Othello und Jago treten von der Seite, in einiger Entfernung auf.
Aemilia.
Gnädige Frau, dort kommt euer Gemahl.
Cassio.
So will ich meinen Abschied nehmen, Gnädige Frau.
Desdemona.
Warum dann? Bleibt da, und hört mich reden.
Cassio.
Izt nicht, Gnädige Frau; ich bin so übel aufgeräumt,
daß ich meiner Sache keinen guten Schwung geben würde.
(Cassio geht ab.)
Desdemona.
Gut, nach euerm Belieben.
Jago (leise.)
Ha! Das gefällt mir nicht zum Besten - -
Othello (zu Jago.)
Was sagst du?
Jago.
Nichts, Gnädiger Herr; oder wenn - - ich weiß selbst
nicht was.
Othello.
Gieng nicht diesen Augenblick Cassio von meiner Frauen weg?
Jago.
Cassio, Gnädiger Herr? - - Nein, versichert, ich kan mir
nicht vorstellen, daß er sich, sobald er euch kommen sieht,
so eilfertig davon schleichen würde, als ob er kein gutes
Gewissen hätte.
Othello.
Ich glaube nicht anders als er war's.
Desdemona.
Wie steht's, mein Gemahl? Ich sprach eben izt mit einem Supplicanten,
einem Mann, den eure Ungnade sehr unglüklich macht.
Othello.
Und wer ist dieser Mann?
Desdemona.
Wer sollt es seyn als euer Lieutenant, Cassio? Liebster Gemahl,
wenn ich nur das mindeste Vermögen über euer Herz habe,
so söhnt euch auf der Stelle wieder mit ihm aus. Wenn er
nicht ein Mann ist, der euch aufrichtig liebt, und der aus blosser
Uebereilung und nicht mit Vorsaz gefehlt hat, so versteh ich nichts
davon was ein ehrliches Gesicht ist.
Othello.
War er's, der nur eben weggieng?
Desdemona.
Und so niedergeschlagen, daß er meinem mitleidigen Herzen
einen Theil seines Kummers zurükgelassen hat. Ich bitte euch,
mein Schaz, laßt ihn zurükruffen.
Othello.
Noch nicht, liebste Desdemona, ein andermal.
Desdemona.
Aber doch bald?
Othello.
Bald genug, mein Herz, für dich.
Desdemona.
Heute, Abends, zum Nacht-Essen?
Othello.
Das nicht.
Desdemona.
Also doch morgen auf den Mittag?
Othello.
Ich esse morgen mit einigen Officiers in der Citadelle zu Mittag.
Desdemona.
Nun, also doch Morgen Nachts, oder Dienstag Morgens oder Nachts,
oder Mittwoch Morgens, ich bitte dich, bestimme die Zeit; aber
laß es nicht länger als drey Tage seyn; bey meiner
Treue, er ist bußfertig; und doch ist sein Verbrechen, nach
der gemeinen Art davon zu urtheilen und bey Seite gesezt, daß
in Kriegszeiten von einem Officier das beste Exempel gefordert
wird, eine kleine Uebereilung, die kaum einen Privat-Verweis verdient
- - Wenn soll er kommen? Sag mir's, Othello! Mich nimmt in der
Seele Wunder, was ihr mich bitten könntet, das ich euch abschlagen
würde, oder wobey ich so verdrieslich dastühnde! Wie?
Michael Cassio! - - Der eurer Liebe zu mir so gute Dienste leistete;
der so oft, wenn ich nicht sehr vortheilhaft von euch sprach,
eure Parthey nahm - - und ich soll soviel Mühe haben, ihn
wieder bey euch in Gunst zu sezen? Glaubt mir auf mein Wort, ich
wollte wohl mehr - -
Othello.
Ich bitte dich, laß es genug seyn; er kan kommen, wenn er
will; ich will dir nichts abschlagen.
Desdemona.
Wie, das ist keine Gefälligkeit, die ich für mich bitte;
es ist als ob ich euch bitte eure Kleider zu tragen oder von einer
gesunden Speise zu essen, oder euch warm zu halten; kurz, als
ob ich bey euch darum anhielte, daß ihr euch selbst etwas
zu gut thun möchtet. Nein, wenn ich eine Bitte habe, wodurch
ich eure Liebe in der That auf die Probe zu stellen gedenke, so
soll es etwas schweres und grosses seyn, etwas das Herz erfordert,
um bewilliget zu werden.
Othello.
Ich werde dir nichts abschlagen, und alles was ich mir dagegen
von dir ausbitte, ist, daß du mich izt ein wenig allein
lassen wollest.
Desdemona.
Sollt' ich euch's abschlagen? Nein; lebt wohl, mein Gemahl.
Othello.
Lebe wohl, meine Desdemona, ich will gleich folgen.
Desdemona.
Aemilia, komm; seyd wie es euch eure Laune eingiebt, ihr mögt
seyn wie ihr wollt, so bin ich gehorsam.
(Sie gehen ab.)