Jago.
Seht, da kommt er! Weder Mohn-Saamen, noch Mandragora, noch alle
einschläfernde Säfte in der Welt zusammen genommen werden
dir jemals diesen süssen Schlaf wiedergeben, den du gestern
noch hattest - -
Othello (vor sich.)
Ha! Sie soll mir untreu seyn!
Jago.
Wie, wie stehts, General? Nichts solches mehr!
Othello.
Hinweg! fort! Du spannst mich auf die Folter: Ich schwör'
es, es ist besser mit seinen Augen sehen, daß man betrogen
wird, als nur besorgen müssen, daß man's sey.
Jago.
Wie, Gnädiger Herr?
Othello.
Was wußt' ich von ihren verstohlnen Ausschweiffungen? Ich
sah sie nicht, ich dachte nicht daran, sie thaten mir kein Leid;
ich schlief die Nacht darauf wohl; war ruhig und froh; ich fand
Cassio's Küsse nicht auf ihren Lippen. Laßt den der
bestohlen ward und das Gestohlne nicht vermißt, laßt
ihn nichts davon wissen, und es ist soviel als ob er gar nicht
bestohlen worden wäre.
Jago.
Ich bedaure, daß ich solche Dinge hören muß.
Othello.
Und hätte das ganze Lager bis auf die Troßbuben herab,
ihren holden Leib gekostet, und ich wüßte nur nichts
davon, so wär' ich glüklich. Aber, o! nun auf ewig fahr
wohl, Ruhe des Gemüths! Fahr wohl, Zufriedenheit! Fahret
wohl, ihr mit Federbüschen geschmükten Schaaren; und
du, stolzer Krieg, der die schwellende Seele mit edler Ruhmbegierde
füllt: O fahret wohl! Fahret wohl wiehernde Stuten, schmetternde
Trompete, Muth-erwekende Trummel, und du muntre Queer-Pfeiffe,
königliches Panner, und der ganze Prunk und Pomp des glorreichen
Kriegs! Und, o! ihr tödtlichen Werkzeuge, deren eherner Rachen
Jupiters furchtbaren Donner nachahmt, fahret wohl! Othello's Arbeit
ist gethan!
Jago.
Ist's möglich, Gnädiger Herr? - -
Othello.
Nichtswürdiger, sey gewiß, daß du mir beweisen
kanst, daß meine Liebe eine Hure ist; sey dessen gewiß,
gieb mir eine sichtbare Probe - - (Er faßt ihn wüthend
an.) Oder, beym Werth der unsterblichen Seele des Menschen!
es wäre dir besser, wenn du ein Hund gebohren worden wärest,
als meinem aufgeschrekten Grimm zu begegnen.
Jago.
Ist es dazu gekommen?
Othello.
Laß mich's sehen; oder beweis es wenigstens so, daß
kein Schatten eines Zweifels übrig bleibe: Oder weh deinem
Leben!
Jago.
Mein edler Gebieter - -
Othello.
Wenn du sie unschuldig angeklagt, und mich auf diese Folterbank
geschraubt hast, so bete nicht mehr, erstik dein Gewissen, häuffe
Greuel auf Greuel, begeh Sünden, daß der Himmel weinen
und die Erde sich entsezen muß; du kanst nichts ärgers
thun, um das Maaß deiner Verdammniß voll zu machen
als du schon gethan hast.
Jago.
O! Barmherzigkeit! Der Himmel steh mir bey! Seyd ihr ein Mann?
Habt ihr eine Seele? oder ein menschliches Gefühl? Gott sey
bey euch; nehmt mir mein Amt, und wenn ihr wollt, mein Leben dazu
- - O ich unglüklicher Thor, daß ich erleben soll daß
meine Ehrlichkeit zum Verbrechen gemacht wird! O Welt! Welt! Das
ist dein Lauff; ehrlich und aufrichtig, ist sein eigner Feind
seyn. Ich dank' euch für diesen Unterricht; von nun will
ich der Freundschaft gute Nacht geben, und niemand mehr lieben
als mich selbst.
Othello.
Nein, warte - - Du solltest ehrlich seyn - -
Jago.
Ich sollte klug seyn; Ehrlichkeit ist ein Narr, der jedermann
gutes thut, und nur sich selbst schadet.
Othello.
Bey allem was in der Welt ist, ich denke mein Weib ist unschuldig,
und denke sie ists nicht; ich denke du bist rechtschaffen, und
denke du bist's nicht; ich will Beweis haben. Ihr Name, der so
frisch war wie Dianens Antliz, ist nun so schwarz als mein eignes.
Nein, wenn noch Strike, noch Dolche, noch Gift, Feuer oder Wasser
in der Welt sind, so will ich diese Pein nicht länger ausstehen
- - Ich wollt' ich wäre meines Schiksals gewiß!
Jago.
Ich sehe, Gnädiger Herr, ihr werdet von eurer Leidenschaft
aufgerieben. Es reut mich, daß ich Anlas dazu gegeben habe.
Ihr wollt eures Schiksals gewiß seyn?
Othello.
Ja, das will ich.
Jago.
Und könnt; aber wie? wie gewiß seyn, Gnädiger
Herr? wolltet ihr ein Augenzeuge seyn - - mit weitoffnen Augen
zusehen? Sehen wie sie - -
Othello.
Tod und Verdammniß! oh!
Jago.
Ich denk' es würde schwer halten, sie so vertraulich zu machen:
Bey solchen Spielen liebt man keine fremde Augen zu Zuschauern.
Was dann? Wie dann? Was soll ich sagen? Was nennt ihr Gewißheit?
Es ist unmöglich, daß ihr's mit Augen sehen könnt;
und wenn sie so unverschämt wären wie Geissen, so hizig
wie die Wald-Teufels, und so unbesonnen wie ein Dummkopf, den
man mit Wein angefüllt hat. Und doch sag ich, wenn Wahrscheinlichkeiten,
wenn Umstände die geradeswegs bis vor die Thüre der
Wahrheit führen, euch Gewißheit geben können,
so könnt' ihr sie haben.
Othello.
Gieb mir einen überführenden Beweis, daß sie ungetreu
ist.
Jago.
Ihr legt mir eine unangenehme Pflicht auf; aber da ich mich nun
einmal, aus unüberlegter Aufrichtigkeit und Freundschaft,
so weit in diese Sache eingelassen habe, so will ich weiter gehen.
Ich lag lezthin mit Cassio in einem Bette; ein rasender Zahn machte
daß ich nicht schlafen konnte - - Es giebt eine Art von
Leuten, deren Seele so schlapp ist, daß ihnen ihre geheimsten
Gedanken im Schlaf entgehen. Von dieser Art ist Cassio. Er redte
im Schlaf. Liebste Desdemona, hört' ich ihn sagen, laß
uns vorsichtig seyn. Laß uns unser Liebes-Verständniß
dem schärfsten Aug' unerforschlich machen! Und dann, gnädiger
Herr, tappte er um sich, und drükte mir die Hand, rief - -
O bezauberndes Geschöpf! und küßte mich dann
nicht anders, als ob er Küsse, die auf meinen Lippen wüchsen,
mit den Wurzeln ausziehen wollte, legte dann sein Bein über
meinen Schenkel, und seufte und küßte mich, und rief,
verfluchtes Schiksal, das dich dem Mohren gab!
Othello.
O Scheusal! Scheusal!
Jago.
Nein, das war nur ein Traum.
Othello.
Aber ein Traum, der ganz deutlich anzeigt, was geschehen ist.
Jago.
Das ist ein verdammter Zweifel, ob es gleich nur ein Traum ist.
Es kan doch immer dazu dienen, andre, an sich selbst zu schwache
Anzeigen zu verstärken.
Othello.
Ich will sie von Glied zu Glied in Stüke reissen.
Jago.
Nicht so heftig! Fasset euch; noch sehen wir nichts, sie
kan noch unschuldig seyn - - Sagt mir nur das, habt ihr niemals
ein Schnupftuch, mit Erdbeeren überstikt, in eurer Gemahlin
Hand gesehen?
Othello.
Ich gab ihr so eines, es war mein erstes Geschenk.
Jago.
Davon weiß ich nichts; aber mit einem solchen Schnupftuch
(und ich bin gewiß, es war eurer Gemahlin ihres,) sah ich
Cassio heute seinen Bart wischen.
Othello.
Wenn's das nemliche wäre - -
Jago.
Es mag dieses oder ein anders seyn, so war es doch von ihr, und,
zu den andern Proben genommen, spricht es nicht zu ihrem Vortheil.
Othello.
O daß die Elende tausend Leben hätte! Eines ist zu
wenig für meine Rache. Nun seh ich endlich - - Schau, Jago,
so blase ich alle meine Liebe dem Himmel zu: Sie ist weg; - -
erhebe dich, schwarze Rache, aus deiner unseligen Gruft! und du,
Liebe, tritt dem tyrannischen Haß deinen Thron und deine
Krone ab! Wie mein Herz mir schwillt, als ob es mit lauter Natter-Zungen
angefüllt wäre!
Jago.
Gebt euch noch zufrieden.
Othello.
O Blut, Blut, Blut! - -
Jago.
Geduld, sag ich; ihr könnt vielleicht anders Sinnes werden.
Othello.
Niemals, Jago - - niemals sollen meine blutige Gedanken, in ungestümer
Fluth sich daherwälzend, zu sanfter Liebe zurük fliessen,
bis eine weite hinlängliche Rache sie verschlungen haben
wird - - Das schwör' ich, (er kniet,) höre Himmel
das schrekliche, unwiederrufliche Gelübd! - - Bey deiner
unzerstörbaren Veste schwör' ich Rache!
Jago (kniend.)
Stehet noch nicht auf - - Seyd Zeugen, ihr ewigbrennenden
Lampen dort oben, und ihr Elemente, die uns rings umfassen; seyd
Zeugen, daß Jago hier alles was sein Verstand, seine Hand
und sein Herz vermag, zum Dienste des beleidigten Othello wiedmet!
Er befehle! Und ich will gehorchen, ohne Zaudern gehorchen, so
blutig auch der Befehl seyn mag!
Othello.
Ich bewillkomme deine Freundschaft nicht mit eiteln Danksagungen,
sondern mit gutwilliger Annahm; und im gleichen Augenblik will
ich dir sagen, wozu ich sie nöthig habe. In den nächsten
dreyen Tagen, laß mich von dir hören, daß Cassio
nicht mehr ist.
Jago.
Mein Freund ist todt; ihr wollt es, es ist gethan. Aber sie - -
sie laßt leben!
Othello.
Verderben über sie, die unzüchtige Gleißnerin!
oh! Verderben, Verderben über sie! Komm, geh mit mir auf
die Seite, ich muß auf irgend ein schnelles Mittel denken,
den schönen Teufel aus der Welt zu schaffen. Nunmehr bist
du mein Lieutenant - -
Jago.
Ich bin auf ewig der eurige.
(Sie gehen ab.)