Jago und Rodrigo bleiben.
Jago (zu einigen Bedienten.)
Geht ihr dem Hafen zu, ich werde in einem Augenblik folgen
- - (zu Rodrigo.) Komm näher, wenn du ein tapfrer
Mann bist; (und man sagt doch, daß die Liebe auch den feigesten
Seelen eine gewisse Stärke und Erhabenheit gebe, die ihnen
sonst nicht natürlich ist) - - Horch mir zu; der Lieutenant
commandirt diese Nacht auf der Hauptwache. Zuerst muß ich
dir sagen, daß diese Desdemona geradezu in ihn verliebt
ist.
Rodrigo.
In ihn? Wie, das ist nicht möglich.
Jago.
Leg deine Finger auf den Mund und laß dir sagen, was du
zu wissen brauchst. Bedenk einmal mit was für einer Heftigkeit
sie anfangs den Mohren liebte, bloß weil er aufschnitt,
und ihr romanhafte Lügen vorsagte. Meynst du, sein Pralen
werde machen, daß sie ihn immer liebe? Sey nicht so einfältig,
und bilde dir solche Dinge ein. Ihr Auge muß doch auch eine
Nahrung haben. Und was ein Vergnügen kan sie davon haben,
wenn sie den Teufel ansieht? Wenn die Entzükungen des Liebes-Spiels
das Blut ermattet haben, so braucht es Reizungen, Schönheiten,
Sympathie im Alter, zärtliche Empfindungen, was weiß
ich's, kurz lauter Eigenschaften, die der Mohr nicht hat, um es
wieder anzuflammen. Nun aber kan's nicht fehlen, der Abgang dieser
Erfordernisse und Uebereinstimmungen wird ihre jugendliche Zärtlichkeit
gar bald empören; sie wird finden, daß sie sich betrogen
hat; sie wird des Mohren erst satt, dann überdrüssig
werden, dann einen Ekel vor ihm bekommen, und ihn endlich gar
verabscheuen, die Natur selbst wird sie das lehren und sie zu
einer andern Wahl nöthigen. Nun, Herr, dieses vorausgesezt,
(wie es dann eine ausgemachte Sonnenklare Sache ist,) wer darf
sich dieses Glük mit beßrer Hoffnung versprechen als
Cassio? Der geschmeidigste Schurke von der Welt; der nicht mehr
Gewissen oder Tugend hat, als der Wohlstand und die Klugheit erfordern,
um unterm Schuz der äusserlichen Form eines bescheidnen und
wohlgesitteten Betragens seine geheimen Ausschweiffungen und Leichtfertigkeiten
desto sichrer auszuüben; ein glatter, abgeteilter Schurke,
ein Gelegenheits-Hascher, ein Gleißner, der sich das Ansehen
von Tugenden geben kan, die er nie gehabt hat; ein verteufelter
Schurke! Und dann kommt noch in Betrachtung, daß der Schurke
hübsch, jung, und mit allen den Erfordernissen begabt ist,
worauf Thorheit und unreiffe Jugend am meisten sehen. Ein schwernöthischer
ausgemachter Schurke! Und das Weibsbild kennt ihn schon besser,
als du dir einbildest.
Rodrigo.
Das kan ich unmöglich von ihr glauben; sie ist von einer
so tugendhaften Gemüthsart - -
Jago.
Tugendhafter Pfifferling! Der Wein den sie trinkt ist aus Trauben
gemacht. Wenn sie tugendhaft gewesen wäre, so würde
sie sich nicht in den Mohren verliebt haben: Tugendhafter Quark!
Hast du dann nicht gesehen wie sie mit seiner Hand auf- und abschaukelte?
Hast du nicht darauf Acht gegeben?
Rodrigo.
Ja, das that ich; aber das war nur Höflichkeit.
Jago.
Leichtfertigkeit war's, bey meiner Seele! Eine geheime Andeutung,
ein stillschweigender Prologus zu einem Lustspiel, wo man keine
Zuschauer verlangt. Sie kamen einander ja mit ihren Lippen so
nah, daß ihr Athem sich vermischen und zusammenfliessen
mußte. Das ist ein vertrakter Gedanke, Rodrigo! Wenn solche
Vertraulichkeiten den Weg bahnen, so darf man sich darauf verlassen,
daß die Haupt-Action bald nachkommen wird - - Fy, Henker!
- - Aber, laßt euch nur von mir rathen, Herr. Ich hab' euch
von Venedig mitgebracht. Zieht mit auf die Wache diese Nacht,
ich will euch dazu commandieren. Cassio kennt euch nicht; und
ich will nicht weit von euch seyn. Seht daß ihr dann eine
Gelegenheit findet, ihn aufzubringen; redet zu laut, oder haltet
euch über seine Art zu commandieren auf, oder thut sonst
was das ihn ärgern kan, wie es Zeit und Umstände an
die Hand geben werden.
Rodrigo.
Gut.
Jago.
Er ist jäh, und in einem Augenblik aufgebracht; es kan leicht
begegnen, daß er euch einen Schlag giebt. Reizt ihn dazu;
dann das würde mir einen vortrefflichen Anlaß geben,
die Cyprier in eine solche Empörung gegen ihn zu sezen, daß
nichts als seine Entfernung sie besänftigen soll. Dadurch
kommt ihr desto bälder zu euerm Zwek; denn wenn Cassio einmal
aus dem Weg ist, so will ich für das übrige schon Mittel
finden, und ihr sollt glüklich werden.
Rodrigo.
Ich verstehe mich zu allem, wenn ihr's dahin bringen könnt.
Jago.
Dafür steh ich dir. Laß dich vor der Citadelle wieder
antreffen; ich muß nur einen kleinen Gang machen, um sein
Gepäke ans Land zu holen. Lebt wohl indessen.
Rodrigo.
Adieu.
(Er geht ab.)