Hareth Ben Hemmam erzählt:
Ich liebte, seit mein Gefieder trieb – und meine Feder schrieb, – die Bildung zu machen zu meinem Wege – und Entwildung zu meinem Weidegehege, – mich einzuflüren auf der Sitte Fluren – und nachzuspüren ihrer Tritte Spuren, – mich nach ihren Kunden zu erkundigen – und Kundschaft zu halten mit ihren Kundigen, – mit ihren Siegelführern und Schatzwahrern, – ihren Ausspendern und Aufsparern, – ihren Aufsehern und Schachtfahrern. – Und fand ich deren einen, der mir ein Licht aufsteckte, – oder mir einen Gasttisch deckte, – so neigt' ich ihm meine Flügel – und gab ihm meine Zügel, – oder hielt ihm den Bügel; – wiewohl ich nie einen fand, der dem Seruger mochte gleichen, – oder ihm durfte das Wasser reichen, – ihm, dessen Wolke führte Regen und Hagel, – dessen Schlag traf auf den Kopf jeden Nagel, – dessen Pflaster stets deckte das wunde Fleck – und dessen Mittel nie verfehlte den Zweck; – nur daß mehr noch, als seiner Füllen, – waren seiner Hüllen – und er dabei schneller kreiste – und unversehner reiste, – als ein Sprichwort1) durch die arabischen Nationen, – oder der Mond durch die himmlischen Stationen. – Und ich, aus Begierde, ihm zu begegnen, – scheute nicht von den Orten die entlegnen, – noch von den Zeiten die ungelegnen – und machte mir zu einem Genusse – das Reisen, das Gott gemacht hat zu einer Buße. – Als ich nun gelangte nach Merw, – war es mir nicht herb, – als mir's ein Vogel sagte im Flug – und ein Orakel ohne Trug, – daß ich ihn finden sollte ohne Verzug. – Und ich suchte ihn, wo nur Menschen gasteten, – oder Karawanen rasteten, – doch fand ich von ihm weder Tapfe noch Stapfe, – noch einen, der mit ihm getrunken aus einem Napfe; – bis daß die Spitze des Verlangens sich stumpfte, – die Knospe der Hoffnung verschrumpfte – und das Korn der Begierde verdumpfte: – da war ich eines Tages bei dem erlauchten Wali von Merw, – der reinen Adel hatte zum Erb – und keinen Tadel zum Erwerb; – siehe, da trat Abu Seid herein im Gewande eines Bedürftigen – und mit der Gewandtheit eines Unterwürfigen – und grüßte den Wali, wie die Fronenden – grüßen einen thronenden, – dann sprach er: Wisse (mögest du vor Scham bewahrt sein – und vor Gram gespart sein!) – daß, die sich befinden in den hehren Würden, – gesucht sind von denen mit den schweren Bürden – und daß, die da stehen auf den hohen Stellen, – bei ihnen die Hoffnungen sich einstellen – und ihren Tritten und Schritten – nachstellen die Wünsch' und die Bitten. – Der Glückliche aber ist, der, weil sich ihm hold das Glück weist, – keinen Unglücklichen zurückweist, – der gern von der Fülle seiner Güter steuert – und dem Kummer der Gemüter steuert – von dessen voller Scheuer – leer ausgeht kein Scheuer, – der von sich abwendet den Überdruß, – indem er ausspendet den Überfluß, – der ausschließlich in sein Erbarmen – einschließet alle Erb-Armen, – der alle, die ohne Haus und Hof sind, – rechnet zu seinem Haus und Hofgesind – und so, als ob er für sein edles Harem stritt', – aller Edlen Harm vertritt. – Du bist nun, Gott sei gepriesen, der Fürst der Zeit – und der Fürst des Landes weit und breit, – der Port der Bitten, – der Hort der Sitten, – das Mark, von dem die Hoffnung erstarkt, – der Wünsche stark besuchter Markt, – die Tränke, zu der die Reiterscharen – lenken und preisend weiter fahren, – der Hof, wo zum häufigen Besuche – zuhauf sich drängen die Gesuche: – Und Gottes Gnad' ist groß über dir, – und seines Segens Hand ist bloß über dir. – Er mache hoch die Säule deines Rauches – und tief die Fülle deines Schlauches. – Er lichte nie deines Baumes Schatten – und lasse dein Kamel nie ermatten. – Ich aber bin ein Alter, Armer, – jetzt so kalter als einstmals warmer, – dessen Jugend-Aar-Mut – ausschlug in Greisen-Armut. – Ich komme her vom versiegten Bronnen, – von der Wohnung der siechen Wonnen, – um aus deinem Meer zu schöpfen, – unter dem Heere von deiner Gnade Geschöpfen. – Die Hoffnung im Beter – ist bei Gott sein Vertreter, – und des Flehenden Zuversicht ist Beschwörung – von des Angeflehten Erhörung. – So thu an mir, wie dir's wohlsteht, – und laß es mir nicht übel gehn, wie dir's wohlgeht. – Gott hat es gut gemacht mit dir, – so mach es gut mit mir. – Thu deine Hand nicht zu vor meiner aufgethanen – und laß sich einthun bei dir den vom Glücke Ausgethanen. – Denn, bei Gott, nicht bereichert – sich, der da speichert; – nichts aufrichtet, – wer aufschichtet; – wer scharrt, erstarrt; – wer häuft, ersäuft; – der Fromme aber ist, der da giebt, wo er hat; – und liebt da, wo er Gutes that. – Dann hielt er inne und spähte in den Zügen, – ob die Zweige seiner Rede Wurzel schlügen – und Früchte trügen. – Der Wali aber, daß er mehr die Tiefe – und Untiefe des Geistes seines Gastes prüfe, – daß er probe die Güte seines Feuerstahls – und die Gewalt seines Wasserstrahls, – blickte zu Boden nachdenkend, – doch sein Schweigen war dem Abu Seid kränkend; – er sprudelte auf und sprühte – und sang aus zürnendem Gemüte:
Verachte nicht (Gott schütze dich vor Frevel!) |
Da sprach der Wali: Bei Gott, würdig des Lohnes bist du, – doch sprich, der Sohn welches Menschensohnes bist du? – Da schaut' Abu Seid ihn schief an – und hub tief an:
Frage nach des Mannes Wert und nicht nach seinen Eltern, |
Sprach's, und der Wali war von Ohr kein Tauber, – um zu widerstehn seinem Redezauber; – er erhob ihn über alles Gesinde – und stellte ihn sich näher, als der Beschneider dem Kinde.3) – Er ließ den Schatzmeister hereinkommen, – bei dem er ihm anwies ein Einkommen, – das ihm erlaubte, lang zu machen seinen Schurz – und sein Nächte kurz. – So ging er von dannen schwer von Erzen – und leicht von Herzen, – doch ich folgte ihm auf dem Tritte, – haltend das Maß seiner Schritte, – und als wir uns wie Bekannte begrüßt hatten, – blieb ich in Merw sein Schatten, – so lang es das Glück mir wollte gestatten. – Und als mich das Schicksal von ihm schied, – gab er zum Abschied mir dieses Lied:
Achte hoch die Kunst der Rede, |