Hareth Ben Hemmam erzählt:
Mein Herz war eines Tags von Kummer befangen, – der mir widerschien von den Wangen; – und ich hatte gehört, daß so sehr nichts dient, den Geist zu erfrischen, – als in geistige Gesellschaft sich zu mischen: – darum sah ich, um meine Dumpfheit zu heilen, – kein Mittel, als zur Hauptmoschee von Basra zu eilen, – die damals von Kennern war allgemein besucht, – wie eine Perlenbucht, – oder wie ein Garten voll Blüt' und Frucht; – man hörte auf ihren Sitzen, zu denen man drängte, – und in ihrem Raum, den man verengte, – nichts als gebildeter Zungen Geflüster, – oder gelehrter Griffel Geknister.1) – Dahin steuerte ich mit Macht – und hatte auf nichts andres acht. – Doch als ich nun eintrat in den äußern Rand – und im Vorhof stand, – zeigte sich mir ein Mann im zerfaserten Rocke, – sitzend auf einem Marmorblocke, – um ihn her ein Heer, – mehr als Sand am Meer, – ein Haufen gedichtet und geschichtet, – dessen Zahl nicht berechnet wird noch berichtet. – Da ließ ich mich es nicht verdrießen, – zu drängen durch die, die drängten und stießen, – bis ich ihm gegenüber hatte den Platz, – wo ich konnt' ins Auge fassen den Schatz. – Und siehe da! es war unser Held, – der Seruger, unvermummt und unverstellt; – der, als er im Kreis umhergeblickt – und einen Strahl des Auges auch zu meinem Orte geschickt, – sprach: O Volk von Basra! hüte Gott und weide euch! – wie schön steht der Frömmigkeit Geschmeide euch! – Wie frisch ist eures Geistes Duft – und wie süß eurer Heimat Luft. – Wie hoch ist eure Gesinnung – und wie edel eure Innung. – Euer Gebiet ist das glaubensreinste – und sittenfeinste, – an Umfang nicht das kleinste, – und an Inhalt das ungemeinste; – wo der Tigris ist am breitesten – und die Landschaft am weitesten – und die Palme am höchsten – und Gottes Näh' am nächsten. – Es ist der Gipfel eures Ruhms, – zu schaun gegen die Thüre des Heiligtums2) – und gegen die Stelle hinzubeten, – wo Abraham getreten. – Eure Stadt ist gesetzt zu des Islams Vorwalle – und zu des heiligen Hauses Vorhalle, – nicht auf des Heidentums Trümmer gegründet, – sondern neu am neuen Licht entzündet.3) – Das ist ihrer Reinheit Stempel, – daß in ihr nie flammte ein Feuertempel,4) – nie in ihr eine Glocke5) getönt ward, – noch einem Götzenbilde gefrönt ward, – und zu keinem gebetet als mit warmer – Erhebung zum Allerbarmer;6) – wo die Betörter sind voll Betender – und die Moscheen voll Betretender, – die Schulen voll Lehresuchender – und die Gräber7) voll Besuchender; – wo die Denkmale sind und die geweihten Plätze, – und die Reichtümer und die Weisheitsschätze. – So ist eure Stadt gesegnet, – daß in ihr sich begegnet – des Meerschiffes Mast – mit der Landkarawane Rast, – der Löwe mit dem Seelöwen – und die Taube mit der Möwen;8) – der Stier mit dem Stöhr, – der Luchs mit dem Lachs, – der Fischer mit dem Jäger, – der Kameltreiber mit dem Ruderschläger. – Und euer Zeichen ist die Flut im Walle – und die Ebb' im Falle.9) – Über euren Preis sind uneins nicht zwei aus der ganzen Gemeinde, – und euren Wert leugnen selbst nicht die Feinde. – Euer Volk ist das friedfertigste, – dem Oberhaupte treu gewärtigste, – gegen Wohlthaten dankbarste, – in Anhänglichkeit unwankbarste. – Euer Frommer10) ist der frömmste der Erschaffenen, – der erste auf dem Wege zum Unerschaffenen; – und euer Weiser11) ist der Weiser der Zeit – und Weisel der Wissenschaftlichkeit. – Von euch ist, der das Licht der Grammatik angezündet12) – und der den Bau der Metrik gegründet. – Und es ist keines Verdienstes Blume, – die nicht geblüht eurem Ruhme, – und kein Ehrenreis, – das nicht gesproßt zu eurem Preis. – Eure Gebetrufer13) sind die zahlreichsten – und an Stimme den Engeln gleichsten – und eure Herzen die für die Andacht weichsten; – die ihr erfunden habt in eurer Stadt – das Nachbild der Feier von Arafat14) – und im Ramadhan des Frühmarkts Beschickung – zu der Fastenden Erquickung.15) – Bei euch, wann die Nacht kühl ist – und zum Schlaf einladend der Pfühl ist, – tönen Gebete, die den Schlafenden ermuntern – und den Wachenden lieblich wundern; – und nie blinkte des Morgens Zahn im Ost, – in der Hitze oder im Frost, – ohne daß euer Frührufer Chor – in der Dämmrung säuselt empor, – wie das Gesäusel des Winds im Rohr; – und das wird von Ohr zu Ohr gesagt, – was der Prophet (Heil über ihn) von euch zuvor gesagt,16) – daß euer Gesumm' in der Nachtscheide – sein werde, wie das Gesumme der Bienen auf der Heide. – O ewiger Preis eurer Stadt um das – Wort Mustafas,17) – womit der Erles'ne sie erlas, – und wenn von ihr kein Stein mehr steht, – der Wind ihre Spuren hat verweht – und von ihr nur die Sage geht. – – Worauf er seinen Mund versiegelte – und sein Wort mit Schweigen verriegelte, – bis mit Blicken nach ihm ward gespäht – und er über die Verkürzung18) ward geschmäht. – Da seufzte er auf wie ein zur Blutrach' Abgeführter, – oder ein von Löwenklauen Umschnürter, – dann sprach er: O Volk von Basra! eure Weise ist es beständig, – weise zu sein und in allem Guten beständig; – ich aber, wer mich kennt, der weiß, – niemand macht leicht das Schwarze weiß; – und wer mich nicht kennt, dem will ich mich schildern, – ohne zu übertreiben noch zu mildern. – Ich bin der, der südlich reiste – und nördlich kreiste, – der ostwärts irrte – und westwärts schwirrte; – der Wüsten durchstreifte – und Meere durchschweifte, – der Nächte durchritt – und Tage durchschritt. – In Serug war es, wo ich entsproß, – und auf dem Sattel wuchs ich groß; – dann stürzt' ich mich in Fährlichkeiten – und schürzte mich zu Beschwerlichkeiten, – brach in Schlachten der Lanze Schaft – und des ungebrochenen Rosses Kraft, – die widerspenstigen zähmt' ich – und die widerwärtigen lähmt ich, – die gefrornen schmelzt' ich, – und die steinernen wälzt' ich. – Fraget nach mir den Auf- und Niedergang,19) – der Karawanen Hin- und Wiedergang, – Kameles Hufe und Rücken, – Steige, Tränken, Furten und Brücken, – Städter und Wüstenbewohner, – Bettler und Throner, – Reiter und Freibeuter, – Meuter und Wegedeuter; – und erkundigt euch nach mir bei den Kundespürern – und bei den Nachtgesprächeführern20), – daß ihr hört, wie manche Kluft ich durchkrochen – und wie manches Schloß durchbrochen, – wie manchen Riegel gesprengt, – wie manchen Flügel versengt, – wie manchen Strauß gekämpft, – wie manchen Stolz gedämpft, – wie manche List überlistet, – aus wie mancher Fahr mich gefristet; – wie manchen neuen Trug ich geschliffen, – und der Gelegenheit Schwert ergriffen, – Löwen entrissen den Raub, – Hochfliegende geworfen in den Staub, – Laurer entlockt der Lauer, – Schadenfrohe gebracht in Trauer, – Sturm und Wellen besprochen, – Schlangen den Giftzahn ausgebrochen – und harte Steine beschworen, – daß sie, zerberstend, Ströme von Milde geboren. – Doch das war, als die Zweige standen im Saft – und das Herz in Kraft, – und der Jugend Gewand war glänzender Taft. – Jetzt aber hat sich das Grade gekrümmet – und das Ungestüme gestümmet; – in der Nacht des Haares ist der Mond aufgegangen – und die Blüt' abgefallen von den Wangen; – die herbe Frucht ist gezeitigt, – der starre Sinn geschmeidigt, – und verleidet ist mir und leid, womit ich den Herrn beleidigt. – Mir bleibt nur der Reue Wässerung – und der Sünde Besserung, – deren Riß so weit ist, – daß der Abhilfe hohe Zeit ist. – Nun hab' ich gehört aus bewährtem Munde – und vernommen aus sicherer Kunde: – Gott, in dessen Hand ist der Welt Geschick, – thut jeden Tag auf Basra einen Blick;21) – dann auch: Aller andern Menschen Waffen ist Stahl und Eisen, – aber euer Waffen ist Gebet und Lobpreisen.22) – So hab' ich nun mein Tier durch den Ritt gemagert, – bis ich es hier bei euch gelagert; – was ich mir nicht rechne gegen euch zum Verdienst, – denn mein allein ist der Gewinst. – Ein Flehender steh' ich in eurer Mitte, – bittend, nicht um euer Geld, sondern um eure giltige Vorbitte, – nicht um euer Gerät, – sondern euer Gebet, – nicht um die Beisteuer eurer Güter, – sondern die Beihilfe eurer Gemüter. – So bittet Gott, den Höchsten, daß er mich zur Umkehr leite – und zur Heimkehr zu ihm bereite. – Denn er ist der Erhabne von Stufen, – der Hörer derer, die rufen; – er ist es, der die Reue nimmt an – und ab das Böse, das sein Diener gethan. – Dann stimmte er an:
Gott bitt' ich um Verzeihung aller |
Der Berichter spricht: Die Gemeinde fing an, ihn zu unterstützen mit ihrem Gebet, – und er hielt die Augen gen Himmel gedreht, – bis ihm thränten die Augenlider – und ein Zittern ergriff seine Glieder;– da rief er laut: Gott ist groß! sichtbar ist das Zeichen der Erhörung, – und gehoben ist die Decke der Bethörung; – o ihr Einwohner von Basra, seid gepriesen, – ihr habt einem Verirrten den Weg gewiesen. – Da blieb keiner im Volke, der nicht mit seiner Freude sich freute– und milde Gab' an ihn verstreute. – Er sammelte ihren Segen – und gab überschwenglichen Dank dagegen, – dann verließ er seinen Stand – und schritt abwärts gegen des Flusses Strand. – Doch ich folgt' ihm auf der Ferse, bis wo wir waren allein – und das Feld war von Spähern rein; – da sprach ich: Wie nachdrücklich hast du's gemacht! gieb Belehrung, – was meinst du mit deiner Bekehrung? – Doch er sprach: Ich schwör' es beim Ergründer des Verdeckten, – dem Entsünder des Befleckten, – ja! mein Zustand ist wunderbar, – und das Gebet deines Volkes hat Kraft fürwahr. – Ich sprach: Aufschließe mir dieses, – Gott schließe dir auf die Pforten des Paradieses. – Er sprach: Bei deinem Vater! ich stand vor ihnen als Heuchler mit Lügendunst – und ging von ihnen als Bekehrter mit Reuebrunst. – Der Paradiesesbaum mit seinen Zweigen – ist dessen, dem ihre Herzen sich neigen, – aber die Qual wird versuchen – jener, dem sie fluchen! – Dann verabschiedet' er mich und ging – und ließ mich im Zweifel, der mich umfing. – Ich hörte nicht auf, mich in Gedanken zu versenken – und seinen wunderbaren Worten nachzudenken; – doch so oft ich dann nach Kunde von ihm fragte bei den Reitern – und Landdurchschreitern, – war ich wie einer, der ein stummes Tier befragt, – oder sein Wort einem tauben Steine sagt; – bis ich endlich nach langem Verzug – und vergeblichen Mühen genug – eine heimkehrende Karawane fand – und fragte: was giebt es Neues im Land? – Sie sprachen: Eine Neuigkeit, wunderbarer, – als was Sinbad berichtet, der Seefahrer. – Da bat ich, meine Neugier zu heilen – und ihren Schatz mir mitzuteilen. – Sie erzählten, daß sie rastend in Serug gesäumt, – nachdem es die Heere der Ungläubigen wieder geräumt, – und dort gesehen den Abu Seid, – der angezogen das wollene Kleid,23) – getreten in der Weltentsager Orden – und Imam der Gemeinde geworden. – Ich sprach: Meint ihr den Helden der Makamen? – Sie sprachen: Der trägt jetzt eines Heiligen Namen. – Da ergriff mich die Neugierde, – zu sehn die neue Glaubenszierde, – und ohne eine Stunde zu versäumen – begann ich mein Tier zu zäumen; – dann ließ ich nicht nach mit Trott und Trab, – bis ich an seiner Moschee stieg ab. –Da hatte er eben die Gemeinde entlassen, – um sich in Andacht zu fassen; – und ich sah ihn in der Niedrigkeit Hülle, – in der Frömmigkeit Fülle – und trat zu ihm mit solchen heiligen Scheuen, – wie man in die Höhle träte zu einem Leuen. – Er war einer, den die Spuren der im Gebet verwachten – Nächte im Antlitz kenntlich machten.24) – Und als er nun seinen Rosenkranz vollendet, – grüßt' er mich, den Betefinger25) nach mir gewendet, – ohn' ein Wort zu sagen, – oder mich nach Altem noch Neuem zu fragen. – Dann wandte er sich zurücke – an seine Lesestücke26) – und vertiefte sich ernstgelaunt, – doch ich blieb ob der Strenge seiner Andacht erstaunt, – im Herzen gerührt – vom Glücke derer, die Gott zum Glauben führt. – Und er ließ nicht nach mit Gebetübung und Kniebeugung, – mit Herzbetrübung und Demutsbezeugung, – bis die Reihe der Tagesgebete vollbracht war – und der Tag geworden zur Nacht war. – Da führte er mich heim in seine Höhle27) – und bewirtete mich mit seinem Brot und seinem Öle.28) – Dann begab er sich an seine Betestelle, – daß er im Herzensgespräche sich seinem Gott geselle – bis zu der Morgenröte Glanz, – wann des Nachtwachers Verdienst wird ganz; – da beschloß er die Nachtwache mit dem Rosenkranz, – und dann aufs Lager der Erholung sich streckend, – sang er mit lauter Stimme sich erweckend:29)
Laß deiner Freuden Aufenhalt, |
Und er ließ nicht nach, dieses herzutönen – und dazwischen oft und schwer zu stöhnen, – bis daß ich mein Weinen dem seinen vereinte, – jetzt weinend mit ihm, wie ich sonst über ihn30) weinte. – Dann wusch er sich mit reinem Naß die Nachtwache ab, – worauf er sich wieder in seine Moschee begab; – doch ich schritt ihm nach und betete gesellt – mit denen, die sich hinter ihn als ihren Vormann31) gestellt. – Und als das Gebet zu End' war – und die Versammlung getrennt war, – begann er wieder32) murmelnd die Lippen zu bewegen – und sein Heute nach dem Modell seines Gestern zu prägen, – ächzend und weinend lind, – wie Jakob um sein geliebtes Kind. – Da merkt' ich, daß er sei von den Auserwählten, – Weltlosgezählten – und Gottvermählten; – und ich erwägte, daß es mir zustand, – ihn allein zu lassen in seinem Zustand.33) – Er aber, als ob er meine Gedanken gewahrte – und der Geist ihm mein Inneres offenbarte, – that einen frommen Seufzer und sprach: – Was du vorhast, vertrau auf Gott und thu danach. – Da unterschrieb ich den Bericht meiner Späher34) – und wußte, daß es noch giebt im Islam Seher. – Ich trat zum Abschied zu ihm heran – und sprach: Gieb mir deinen Segen, frommer Mann. – Er sprach: Laß den Tod dir vor Augen stehn;35) – wir werden uns hier nicht wiedersehn. – Da verließ ich ihn mit einem Thränenfluß – und Seufzererguß, – und das war unserer Bekanntschaft Schluß.