich zu mir mit Vermessenheit, – mit aller Freundschaft Vergessenheit – und sprach: Willst du mit? Ich ziehe – in die Sümpfe von Batihe11), – und ich finde dort wohl noch Zeit, – dir zu sorgen für eine andre Hochzeit. – Doch ich sprach: Bei dem Herrn Jesus, der auf den Gassen gelehrt, – doch keine Gasthäuser ausgeleert! – mein Kopf braucht keine zwei Nachtkappen, – und ich habe genug an einer Schlappen. – Gehe mit Gott und wandre – und frei' einem andern deine andre. – Da lächelt' er vergnügt und wollte mich umfangen, – doch ich wandt' ihm ab die Wangen – und entzog mich seinem Liebesverlangen. – Als er nun sah meine Sprödheit – und erfuhr meine Schnödheit, – sang er mich an ohne Blödheit:
Der du von mir dich wendest ab, |
Der Erzähler spricht: Da hub er an ein Wehklagen – und stellte an ein Brustschlagen, – bis mein abgewandtes Herz ihm wieder war zugeneigt – und ich für ihn hoffte, was man hofft für einen Sünder, der Reue zeigt. – Doch er dämmte seinen Thränenlauf, – achselte sein Bündel und machte sich auf – und rief seinem Sohne: Komm mit dem Reste. – Gott ist unsere Feste. – Als ich nun abziehn sah den Drachen und sein Drächlein, – rafft' ich zusammen meine Sächlein; – denn ich sah, das ich mich selbst nicht hätte lieb, – wenn ich länger an der Stätte blieb; – so zog ich in der Nacht gen Tib13) – und nahm Gott zum Zeugen gegen den Dieb.
O Volk! es kommen euch die Bäume fürwahr, |
Doch sie glaubten ihr nicht; da sprach sie:
Ich schwör' es bei Gott, die Bäume kommen gegangen, |
Doch sie glaubten ihr nichts und merkten nichts, bis Hassan sie überfiel und ausrottete und die Zerka gefangen nahm, der er die Augen ausstach. – Der Birnamwald im Macbeth ist uns bekannt genug, weniger vielleicht die deutsche Volkssage vom König Grünewald, mit dem Reime:
König, gieb dich gefangen! |