(Eine Halle in Timons Hause.)
Der Poet, der Mahler, der Juweelen-Händler, der Kauffmann, und der Galanterie-Krämer treten durch verschiedne Thüren auf.
Poet.
Guten Tag, mein Herr.
Mahler.
Ich erfreue mich über euer Wohlbefinden.
Poet.
Ich hab' euch lange nicht gesehen; wie geht's in der Welt?
Mahler.
So daß es besser seyn könnte, mein Herr.
Poet.
Nun, das ist etwas bekanntes. Aber was giebt es vor besondere
Seltenheiten?* Was ist so ausserordentlich, wovon wir nicht in
den Urkunden der Welt mehr als ein Beyspiel finden? - - Seht,
o Zauberey der Freygebigkeit! Alle diese Geister hat deine Macht
zusammenbeschworen, dir aufzuwarten - - Ich kenne den Kauffmann.
Mahler.
Ich kenne beyde; der andere ist ein Juweelen-Händler.
Kauffmann.
O! es ist ein würdiger Edelmann!
Juweelen-Händler.
Das ist ausgemacht.
Kauffmann.
Ein recht unvergleichlicher Mann, von einer unerschöpflichen
und immerwährenden Gütigkeit beseelt. Er übertrift - -
Juweelen-Händler.
Ich habe hier ein Juweel - -
Kauffmann.
O ich bitte euch, laßt mich's sehen - - Für den Lord
Timon, mein Herr?
Juweelen-Händler.
Wenn er es so hoch bezahlt als es geschäzt ist; doch was
das betrift - -
Poet.
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Wenn wir um Lohn den Lasterhaften singen, So wird auch des Gerechten Lobes Glanz Dadurch beflekt, das wir der Tugend bringen - - |
Kauffmann (indem er das Juweel betrachtet.)
Es ist schön geschnitten.
Juweelen-Händler.
Und reich; was das für ein Wasser ist! Seht ihr?
Mahler zum Poeten.
Mein Herr, ihr seyd, däucht mich, im Enthusiasmus, über
irgend einem Werk, das diesem grossen Mann gewidmet werden soll.
Poet.
Es ist eine Kleinigkeit, die mir in einer müssigen Stund'
entgangen ist. Unsre Poesie ist wie ein Gummi, das daher entspringt,
woher es genährt wird. Das Feuer in dem Kiesel zeigt sich
nicht eher bis es herausgeschlagen wird; unsre anmuthige Flamme
entzündet sich von selbst, und überströmt wie ein
reissendes Wasser jeden Damm, der sie einzwängen will. Was
habt ihr hier?
Mahler.
Ein Gemählde, mein Herr - - Wenn kommt euer Werk ans Licht?
Poet.
An den Fersen meiner Gegenwart, mein Herr. Laßt mich euer
Stük sehen.
Mahler.
Es ist ein gutes Stük.
Poet.
Das ist es; das reicht an vortrefflich.
Mahler.
Erträglich.
Poet.
Bewundernswürdig! Was für eine Wahrheit, welch ein Anstand
in dieser Stellung! Was für eine geistige Kraft schießt
aus diesem Auge! Was für eine schwangre Einbildungskraft
bewegt sich in diesen Lippen! Selbst die stumme Gebehrde wird
hier zum Ausdruk - -
Mahler.
Es ist eine ganz artige Nachäffung der Natur; hier ist ein
Strich - - Was sagt ihr davon?
Poet.
Ich will nichts sagen, als, er meistert die Natur selbst; eine
künstliche Bewegung lebt in diesen Strichen, die lebhafter
ist als das Leben selbst.
Einige Senatoren zu den Vorigen.
Mahler.
Wie viel Aufwart dieser Herr hat!
Poet.
Die Senatoren von Athen! Glüklicher Mann!
Mahler.
Seht, noch etliche.
Poet.
Ihr seht diesen Zusammenfluß, diese grosse Fluth von Besuchern
- - Ich habe in diesem rohen Werk einen Mann entworffen, den diese
Unterwelt mit überschwenglicher Hochachtung umfaßt,
und in die Arme schließt. Meine freye Absicht hält
keinen besondern Lauf, sondern bewegt sich selbst in einer weiten
See von Wachs; keine gesäurte Bosheit vergiftet ein einziges
Comma in dem Lauf den ich halte: sondern er fliegt einen Adler-Flug,
kühn, in einem fort, und läßt keine Spur zurük.
Mahler.
Wie soll ich euch verstehen?
Poet.
Ich will es euch aufrigeln. Ihr seht wie alle Stände, wie
alle Arten von Leute, sowohl die von glatter und schlüpfriger
als die von spröder und herber Beschaffenheit, ihre Dienste
zu den Füssen des Lord Timon legen: Sein grosser Reichthum,
der an seiner leutseligen und gütigen Gemüthsart hängt,
überwältigt alle Arten von Herzen, und macht sie zu
seinen freywilligen Unterthanen; ja, von dem Spiegelartigen Schmeichler
bis zum Apemanthus, der wenige Dinge so sehr liebt als sich selbst
zu verabscheuen; aber auch dieser gießt sich auf die Knie
vor ihm hin, und kehrt vergnügt, und durch ein Kopfniken
des Timons, in seinen Gedanken, höchst glüklich von
ihm zurük.
Mahler.
Ich sah sie mit einander reden.
Poet.
Ich dichte also das Glük, auf einem hohen und anmuthigen
Hügel gethront. Der Fuß des Berges ist mit allen Arten
von Personen und Verdiensten dicht umgeben, die sich bestreben
sich auf dem Busen dieser Sphäre festzusezen. Unter allen
diesen Wesen, deren Augen auf diese allgewaltige Beherrscherin
geheftet sind, personificire ich einen in Timons Gestalt, den
Fortuna mit ihrer elfenbeinernen Hand zu sich winkt, und durch
diese Gunst in ebendemselben Augenblik alle seine Nebenbuhler
zu seinen Dienern und Sclaven macht.
Mahler.
Eine mahlerische Idee! Dieser Thron, diese Fortuna und dieser
Hügel, mit einem Manne, dem aus den übrigen untenstehenden
emporgewinkt wird, und der sein Haupt gegen den schrofen Berg
beugt, um zu seinem Glük hinaufzuklettern, würde, nach
unsrer Kunst, wohl ausgesonnen seyn.
Poet.
Nein, hört mich nur weiter: Alle diese, die so kürzlich
erst seines gleichen waren, einige besser als er, folgen in diesem
Augenblik seinen Schritten, drängen sich aufwartsam um ihn
her, regnen flüsternde Schmeichlereyen in sein Ohr, machen
sogar seine Schuhriemen zu einem Heiligthum, und trinken die freye
Luft durch ihn.
Mahler.
Zum Henker, was wollt ihr mit diesen?
Poet.
Sobald nun Fortuna, in einem Anstoß von Wankelmuth den,
der kaum ihr Liebling war, mit Füssen tritt; so seht ihr,
wie alle seine Verehrer, die mit Knien und Händen sich auf
den Gipfel des Berges hinaufarbeiteten, ihn hinunter schlüpfen
lassen, ohne daß nur ein einziger seinen ausglitschenden
Fuß begleiten wollte.
Mahler.
Das ist gemein; ich kan euch tausend moralische Gemählde
zeigen, die dergleichen plözliche Glüks-Streiche weit
lebhafter vorstellen sollen, als Worte. Doch thut ihr wohl, dem
Lord Timon zu zeigen, daß es schon begegnet ist, daß
erniedrigte Augen den Fuß über dem Kopf gesehen haben.
* Unser Autor hat, wie der Augenschein zeigt, seinen Poeten in diesem Stüke zu einem schlechten Kerl gemacht. Damit sein Charakter aber nicht der Profeßion selbst nachtheilig sey, so hat er ihn zu einem eben so schlechten Poeten gemacht, als er ein schlechter Mann ist. Ein untrügliches Kennzeichen von dem falschen Geschmak und unreiffen Urtheil, so er ihm beylegt, ist seine Liebe zu allem was seltsam, erstaunlich und abentheurlich, und eine Verachtung alles dessen, was gewöhnlich oder der Natur gemäß ist.
Warbürton.