Othello und Jago bleiben.
Othello.
Anmuthsvolle Spizbübin! - - Verderben erhasche meine Seele,
wenn ich dich nicht liebe - - und wenn ich dich nicht mehr liebe,
so ist die Welt wieder zum Chaos worden.
Jago.
Mein Gebietender Herr - -
Othello.
Was willt du sagen, Jago?
Jago.
Wie ihr euch um eure Gemahlin bewarbet, wußte Michael Cassio
etwas von eurer Liebe?
Othello.
Allerdings, vom Anfang bis zum Ende: Warum fragst du?
Jago.
Bloß zu meiner eignen Befriedigung; es hat gar nichts böses
zu bedeuten.
Othello.
Warum zu deiner eignen Befriedigung?
Jago.
Ich glaubte nicht, daß er etwas davon gewußt habe.
Othello.
Oh, ja, das hat er, und er war oft die Mittels-Person zwischen
uns beyden.
Jago.
In der That!
Othello.
In der That? Ja, in der That! Siehst du was hierinn? Ist er nicht
ein rechtschaffner Mann?
Jago.
Rechtschaffen, Gnädiger Herr?
Othello.
Rechtschaffen? Ja, rechtschaffen!
Jago.
Gnädiger Herr, so viel ich weiß.
Othello.
Was denkst du?
Jago.
Denken, Gnädiger Herr!
Othello.
Denken, Gnädiger Herr! - - Wie, beym Himmel! Was meynst du
damit, daß du mir immer nachhallest, gleich als ob irgend
ein Ungeheuer, zu gräßlich um gezeigt zu werden, in
deinen Gedanken verborgen läge? Du meynst etwas damit; vor
einer kleinen Weile hört' ich dich sagen, das gefalle
dir nicht - - wie Cassio von meinem Weibe weggieng. Was gefiel
dir nicht? - - Und wie ich dir sagte, er sey während dem ganzen
Lauf meiner Bewerbung um Desdemona mein Vertrauter gewesen, riefst
du, in der That? und zogst deine Augbraunen auf eine Art
zusammen, als ob du in selbem Augenblik irgend einem scheußlichen
Gedanken in deinem Gehirn den Ausgang versperren wolltest: Wenn
du mein Freund bist, so sage mir was du denkst.
Jago.
Gnädiger Herr, ihr wißt, daß ich euer Freund bin.
Othello.
Ich denke, du bist's: Und weil ich weiß, daß du ein
gutherziger, ehrlicher Mann bist, und deine Worte wiegst, eh du
ihnen Athem giebst, so schreken mich diese Pausen an dir; denn
wenn es an einem falschen unredlichen Spizbuben ein Kunstgriff
oder auch oft bloß ein angewöhntes Wesen ist, das nichts
zu bedeuten hat; so ist es hingegen an einem rechtschaffnen Mann
ein Zeichen, daß er sich Mühe giebt etwas in seinem
Herzen zurück zu halten, dessen Entdekung schlimme Folgen
habe könnte.
Jago.
Was Michael Cassio betrift, so darf ich schwören, daß
ich ihn für einen ehrlichen Mann halte.
Othello.
Dafür halt' ich ihn auch.
Jago.
Die Leute sollten seyn, was sie scheinen; oder die es nicht sind,
von denen wäre zu wünschen, daß sie auch so aussähen,
wie Schelmen.
Othello.
Es ist wahr, die Leute sollten seyn, was sie scheinen.
Jago.
Nun, ich denke also, Cassio ist ein ehrlicher Mann.
Othello.
Nein, du willt mehr damit sagen; ich bitte dich, rede mit mir,
wie mit deiner eignen Seele, und gieb deinem ärgsten Gedanken
auch den ärgsten Ausdruk.
Jago.
Mein liebster General, verschonet mich. Ob ich euch gleich einen
vollkommnen Gehorsam schuldig bin, so bin ich doch dazu nicht
verbunden, worinn alle Sclaven frey sind - - euch meine Gedanken
zu sagen - - Wie? gesezt, sie seyen einmal falsch, schändlich;
wo ist der Pallast, in den sich nicht zuweilen garstige Dinge
eindrängen? Wer hat ein so reines Herz, das nicht manchmal
unziemliche Vorstellungen sich unter seine guten Gedanken einmischen
sollten?
Othello.
Du bist ein Verräther an deinem Freund, Jago, wenn du glaubst,
er werde betrogen, und ihm doch nicht entdekest was du denkst.
Jago.
Ich denke, daß ich mich vielleicht in meiner Muthmassung
betrüge; (wie ich dann bekennen muß, daß es ein
unglüklicher Fehler meines Temperaments ist, zum Mißtrauen
geneigt zu seyn, und mir eine Sache manchmal schlimmer einzubilden
als sie ist,) ich bitte euch also, Gnädiger Herr, euch selbst
aus den ungefehren und unsichern Bemerkungen eines Menschen, den
sein Argwohn so leicht betrügen kan, keine Ursachen zur Unruhe
zu ziehen: Es wäre nicht gut für euch, und nicht ehrlich
und vernünftig an mir, wenn ich euch meine Gedanken wollte
wissen lassen.
Othello.
Was meynst du damit?
Jago.
Der gute Name, mein liebster gnädiger Herr, ist bey Manns-
und Weibsleuten ein Kleinod das ihnen so theuer seyn soll als
ihre Seele. Wer mir mein Geld stiehlt, stiehlt Quark; es ist etwas
und ist nichts; es war mein, nun ists sein, und ist schon ein
Sclave von Tausenden gewesen; aber wer mir meinen guten Namen
nimmt, beraubt mich eines Schazes, der ihn nicht reicher und mich
in der That arm macht.
Othello.
Ich will wissen, was du denkst - -
Jago.
Ihr könntet das nicht, wenn ihr gleich mein Herz in eurer
Hand hättet; und sollt es nicht, so lang es in meiner Verwahrung ist.
Othello.
Ha!
Jago.
Oh, Gnädiger Herr, nehmt euch vor der Eifersucht in Acht;
sie ist ein grün-äugiges Ungeheuer, das sich toller
Weise von demjenigen nährt was es am meisten verabscheut.
Mancher betrogne Ehemann ist seines Schiksals gewiß, ohne
desto unglüklicher zu seyn, weil ihm seine Ungetreue gleichgültig
ist - - Aber, o was für unselige Minuten zählt derjenige
über, der vor Liebe schmachtet und doch zweifelt; der argwöhnet,
und nur desto heftiger liebt!
Othello.
Ein elender Zustand, beym Himmel!
Jago.
Arm und zufrieden, ist reich und reich genug; aber ein unermeßlicher
Reichthum ist so arm als der Winter für denjenigen, der immer
besorgt, es werde ihm ausgehen. Gütiger Himmel! bewahre alle
menschlichen Herzen vor Eifersucht!
Othello.
Wie? Was meynst du damit? Denkst du, ich wollte jemals mein Leben
in Eifersucht zubringen? Die Monds-Veränderungen unverwandt
mit argwöhnischen Augen begleiten? Nein, einmal zweifeln
heißt bey mir entschlossen seyn. Tausche mich gegen eine
Ziege aus, wenn ich jemals fähig bin meine Seele so mißgeschaffnen
Gespenstern einer kranken Phantasie Preiß zu geben, als
du dir einbildest. Das kan mich nicht eifersüchtig machen,
wenn jemand sagt, mein Weib ist schön, ißt mit gutem
Appetit, liebt Gesellschaft, ist munter, gesprächig, singt,
spielt und tanzt gut; an einer tugendhaften Person werden diese
Dinge selbst zu Tugenden. Eben so wenig werd' ich jemals von meinen
eignen Unvollkommenheiten Anlas zum kleinsten Zweifel oder Verdacht
einer Untreue von ihrer Seite nehmen; denn sie hatte Augen und
wählte mich. Nein, Jago; ich will sehen eh ich zweifle; wenn
ich zweifle, so will ich Beweise; und sobald ich diese habe, weg
auf einmal mit Liebe und Eifersucht!
Jago.
Das hör' ich sehr gerne; dann nun darf ich mir also kein
Bedenken mehr machen, euch die Freundschaft und Ergebenheit sehen
zu lassen, die ich zu euch trage. Nehmt also was ich sagen werde
so auf, wie es gemeynt ist. Ich rede noch nicht von Beweisen;
gebt auf eure Gemahlin Acht, habt ein aufmerksames Auge auf sie
und Cassio, das ist alles was ich sagen kan: Nicht eifersüchtig,
aber auch nicht sicher; ich möchte nicht gerne, daß
ein so edles Gemüthe wie das eurige, aus einem Uebermaaß
von angebohrner Gutherzigkeit betrogen würde; seht euch also
vor. Ich kenne die Venetianische Landes-Art; in Venedig bekümmern
sie sich wenig, ob der Himmel ein Zeuge ihrer Streiche ist, wenn
nur ihre Männer nichts davon gewahr werden; ihre gröste
Gewissenhaftigkeit geht insgemein nicht weiter, als daß
sie niemand zusehen lassen, wenn sie sündigen.
Othello.
Sagst du das?
Jago.
Sie betrog ihren Vater, wie sie sich euch ergab; und zu eben der
Zeit, da sie euch am heftigsten liebte, stellte sie sich, als
ob sie sich vor euch fürchte.
Othello.
Das machte sie würklich so.
Jago.
Macht also den Schluß; konnte sie, so jung, so unschuldig
als sie war, sich so gut verstellen, daß ihr eigner Vater
von allem was in ihrem Herzen vorgieng, nichts gewahr werden konnte
- - Er dachte, es müsse nothwendig Zauberey dabey gebraucht
worden seyn - - Doch ich bin sehr zu tadeln: Ich bitte euch recht
demüthig um Vergebung, daß ich mich von meiner Liebe
zu euch so weit verleiten lasse.
Othello.
Ich bin euch auf immer dafür verbunden.
Jago.
Ich sehe doch, es hat eure Lebensgeister ein wenig in Unordnung gebracht.
Othello.
Im mindsten nicht, im mindsten nicht!
Jago.
Glaubt mir, ich besorge, es ist so etwas; ich hoffe wenigstens,
ihr werdet überzeugt seyn, daß, was ich sagte aus Freundschaft
zu euch geflossen ist. Aber, ich seh' es, ihr seyd beunruhigt
- - Ich bitte euch recht inständig, meinen Reden keine schlimmere
Auslegung zu geben, als meine Meynung ist.
Othello.
Das will ich auch nicht.
Jago.
Thätet ihr's, Gnädiger Herr, so könntet ihr Folgen
daraus ziehen, an die ich in der That nie gedacht habe. Cassio
ist mein Freund und ein Mann der Verdienste hat - - Gnädiger
Herr, ich sehe, ihr seyd unruhig - -
Othello.
Nein, nicht sonderlich unruhig - - ich denke nichts anders, als
Desdemona ist tugendhaft.
Jago.
Lange lebe sie so! Und lange möget ihr leben, so zu denken!
Othello.
Und doch, wenn die Natur einmal aus ihrem Geleis getreten ist - -
Jago.
Das ist eben der Punct - - Daß sie (wenn ich so frey seyn
darf, es herauszusagen) so viele Partheyen, die ihr natürlicher
Weise hätten angemeßner scheinen sollen, abgewiesen
hat, um sich einem Liebhaber zu ergeben, dessen Landesart, Farbe
und Alter dem ihrigen so entgegen gesezt war. In der That, das
scheint etwas ausschweiffendes in ihrem Gemüth, eine gewisse
Ueppigkeit und Unordnung ihrer Einbildung und ihrer Neigungen
anzuzeigen. Doch ich bitte euch um Vergebung, ich rede eigentlich
nicht von ihr ins besondere; ob ich gleich nicht ohne alle Sorge
bin, so könnte, bey kühlerm Blut, darauf fallen, eure
Gestalt mit derjenigen von ihren Landsleuten zu vergleichen, und
sich vielleicht ihre Wahl gereuen zu lassen.
Othello.
Leb wohl, leb wohl; wenn du etwas weiters merkest, so laß
mich's wissen: Trag es deiner Frau auf, sie genau zu beobachten.
Verlaß mich, Jago.
Jago.
Ich beurlaube mich, gnädiger Herr.
(Er geht.)
Othello.
O warum heurathete ich! Dieser ehrliche Mann sieht und weiß
ohne Zweifel mehr, weit mehr, als er sagt.
Jago (wieder zurükkommend.)
Gnädiger Herr, ich wollt' ich dürfte Eu. Gnaden
bitten, dieser Sache nicht weiter nachzuhängen; überlaßt
es der Zeit; ob es gleich ganz gut wäre, daß Cassio
wieder seine Stelle hätte, (denn in der That, bekleidete
er sie mit grosser Geschiklichkeit,) so würdet ihr doch,
wenn es euch gefiele ihn noch eine Zeitlang in der Ungewißheit
zu lassen, dabey Anlaß finden, ihn und sein Betragen besser
kennen zu lernen. Gebt auch acht, ob eure Gemahlin seine Wiedereinsezung
mit Merkmalen von Ungestüm und Heftigkeit betreiben wird;
daraus würde sich vieles abnehmen lassen. Mittlerweile glaubet
lieber, ich treibe meine Besorgnisse zu weit, und begegnet ihr
so, daß sie keine Veränderung spüren könne;
ich bitte Eu. Gnaden sehr darum.
Othello.
Verlaß dich hierüber auf meine Klugheit.
Jago.
Ich empfehle mich nochmals.
(Er geht ab.)