Dritte Scene.

Verwandelt sich in eine Halle im Palast.

Hamlet und Horatio treten auf.

Hamlet erzehlt seinem Vertrauten, auf was Weise er den Inhalt der königlichen Commission, womit Rosenkranz und Güldenstern beladen waren, entdekt und vereitelt habe. Da diese ganze Scene nur zur Benachrichtigung der Zuhörer dient, so wären zwey Worte hinlänglich gewesen, ihnen zu sagen was sie ohnehin leicht erraten könnten. Hamlet hatte Ursache ein Mißtrauen in die Absichten des Königs bey seiner Versendung nach England zu sezen. Er schlich sich also während daß die beyden Gesandten schliefen, in ihre Cajute, fingerte ihr Pakett weg, zog sich damit in sein eigenes Zimmer zurük, erbrach das königliche Sigel und fand einen gemeßnen Befehl an den Englischen König, vermöge dessen dem Hamlet sobald er angelangt seyn würde, der Kopf abgeschlagen werden sollte - - Er stekte dieses Papier zu sich, und sezte sich hin, eine andre Commission zu schreiben, worinn der König aufs ernstlichste beschwohren wurde, so lieb ihm die Freundschaft Dännemarks (von welchem England damals abhängig war) sey, die Ueberbringer dieses Schreibens unverzüglich aus dem Wege räumen zu lassen. Zu gutem Glüke hatte er seines Vater Signet in der Tasche; und zu noch grösserm Glük war es dem grossen dähnischen Sigel vollkommen gleich; er faltete also dieses Schreiben eben so wie das erste, unterschrieb und sigelte es, und legte es so geschikt an die Stelle des andern, daß Rosenkranz und Güldenstern die Verwechslung nicht gewahr wurden, und also bey ihrer Ankunft in England wie Bellerophon, ihr eigenes Todesurtheil überlieferten. Horatio findet hiebey bedenklich, daß dieser mißlungene Ausgang des Königlichen Bubenstüks nicht lange verborgen bleiben könne. Hamlet beruhigst sich hierüber daß doch die Zwischen-Zeit sein sey, und nicht mehr als ein Augenblik erfordert werde, dem Leben eines Menschen ein Ende zu machen. Indessen bedaurt er, daß er sich durch den Affect habe hinreissen lassen, den Laertes zu beleidigen, und nimmt sich vor, daß er sich bemühen wolle, seine Freundschaft wieder zu erlangen.*


* Man kan hieraus schliessen, daß Hamlet Absichten gegen den König gehabt habe; es war aber doch nichts bestimmtes, kein Entwurf, wobey er sich seiner eignen Sicherheit und eines glüklichen Ausgangs hätte versichert halten können - - Hamlet soll und will seinen Vater rächen - - Dieser Wille beherrscht ihn vom ersten Actus des Stüks bis zum Ende, ohne daß er jemals selbst weiß, oder nur daran denkt wie er dabey zu Werke gehen wolle - - Allein wir haben längst gesehen, daß die Anlegung der Fabel, die Verwiklung und die Entwiklung derselben gerade die Stüke sind, worinn unser Poet schwerlich jemand unter sich hat. Indessen gefällt doch dem Englischen Parterre kein Stük ihres Shakespears mehr als dieses. Man sollte sagen, es simpathisiere mit ihnen. Der Humor des Hamlet (Denn das was ihn in dem ganzen Lauf des Stüks beherrscht, ist viel weniger Leidenschaft als Laune,) diese kalte, raisonnirende oder richtiger zu reden, phantasirende Melancholie, die nur dann und wann in plözliche und eben so schnell wieder sinkende Wind-Stösse von Leidenschaft ausbricht, diese Gleichgültigkeit gegen sein eigens Leben, welche das grosse Vorhaben der Rache, wovon seine Seele geschwellt ist, dem ungefehren Zufall überlaßt, und es nicht der Mühe werth hält einen Plan anzulegen oder Präcautionen zu nehmen, um nicht selbst in den Fall seines Feindes verwikelt zu werden - - Alles dieses sind Züge, worinn Engländer ihr eignes Bild zu sehr erkennen, um nicht weit stärker davon interessiert zu werden, als durch die idealischen Charakters und die starken soutenierten Leidenschaften der Helden des Corneille. Shakespears Helden, zumal seine Lieblings-Helden, sind alle Humoristen, und vermuthlich ist dieses eine Haupt-Ursache, warum ungeachtet Sprache, Sitten und Geschmak sich seit seiner Zeit so sehr verändert haben, dieser Autor doch für seine Landsleute immer neu bleibt, und etwas weit anzügelichers für sie hat, als alle die neuern, welche nach französischen Modellen gearbeitet haben.


Vorige Seite Titelseite Nächste Seite