Hareth Ben Hemmam erzählt:
Als ich durch der Wüste Gebiet – zog nach Sebid, – begleitete mich ein Sklave, dem ich hold gesinnt war, – weil er meines Hauses Kind war – und dem ich wie ein Vater war gewogen, – weil er von mir selber war erzogen. – Er aß mit Dankbarkeit mein Brot – und hielt mit Unwankbarkeit mein Gebot; – er kannte mich von außen und innen – und wußte die Wege, mein Herz zu gewinnen, – that keinen Fehltritt, wo er trat, – und keine Fehlbitte, wo er mich bat; – zu Haus und auf Reisen unbeschwerlich, – treu, bescheiden und unbegehrlich, – war er mir immer unentbehrlich. – Doch als uns aufnahm Sebid, – ging er ins Totengebiet. – Und ein Jahr lang, nachdem er geschieden, – blieb der Schlaf von meinen Augenliden – und die Speise von meinem Mund gemieden; – und ich konnt' es nicht bestehn, – nach einem andern Diener mich umzusehn, – bis zuletzt der Einsamkeit Unannehmlichkeiten – und des Stehns und Gehns Unbequemlichkeiten – mich bewogen, für die Perle Glas zu nehmen – und zu einem Lückenbüßer mich zu bequemen; – daher ich ging und mich beriet – mit den Sklavenhändlern von Sebid, – sprechend: Ich such' einen Sklaven, der von außen gefällt – und der von innen die Probe hält, – solch einen von edlem Kern, den gefeilt hat die Anmut – und feil gemacht seinem Herrn nur die Armut. – Da rührten sie sich alle auf mein Begehren – und versprachen, in Kürze mich zu gewähren. – Doch es kreiste der Monde Tanz, – und ab nahm und wieder zu ihr Glanz, – ohne daß von den Verheißungen eine trug Frucht, – noch ich hatte, was ich gesucht. – Da erkannt' ich, daß mir niemand die Haut – so gut wie mein eigner Nagel kraut; – und, dem Wege der Aufträge mich entschlagend, ging ich nun selber, – versehn mit weißer Münz und gelber, – auf den Markt, daß ich mir ließe weisen – die Sklaven, und fragte nach ihren Preisen. – Da trat ein Mann auf im Schleier, – der hielt an der Hand einen Jüngling, wie eine Taube der Geier, – und rief:
Wem ist ein Sklave lieb, der auf dem Haupt die Krone |
Hareth Ben Hemmam spricht: Wie ich betrachtete des Jünglings Wohlgestalt – und seiner Schönheit Vollgehalt, – schien er mir von Gebärde – nicht wie einer der Erde, – und ich sprach bei mir: das ist ein Bewohner der Gärten von Eden, – nicht einer der Menschen, geformt aus Leden.1) – Da bat ich ihn, mir seinen Namen zu nennen, – nicht um den Namen zu kennen, – sondern um aus seiner Rede seine Geistesbildung zu sehn, – ob sie gegen seine Gesichtsbildung möchte bestehn. – Doch er sprach weder übel noch gut, – er stand wie ein Bild, das nicht den Mund aufthut. – Ich rief: Schade, daß du stumm bist, – oder mehr noch schade, wenn du dumm bist. – Da lacht' er auf mit hellem Klang, – wiegte das Haupt und sang:
Du, dessen Zorn entbrannt ist, weil den Namen ich |
Der Erzähler spricht: Da schmolz mein Zorn vor seinem Gesang, – und mein Herz ward bestrickt von seinem Zauberklang, – daß ich in der Beschämung nichts ermaß – und die Geschichte des verkauften Josephs vergaß; – auf nichts bedacht, als von seinem Herrn das Gebot zu erfahren, – und entschlossen, kein Geld zu sparen. – Ich war darauf gefaßt, er würde nehmen einen starken Schwung – und hoch spannen seine Forderung; – doch er verstieg sich nicht, wohin sich meine Meinung verstieg, – sondern gab mir leichten Kaufs den Sieg, – sprechend: Wenn der Preis eines Knechts ist niedrig – und der Aufwand für ihn nicht widrig, – so freut es seinen Herrn, – und er hat ihn gern. – Ich möchte diesen Jüngling dir machen wert – dadurch, daß ich gering ansetze den Wert. – Bist du's zufrieden, daß du zweihundert Drachmen gebest – und mir dankbar seiest, so lange du lebest? – Da schlug ich schnell ein, wie einer einschlägt – bei einem Handel, der ihm einträgt, – und bezahlte auf der Stelle das Geld, – wie man gern bezahlt, was wohl gefällt, – und was man für wohlfeil hält; – ich bedachte nicht, daß zu jeder Frist – Wohlfeilgekauftes teuer ist. – Als nun nach des Handels Beendigung – es ging an des Guts Aushändigung, – hob der Jüngling die Augen, aus denen brach – ein Thränenbach – indem er zu seinem Verkäufer sprach:
O Schmach! verkauft man den als eine Ware, |
Der Erzähler spricht: Als der Alte hörte des Jünglings Liedesgruß – und sah seines Augenlides Thränenguß, – stöhnt' er gleich einem Vergehenden – und weinte, bis mit ihm weinten die Umstehenden. – Dann sprach er zu mir: Ja, dieser Jüngling ist mir als ein Sohn, – er ist mein Herz oder ein Stück davon; – und thäte nicht die Kahlheit meines Hauses – und die Schmalheit meines Schmauses, – nicht hätt' ich mich getrennt von meines Alters Stabe, – bis ich wäre an ihm gegangen zum Grabe. – Du siehst, wie wild – sein Herz vom Weh der Trennung schwillt; – der wahre Gläubige aber ist gut und mild: – willst du drum nicht, zur Linderung seinem Herzen – und zur Minderung meiner Schmerzen, – mir versprechen, daß, ohne dich zu betrüben, – ich dürfe den Wiederkauf ausüben – und den Handel rückgängig machen, – wenn sich verbessern meine Sachen? – weil ja die Glaubensüberlieferungen verkünden: – Wer einem, den es reut, erläßt einen Handel, dem erläßt Gott seine Sünden. – Hareth Ben Hemmam spricht: Da gab ich ihm die Zusage mit dem Mund, – doch andres dacht' ich im Herzensgrund. – Er aber zog den Jüngling zu sich heran, – küßt' ihn zwischen die Augen dann – mit fließenden Thränen und begann:
O unterdrück (dein Opfer sei mein Leben!) |
Dann sprach er zu ihm: Ich überlasse dich einem Muster von Herrn. – Damit schürzte er sich und enteilte fern. – Und der Jüngling fuhr fort mit Gewinsel und Gewimmer, – bis jener dem Blick war entschwunden auf immer. – Dann, nachdem er sich gefaßt – und sein Angesicht entnaßt, – sprach er: Weißt du, was ich gemeint, – und warum ich geweint? – Ich sprach: Ich denke, der Abschied von deinem Herrn – machte thränen deinen Augenstern. – Da sprach er: du gehst in diesem und ich in jenem Thal, – und zwischen unsern Meinungen ist die Kluft nicht schmal. – Dann hub er an:
Bei Gott, nicht wein' ich einem fliehenden Freunde nach, |
Der Erzähler spricht: Da achtete ich erst für Scherz seine Rede – und für Spiel seine Fehde; – doch er beharrte fest auf seinem freien Stande – und wies standhaft von sich der Knechtschaft Schande. – Da tummelten wir uns erst mit Worten, guten und bösen, – und dann mit Stößen, – bis es kam zum Berufen – vor des Gerichtes Stufen. – Als wir nun dem Richter traten vors Gesicht, – und unser Bericht – ihm aufsteckt' ein Licht; – sprach er: Wahrlich, wer warnt, – hat nicht umgarnt; –wer einen aufmerksam macht, – hat ihn nicht in Schaden gebracht. – Aus eurem Vorbringen seh' ich, daß dieser Jüngling dich weckte und du nicht erwachtest; – daß er dir ein Zeichen steckte und du dir's zu nutz' nicht machtest. – So verbirg nun deiner Thorheit Schaden, – ohne deine Schuld ihm aufzuladen; – zieh ab deine Hand – von seinem Gewand, – denn er ist frei von Haut und Haaren – und gehört nicht zu den käuflichen Waren. – Gestern eine Stunde vor der Nacht – hat ihn sein Vater vor mich gebracht – und erklärt zu Protokoll, – daß er sein einziger Sohn ist, der ihn erben soll. – Ich sprach zum Richter: Bei Gott, dem Berater! – kennst du seinen Vater? – Er sprach: Wie kennte ich nicht Abu Seid, den frechen, – von dem jeder Richter im Lande weiß zu sprechen, – der einen Freibrief hat auf unstrafbare Verbrechen. – Da brannte ich auf, tobte und schwur – und war nun, doch zu spät, auf der Spur, – erkennend, daß sein Schleier war ein Netz des Truges – und dieses Stück das Meisterstück seines Luges. – Doch die Scham schlug mir die Augen nieder, – ich schwor, nie mit Verschleierten zu handeln wieder. – Dann gelobt' ich, mich aufs Leben von Abu Seid zu scheiden – und auf ewig seinen Umgang zu meiden, – auszuweichen von ihm jeder Berührung, – aus Verdruß über seine Verführung – und aus Furcht vor neuer Umschnürung. – Ich ging ihm aus dem Weg – und floh sein Geheg; – doch einst stellt' er mich an einem engen Orte, – und durch ein paar seiner losen Worte – erschloß er wieder meines Vertrauens Pforte.