Hareth Ben Hemmam erzählt:
Mich zog ein Verlangen, bergauf und thalab, – nach Halab,1) – und ich war damals munter und aufgeräumt, – wohlgesattelt und aufgezäumt, – rasch wie ein Vogel auf seinem Gefieder, – so ließ ich in den Lustgärten dort mich nieder, – in der Mitte von Wonnen und Freuden, – Bronnen und Gebäuden, – und begann die Tage zu vergeuden, – um meinen Wunsch zu letzen – und meinen Durst zu netzen. – Als nun des Herzens Begierde nachließ – und der Sturmwind des Genusses gemach blies, – schwang nach kurzer Rast – auf dem grünen Ast – der ungeduldige Rabe des Zuges – sich auf zur Lust des Weiterfluges, – und ich schritt mit Tagesanbruch zum Aufbruch, – zum Abzug mit gutem Anzug und Aufzug. – Ich war vom Übermute versucht, – mein Wanderschiff zu steuern in die Bucht – von Hims,2) das berühmt ist durch die Zucht – von Thorheitsgewächs und Narrheitsfrucht. – Als ich nun abgestiegen vor ihren Thoren – und mich umsah nach einer Probe von ihren Thoren, – erblickte ich nebenaus auf einer Grüne – aufgeschlagen eine Lehrbühne – von einem Scheich, der, zu schließen nach seinen Schläfen, – über den Schaum hinaus war gelangt zu den Hefen, – umgeben von einem Rudel Knaben, – durcheinander wie Tauben und Raben – wie kleine und große Buchstaben. – Ich nahte mich und führte im Schilde nichts Schlimms, – als nur die Absicht, zu erforschen die Weisheit von Hims; – er aber war keiner von den Gastverhöhnern – und erwiderte meinen Gruß mit einem schönern, – hieß mich niedersitzen in der Mitte der Heerrunde – und fuhr mit Würde fort in der Lehrstunde, – indem er deutete mit dem schwanken Stäbchen – nach einem schlanken Knäbchen, – rufend: Du Rehkälbchen, – du Seeschwälbchen, – auf! und zeige mir Glied für Glied – zwischen G und Ch den Unterschied! – worauf jener anhob ohne Zaudern – und vortrug ohne Schaudern:
Zeichen sind des Korans Verse Gläubigen, |
Der Lehrer sprach: Brav, mein Paviänchen, – mein Silberfasänchen und Goldhähnchen! Ich finde keinen Unterschied zwischen deiner Eigenschaft – und einem Eichenschaft, – du versprichst zu werden kein schwacher Schwager, – sondern ein wacher Wager – und jacher Jager, – an den sich wagt kein Widersacher und Widersager. – Dann rief er: Maikätzchen, – Schreimätzchen. – und Antwort gab ihm ein Junge wie ein Schätzchen. – Der Lehrer sprach: Komm und entwickle mir gescheit – zwischen D und T den Unterscheid. – Und heranstob jener wie ein Düftchen, – und anhob er wie ein Lüftchen:
Beiten ist ein Wort für weilen, alt und gut; |
Der Lehrer sprach: Du Witzzunge, – du Blitzjunge! – ich sehe, daß du bist von den Gescheitern, – die unterscheiden zwischen Prügeln und Scheitern. – Dann rief er: Ringlöckchen, – Springböckchen, – mit dem Klingglöckchen! – und ihm gab Antwort ein Junge frisch wie ein Funke, – wie ein Vogel, der auffliegt vom Trunke. – Der Lehrer sprach: Du in der Wissenschaft kein Lai, – sondern ein Leu, – sage mir den Unterschied zwischen ei und eu! – Und jener räusperte sich gründlich – und äußerte sich bündig:
Eitern muß die Wund', in welcher steckt der Pfeil; |
Der Lehrer sprach: Trefflich, mein Lämmchen! – vortrefflich, mein Stämmchen! – übertrefflich, unübertrefflich, mein Flämmchen! – Dann rief er: Neuntöter! – Leuntöter! – Da stellte sich ein Knabe wie ein Baumschröter. – Der Lehrer sprach: Du, den ich mir erkür' und erkor, – dessen Verstand sprengt Thür und Thor, – sage mir den Unterschied von für und vor. – Worauf sich jener zurechtsetzte – und seine Zunge zum Gefecht wetzte:
Vorsprach' halt im Vorübergehn vorm Nachbarsthor, |
Da rief der Lehrer: Heil dir, mein Stolz, – du grader Bolz – aus gutem Holz. – Du brauchst für deinen Mund keinen Vormund; – für dich geschart stehn Engel im Hintergrund und im Vorgrund; – ich fürchte nicht für dich, – denn vor dir fürchten die Furchtbaren sich. – Dann rief er: Bitterkorn, – Rittersporn. – Da erschien ein Knabe wie ein Gewitterzorn. – Der Lehrer sprach: Nun du Weisheiteinschwärzer, – du Buchstabenausmerzer, – du Weinwässerer – und Sprachbesserer, – auf! und sprich deinen Grabspruch – über den Buchstab, der verwirkt hat den Stabbruch – und verdiente den Lebensabbruch und Abspruch! – Worauf jener bloßzog – und so gegen das S loszog:
Ja, sieghoffnungtrunken schwör' ich Hilfgenoß |
Der Lehrer sprach: Wohl, mein Knappe!– nicht scheue dir dein Rappe! – Denn der Krieg ist schwer, – und der Sieg ist hehr. – Dann rief er: Nun, du Friedfertiger, – Blutwangiger, Milchbärtiger, – der du gerne dein Schulliedchen – machest zu einem Buhlliedchen, – sprich die Verse, deren jeder mit »gethan« hebt an – und jeder ausgeht mit »gethan«! – Da erhob sich ein zierliches Sträubchen – wie ein girrendes Täubchen – oder wie ein tauiges Läubchen, und begann:
Wohlgethan ist sie an jedem Glied des Leibs, |
Der Lehrer sprach: Tölpel! du hast wohlgethan, – du hast Würze an deinen Kohl gethan. – Dann rief er: Tugendkämpfer, – Jugenddämpfer! – thue hervor mit Ruhe, – was du gethan hast in deine Truhe. – Da kam ein Wichtchen – wie ein Irrlichtchen – und sprach mit verzogenem Gesichtchen:
Wenn du nicht der Gier die Augen zugethan, |
Der Lehrer sprach: Recht so, mein Lümmel, – kein Muff ist an deinem Kümmel. – Drauf rief er: Rohrdommel, – der Schultruppe Vortrommel! – Du Starkschäftiger! – Markkräftiger! – du Wohlrüstiger! – nicht Hohlbrüstiger! – Rühr dich und setze mir in Handlung – eines Zeitworts Selbstlautwandlung. – Da sprang ein Bürschchen – hervor wie ein Hirschchen – und begann, – ohne daß es sich besann:
Gelungen ist mir, was noch keinem je gelang; |
Der Lehrer sprach: Gut, mein Bengel, – mein Lilienstengel! – hoch hast du geschwungen deinen Schwengel. – Mein rühriges Püppchen, – rührendes Zuckerlippchen, – schön hast du eingerührt dein Süppchen.
Gesungen hast du nicht, wer ist es denn, der sang? |
Dann rief er: Meister Klingklang! – Geistersingsang! – nun, ihr beiden, – die ihr nicht seid zu scheiden, noch zu unterscheiden, – gleich aus einem Korn entsprungenen Zwillingshalmen, – oder aus einem Kern entschwungenen Zwillingspalmen, – singt eure doppelt geschlungenen Zwillingspsalmen, – deren Anfang ist wie ihr Ausgang – und ihr Anklang wie ihr Ausklang, – nur daß in denselben Tönen – sich andre Gedanken verschönen. – Da traten die zwei auf – und sangen frei auf, –
der eine:
Mein Eid ist pures Gold und gilt dir wenig;
Doch giltig meiner Lieb' ist selbst dein Meineid.
Mein Neid allein nicht ist des Mundes Lächeln,
Auf diese Knosp' empfindet selbst der Mai Neid.
Der andre:
Wo labend das Bewußtsein frohgenützten Tags
Zur Seite ruht, da machest du wohl Abend.
Soll Abend kühl erquicken, scheu nicht Mittagsglut!
Nach früher Müh' ist späte Ruh' so labend.
Der eine:
Mit der Nacht kam wie der Mond mein Liebster,
Weilte lächelnd bis nach Mitternacht.
Mitternacht war hell wie Tag; da tagt' es,
Und mein Glück entfloh mir mit der Nacht.
Der andre:
Wohn im erwählten Friedensport,
Fern eitlem Glück wohn immer!
Wo nimmer dich der Neid erblickt,
Erblühe dir Wonn' immer.
Der Lehrer sprach: Heil euch, ihr Doppler! – mein Segen werde zu teil euch, ihr Koppler! – Zuerst, du Edeldreister, – Vielversprecher und Mehrleister, – merke das von deinem Lehrmeister:
Wenn du wirst das Frühlingsblühn der Au verstehn, |
Dann, du Mondreiner, – du Durchschienener und Durchscheiner – behüte das von deinem Wohlmeiner:
Wohin du rufst, gereut mich nie der Gang; |
Dann ihr beiden selbander – und ihr alle miteinander, – bewahret dies von eurem alten feueratmenden Salamander:
Ans Auge |
Doch was macht mich denn abwendig?– Zwei von der Schar sind noch rückständig. – Geschwind, mein Reitgäulchen, – mein Schreitsäulchen, – mein Streitmäulchen! – wickle mir ab dein breit Knäulchen! – sag her ohn' Anstand, – doch mit Anstand, – die Verse vom Anstand! – Da kam ein Range – wie eine Stange – und sprach mit Gesange:
An Stand ist sie ein Hirtenkind, doch eine Königin von Anstand. |
Der Lehrer sprach: Schön, du Buntscheckiger! – du Rundbäckiger! – dein Pfund besteht die Probe, – ich besiegle deinen Mund mit meinem Lobe. – Dann rief er: Nun, du Spitzfund! – du Witzmund, – du Blitzkund! – Flußader meiner Freude, – Schlußquader am Gebäude! – du Simpel, du Gimpel, du Gelbschnabel! – warst du bei der Sprachverwirrung von Babel? – so sag es unerblödlich, – was ist der Unterschied zwischen redlich, rätlich und rötlich? – Da reckte sich ein Männchen, – streckte sich um ein Spännchen, – steckte sich hin wie ein Tännchen, – erkeckte sich und leerte so sein Kännchen:
Redlich kommt von Reden her, |
Da rief der Lehrer: Wie ordentlich! – außerordentlich – meisterhaft! – musterhaft! – du Flegel! – du triffst die Kegel nach der Regel, – ich streiche vor dir die Segel. – Du hast dem Werke die Kron' aufgesetzt – und deines Lehrers Augen mit Freudenthränen genetzt. – Du lügst, um zu leimen; – und rügst, um zu reimen; – du gehörst zu den Philologen, – die so heißen, weil viele logen. – Und so hab' ich nun dir und deinen Genossen – die Schreine mit den Perlen des Wissens erschlossen – und die Wolken mit dem Strome der Weisheit ergossen, – auf daß ihr, vom Himmel begnadet, – mit Lust darin gebadet, – des Staubes und Schmutzes der Unwissenheit euch entladet. – Ich habe nach dem Maße meiner Kräfte – euch poliert wie Lanzenschäfte – und wie Schwerter versehn mit dem Hefte, – daß ihr brauchbar seiet zu jedem Geschäfte. – Ihr habt die Blüten der Sitte gepflückt – und euch mit dem Schmuck der Bildung geschmückt; – das gedenket mir und vergesset es nie auf der Erde, – wie ich euer gedenken und nie vergessen werde, – und feste stehe in Unwankbarkeit – in euren Herzen gegen euren Lehrer die Dankbarkeit. – Jetzt singet, zu der Lehrstunde Schlusse, – die Vaterstadt an mit dem Gruße – des Liedes, das auf jedem Tone – zur Ehre von Hims trägt von H eine Krone! – Da verschlang sich der ganze Rudel – in einen Strudel, – und sie sangen mit feierlichem Gedudel:
Heil'ge, hohe Himmelsheimat, hehre Hims, |
Dann stob der Schwarm auseinander, – und ich blieb mit dem Scheich selbander; – der zog aus seinem Gesicht hinweg eine Falte – und war Abu Seid, der alte. – Ich war verwundert und erstaunt, – er aber sprach munter und frohgelaunt: – Steck ein deines Schwertes Schärfen – und behalt für dich, was du mir vor willst werfen. – Denn vernimm – und denke von mir nicht schlimm:
So gethan ist diese Zeit, |
Übrigens was ist hehrer – als ein Lehrer, – der ein Vater ist, nicht des Fleisches und Geblütes, – sondern des Geistes und Gemütes? – und wo ist anmutiger ein Stand, als dessen, der steht – in der Mitte von der Jugend Rosenbeet, – dessen Anhauch den Greis erfrischt – und in seinen Frost sanfte Wärme mischt? – oder welcher Beruf – ist förderlicher zu des Ruhmes Behuf, – als, der Weisheit Korn, das unvergängliche, – zu streun in das Land, das frischempfängliche? – daß es aufgeh' und Ernte trag' überschwengliche, – wenn die Jugend den Klang deiner Rede bewahrt in tiefern – Herzen, wie die Züge deiner Schrift aus Schiefern, – um sie der Nachwelt zu überliefern, – wann der Tod zerbrochen hat deines Mundes Kiefern. – Das schreib' auf und leg' es auf dein Gesims, – was ich zu dir gesprochen vor den Thoren von Hims! – So sprach er und hielt sich das Ohr zu – vor allem, was ich ihm schwor zu; – er wandte den Rücken und schritt mit Würde dem Thor zu, – wo ihm eilte der Bürger Chor zu, – und vor meinen Blicken fiel des Kummers Flor zu.