Hareth Ben Hemmam erzählt:
Als meine Jugend stand im Saft, – mein Wuchs war wie der Lanze Schaft – und antilopengleich meiner Läufe Kraft; – führten die wechselnden Wanderpfade – mich einst nach Saade.1) – Und als ich mich ergötzt an ihrer Au – und mich geletzt an ihrem Tau, – erkundigte ich mich bei den kundigen Kennern – nach irgend einem Ausbund von Männern, – der ein Edelstein wäre von reiner Glut – und ein Schacht von Edelmut, – daß er mir in Bedrängnis dienen möchte zum Horte – und gegen drohendes Verhängnis zum Porte. – Da ward mir gepriesen – und angewiesen – ein Kadi des Orts, dessen Erbschaft Adel – und dessen Erwerbschaft war Untadel, – ein Temimer2) wie von Geblüte – so von Gemüte. – Da säumte ich nicht, mich mit ihm zu verbinden; – und versäumte nichts, um ihn mir zu verbinden; – und so durch meiner Dienste Emsigkeit, – wie durch meiner Besuche Seltenheit3) – sucht' ich ihm mich zu machen so unentbehrlich – als unbeschwerlich; – bis ich ward der Schatten seiner Säle – und das Echo seiner Seele, – der Gesellmann seines Schmauses – und der Selman seines Hauses.4) – Während nun mein Gaumen süß war von seinem Bienenstock – und mein Geruch gewürzt von seinem Blumenstock, – pflegte ich beizuwohnen den Parteienzwisten – und zu vermitteln zwischen Moslemen, Juden und Christen. – Als der Kadi nun saß und der Geschäfte pflag – an einem drangvollen, gedrängvollen Gerichtstag, – trat auf ein Scheich mit dürftigem Gefieder, – dem zu zittern schienen die Glieder; – der, nachdem er die gedrängten Haufen – hatte mit Wechslerblicken5) durchlaufen, – äußerte gegen den Kadi, es folg' ihm ein Gegner, – ein verstockter, verwegner. – Und es währte keinen Augenblick, – keinen Wimpernick, – da trat herein mit stolzem Genick – ein Bürschchen gleich einem Hirsche, – zart von Flaum wie eine Pfirsche. – Und der Scheich sprach: Gottes Macht stütze – den Richter, daß er das Recht schütze. – Hier, mein Pflegesohn, ist ein stöckiges Pferd, – ein eingestocktes Schwert, – ein Bogen, ein unbiegsamer, – ein Zögling, ein unfügsamer, – ein Schreibekiel, ein knarriger – und scharriger, – ein störriger Bursch und starriger, – starrsinniger, trotzköpfiger, hartnäckiger, halsstarriger, – mir unwillfährig und fahrig, – widerspenstig und widerhaarig. – All seine Art ist Unart – und jede seine Fahrt eine Unfahrt; – Widerwart ist sein Kleid – und Widerpart sein Geschmeid, – mein Verdruß ist sein Genuß und meine Lust sein Leid. – Wenn ich vor will, hüfet er, – wenn ich befehle, prüfet er;6) – was ich eingebe, stößt er aus, – was ich anblase, bläst er aus; – was ich rate, steckt er in die löcherichte Tasche, – was ich brate, wirft er mir in die Asche. – Und ich hab' ihn gezogen und gepflogen doch, – von dem an, da er auf den vieren kroch, – bis nun er fliegt in den Lüften hoch, – und war ihm mit früher und spater – Vorsorg' und Fürsorg' ein Rater und ein Vater. – Dem Kadi schien die Klage schwer, – er blickt' im Kreise seiner Leut'7) umher, – und sie zeigten sich erstaunt wie er. – Dann sprach er: Ich bezeuge beim höchsten Throne, – Söhne sind des Vaters Ehrenkrone; – aber Kinderlosigkeit ist minder – und Kinderverlust gelinder – als Ungehorsam der Kinder. – Kühleres Auges8) ist Unfrüchtigkeit9) – als der Leibesfrucht Untüchtigkeit. – Da sprach der Jüngling, von dem Worte verletzt: – Bei dem, der die Richter eingesetzt – und sie zu Fug und Macht hat befugt und ermächtigt. – zu welcher Klag' ist er berechtigt? – Wenn er betete, sprach ich Amen; – wo er säte, trug ich Samen; – er streute kein Körnlein, das mein Vogel nicht klaubte,10) – und sagte kein Wörtlein, das mein Herz nicht glaubte. – Wo er verwehrte, war ich nicht schwierig, – wo er begehrte, war ich begierig; – er deutete keinen Weg, den ich nicht ging, – und schlug keinen Funken, der bei mir nicht fing. – Nur daß er gleich den Unzufriednen – sich nicht bescheidet mit dem Beschiednen; – er sucht vom Hahne Eier – und am Kamele Flügel wie am Reiher. – Der Kadi sprach: Womit hat er dich gedrängt – und deinen Dienstgehorsam überangestrengt? – Der Jüngling sprach: Seit die Hand ihm leer ist – und der Kasten ihm nicht mehr schwer ist, – mutet er mir zu, mich auf den Bettel zu legen, – bei des Reichtums Wolken zu flehn um Regen, – um seine Vertrocknung zu wässern – und seinen Schaden zu bessern. – Und doch, als er einst mich in die Lehre nahm – und mir einflößte die Grundsätze der Sitt' und Scham, – prägte er mir ein, daß Begehrlichkeit – sei für das Gemüt eine Fährlichkeit, – das Heischen eine Beschwerlichkeit – und das Betteln eine Unehrlichkeit. – Damals gab er aus diesem seinem Munde – mit seinen Reimen mir diese Kunde:
Begnüge dich mit Kleinem und sei dankbar; |
Er sprach's, doch der Alte murrte, – fuhr den Sohn an und knurrte: – Schweig, Ungeratner. Du harte Stirn und steifer Rücken, – du Vaters Halswürgen und Herzdrücken. – Was? willst du deine Mutter das Gebären – und deine Amme das Säugen lehren? – Wahrlich, das Schlängelchen will an den Drachen – und das Fohlen an den Hengst sich machen. – Dann, als ob ihn gereute sein Wüten – und seine Liebe ihn triebe zu vergüten, – sah er ihn an mit dem Blicke der Zärtlichkeit – und neigte ihm zu den Fittich der Väterlichkeit, – sprechend: O weh, mein Söhnlein! Wem Genügsamkeit ist empfohlen – und Bewahrung der Ehre befohlen, – das sind die Herren vom reichen Erbe, – die Besitzer von Gewerb und Erwerbe. – Aber die nichts haben zu speisen, – denen erlauben alle Weisen, – in der Not zu brechen das Eisen. – Und wie hast du nun diese Lehre vergessen, – da du selbst einst, vom Geiste besessen, – deinem Vater zu Gemüt führtest dein Ermessen? – oder wessen sind diese Verse, wessen?15)
Sitze nicht im Hunger und im Kummer still, |
Als nun der Kadi sah des Jünglings ungebührliche Zwiefalt, – zwischen seinen Worten und seinen Werken die Zwiespalt; – sah er ihn an mit Blicken vom Zorne heiß – und rief: Wie? bist du hüben schwarz und drüben weiß? – hier von Temim und dort von Keiß?16) –Pfui dem Manne, der eidechselt,17) – nach der Sonne Stand die Farben wechselt. – Wie zerbrichst du die Worte, die du gedrechselt. – Da sprach der Jüngling: Bei dessen Macht, – der dich den Menschen zum Schlüssel des Rechts gemacht. – mein Gedächtnis verging in der Not, – und mein Geist ward stumpf vom Mangel an Brot. – Übrigens, wo ist auch noch ein offenes Thor, – aus dem sich streckt eine offene Hand hervor? – wo lebt noch jetzt, – wen es ergötzt, wenn er letzt, – und wer sich glücklich schätzt, wann er vorsetzt?18)– Der Kadi sprach: Gemach! – dein Wind geht zu jach. – Unter der Spreu ist wohl ein Korn, – oder eine Rose ist am Dorn. – Nicht alle Sommerwolken trügen, – und nicht alle Blitze der Hoffnung lügen. – Du mußt lernen unterscheiden – und nicht absprechen unbescheiden. – Als der Scheich nun sah, – was dem edlen Kadi geschah, – wie er der Wohlthätigkeit Sache mit Eifer verteidigte – und der Angriff auf sie ihn sehr beleidigte, – dachte er sofort, wie es ihm möchte gelingen, – die temimische Großmut zu zwingen, – das Wort des Mundes mit der That der Hand zu unterstützen, – und verfehlte nicht die Zeit zu nützen, – daß er, weil es Flut war, sein Netz ausspannte – und seinen Fisch briet, weil das Feuer brannte. – So hub er an:
O Kadi, dessen Edelmut und Adel |
Sprach's, und den Kadi freute sein Wort, – und er spendete ihm aus seinem Hort; – wandte sich dann zum Sohne – und sprach mit verweisendem Tone: – Siehst du nun, wie dein Vorwurf war unrecht – und deine Beschuldigung unecht? – Sei künftig nicht vorschnell zu richten und zu bezüchten, – und verwirf keinen Baum als nach geprüften Früchten. – Und hüte dich vor Widersetzlichkeit – gegen deines Vaters Unverletzlichkeit. – Wo du noch einmal wirst widerstreben, – so werd' ich, was du verdienst, dir geben. – Da schickte sich der Jüngling zur Buße – und fiel seinem Vater zu Fuße, – dann hüpfte er auf und entsprang, – und der Alte folgte ihm und sang:
Wen irgend betroffen ein Leid und ein Schade, |
Der Erzähler spricht: Mein Sinn lag in Zweifelsfalten – über den Jungen und den Alten, – so lang' ich sie hörte ihre Reden halten; – doch wie sie weg waren, ward mir's klar, – daß es der Seruger und sein Sprößling war. – Obgleich mir nun ging das Licht auf, – doch steckt' ich dem Temimer es nicht auf, – und bis zu unserer Bekanntschaft Ende – verdarb ich ihm nicht die Freude an seiner Spende.