Hareth Ben Hemmam erzählt:
Ich hörte von Männern der Erfahrung, – das Reisen sei ein Mittel der Geistesnahrung, – ein Spiegel der Gewahrung – und Offenbarung. – Und ich säumte nicht, alles Beschwerliche zu begehn – und Fährliche zu bestehn, – um in Nähen und Fernen – zu sehen und zu lernen. – Als ich nun kam nach Ramle, – daß ich Erfahrungen sammle, – sah ich zum Kadi kommen einen Alten, – dessen Feuer war zum Erkalten, – und mit ihm ein schönes junges Blut – von frischer Glut. – Da wollte der Alte das Wort ergreifen – und das Schwert der Rede schleifen, – doch das Weib fiel in die Zügel seinem Gaul – und verhielt seinem Gebell das Maul, – dann schlug sie ohne Scheu zurück des Schleiers Umfaltung – und trug vor ohne Zurückhaltung:
O Kadi Ramlas, der vereinigt |
Da sprach der Kadi: Du hörst, wes sie dich bezichtigt; – nimm dich zusammen, daß du nicht werdest berüchtigt. – Doch der Alte setzte sich zurecht – und schickte so seine Worte ins Gefecht:
Vernimm, o Richter, unsres Dings Entfaltung, |
Doch das Weib rief mit erglühtem Angesicht: – O Bösewicht! – so machst du Gottes Wort zunicht – und fürchtest seinen Segen als ein Strafgericht! – Und doch weißt du, daß, wo ein Häschen ist, – auch ein Gräschen ist, – daß die Luft Raum für jeden Odem hat – und daß jedes Handwerk einen goldnen Boden hat, – als nur deines, du Pfuscher, – du bunter Täuscher, du falscher Tuscher. – Der Richter sprach: Kein ehrliches Handwerk – ist ein Schandwerk: – wie steht es denn mit dem seinigen? – Da rief das Weib: Das will ich dir bescheinigen:
Ich bin die Tochter unbescholtner Eltern, |
Der Richter sprach: Wie wohl hast du gesprochen – und wie schwer hat er an dir verbrochen! – Oder (indem er sich wandte zu dem Alten) – was hast du ihr entgegenzuhalten? – Der Alte sprach:
Höre meine Kunde, sie ist staunenswert, |
Sprach's, und der Kadi, als er vernommen die Verse, – war Rührung von dem Scheitel bis zur Ferse; – dann wandt' er sich vom edlen Stier zur jungen Färse, – sprechend: Es ist ausgemacht bei allen Kennern – und bekannt bei allen unterrichteten Männern, – daß in des Eigennutzes Brodem und des Geizes Dunst – verkommen ist auf der Welt die Achtung für Kunst – und verglommen für das Schöne die Liebesbrunst, – daß abgenommen hat nicht die Kunst ihrer Könner, – sondern die Gunst ihrer Gönner, – und das Verdienst muß dienen – und findet nichts zu verdienen. – Dein Mann aber hat bewiesen seinen Adel, – und es trifft nicht ihn, sondern die Zeit der Tadel, – daß ohne Einfuhr ist sein Stadel. – Wenn leer ist sein Köcher und kalt seine Küche, – so ist doch sein Mund voll kräftiger Sprüche – und seines Geistes Garten voll guter Gerüche. – So mögest du denn ihn entschuldigen – und dich finden lassen unter den Geduldigen, – nicht unter den Begehrlichen, – ihren Gatten Beschwerlichen. – Geh und sei deines Mannes Hausehre – und ihn als Herrn im Haus ehre. – Sittsamkeit sei deine Zierde – und Enthaltsamkeit deine Begierde. – Und hast du an den Mann ein Anliegen, – so schmeichl' es ihm ab durch Anschmiegen – und meide das öffentliche Ankriegen. – Da schlug das Weib die Augen nieder beschämt, – und ihre Zunge war gelähmt. – Sie nahm den Schleier vor und weinte dahinter, – und der Alte stand daneben wie der Winter, – geschüttelt von des Kummers Frösten, – und suchte umsonst sie zu trösten. – Da gab ihnen der Kadi einige Gulden – und sprach: Nehmt und vertrauet auf Gottes Hulden – und erlasset einander eure Schulden. – Sie empfingen dankbar den Freudenschein – und gingen, verträglich wie Wasser und Wein. – Als sie nun waren aus der Augen Kreis, – sprach der Kadi noch viel zu ihrem Preis – und fragte: Ist keiner, der mehr von ihnen weiß? – Da sprach der oberste seiner dienstbaren Geister, – den die Gunst seines Herrn machte dreister: – Der Alte, der sich selbst den Seruger nannte, – ist Abu Seid der weltbekannte, – und des Weibes Klag' ist wohl ein Netz, das er spannte, – in welches die Großmut des Kadi rannte. – Da verdroß den Kadi, daß er gefoppt sich sah, – er sprach zum Berichtgeber: Geh und fah! – hole sie ein und bringe sie nah! – Da schoß dieser fort mit verhängten Zügeln – und kehrte drauf zurück mit hängenden Flügeln, – Der Kadi sprach: Nun, was hast du ausgespürt – und ausgeführt? – oder wie bist du an- und abgeführt? – Er sprach: Ich verfolgte sie durch Gassen und Straßen, – doch sie wollten sich nicht fassen lassen; – sie liefen, nicht einzuholen, – wie mit Flügeln an den Sohlen, – als hätten sie gestohlen, – oder gingen über Kohlen. – Und ich erreichte sie erst im freien Feld, – wo ihnen offen stand die weite Welt. – Da versucht' ich sie zurückzulocken – mit Hoffnungsbrocken – und Verheißungsglocken, – doch der Alte sprach trocken und heiter: – Wer den Schlauch gefüllt hat, geht weiter. – Das Weib war schon geneigter, sich versuchen zu lassen, – sie sprach: Was sich darbietet, soll man fassen, – und »besser als der erste Gang ist der zweite,« hat Chedasch gesagt, als er freite.1)– Doch da der Alte sah, wie es stand in ihrem Kopf, – faßte er sie beim Schopf – und sprach: Vernimm du Tropf!
Willst du, daß dich niemals treff' ein Schade, |
Dann sprach er zu mir: Danke deinem Herrn für seine Güte – und vergieb ihm, daß er dich umsonst bemühte; – doch, daß du ganz leer nicht gehst, so hüte – in deinem Geiste diese Verse und führe sie ihm zu Gemüte:
Gemach! und schicke nie der Wohlthat auf dem Fuß |
Da rief der Kadi: Bei Gott, er hat recht; – Herr, vergieb deinem sündigen Knecht! – Jetzt hat er solch einen Vorsprung genommen, – daß mein Dank ihm nicht nach kann kommen; – doch erscheint er jemals wieder in diesen Thalen, – so will ich ihm mit Gold seine Lehre bezahlen.
Ach, daß ich wüßte, o Rebab, wann endlich |
Rebab aber kannte ihn an der Stimme, horchte ihm zu und merkte seinen Gesang. Dann sandte sie
zu dem Reitertrupp, unter welchem Chedasch sich befand, und ließ ihnen sagen: Machet
diese Nacht Halt bei uns! Und sie machten Halt. Sie aber sandte an Chedasch: Ich habe dein
Anliegen verstanden: komm morgen früh zu meinem Vater und wirb. Dann ging sie zu ihrer Mutter
und sprach: Mütterchen! soll ich heiraten, außer wen ich liebe, oder anhängen,
außer wem ich will? Sie sprach: Nein! doch wozu ist das? Sie sprach: So verheirate mich an
Chedasch. Sie sprach: Und was bringt dich dazu bei der Geringheit seines Gutes? Das
Mädchen sprach: Wenn Gut sammelt ein Mann von schlechtem Thun, Schmach sei dem Gute! Da
benachrichtigte die Mutter den Vater davon, und er sprach: Haben wir ihn nicht abgewiesen? Was
fällt ihm Neues ein? Als sie nun morgens beisammen waren, kam Chedasch frühe zu
ihnen, grüßte sie und sprach: Die Wiederkehr ist geehrter, der Mann ist belehrter und die
Tränke bewährter.«