Der Königliche Palast.
Kent, Gloster, und Edmund der Bastard, treten auf.
Kent.
Ich dachte, der König liebe den Herzog von Albanien mehr
als den von Cornwall.
Gloster.
So schien es uns allezeit; allein izt, bey der Theilung seiner
Königreiche kan man nicht sehen, welchen von beyden er höher
schäze; das schärfste Auge könnte nichts entdeken,
das einem Theil vor dem andern den Vorzug gäbe; so genau
sind sie nach ihren verschiedenen Beschaffenheiten und Vorzügen
gegen einander abgewogen.
Kent.
Ist dieses nicht euer Sohn, Mylord?
Gloster.
Die Last seiner Erziehung fiel auf mich. Ich habe schon so oft
erröthet ihn für meinen Sohn zu erkennen, daß
ich nicht mehr erröthen kan.
Kent.
Ich begreiffe euch nicht.
Gloster.
Die Mutter dieses jungen Menschen konnt' es; sie bekam davon eine
gewisse Geschwulst, und zulezt, Sir, fand sich, daß sie
einen Sohn für ihrer Wiege hatte, ehe sie einen Gemahl für
ihr Bette hatte. Riechet ihr den Fehler?
Kent.
Die Würkung dieses Fehlers ist so schön, daß ich
nicht wünschen kan, er möchte unterblieben seyn.
Gloster.
Ich habe zwar auch einen gesezmässigen Sohn, der etliche
Jahre älter, aber mir nicht werther ist als dieser. Wenn
dieser lose Junge gleich ein wenig unverschämt auf die Welt
kam, eh man ihn verlangte, so war doch seine Mutter schön;
es gieng kurzweilig zu als er gemacht wurde, und der H** Sohn
muß erkannt werden. Kennst du diesen Edelmann, Edmund?
Edmund.
Nein, Mylord.
Gloster.
Es ist Mylord von Kent. Erinnere dich künftig seiner als
meines würdigen Freundes.
Edmund zu Kent.
Ew. Gnaden geruhen meine Dienste anzunehmen.
Kent.
Ihr gefallet mir, wir müssen besser mit einander bekannt
werden.
Edmund.
Mylord, ich werde mich bestreben euere Gewogenheit zu verdienen.
Gloster.
Er ist neun Jahre ausser Landes gewesen, und soll noch länger
seyn.
(Man hört Trompeten, der König kömmt.)