Trompeten. Timon tritt auf, und wendet sich auf eine leutselige Art an die verschiednen Personen, die ihm die Aufwartung machen.
Timon zu einem Boten.
Er sizt im Gefängniß, sagt ihr?
Bote.
Ja, gnädiger Herr; Seine Schulden belauffen sich auf fünf
Talente, seine Mittel sind sehr knapp, seine Glaubiger sehr dringend;
er bittet euch, an diejenige, die ihn eingesezt haben, zu seinem
Behuf zu schreiben, und würde ohne allen Trost seyn, wenn
ihr ihm diese Gunst versagen würdet.
Timon.
Der edle Ventidius! Gut! Ich bin nicht von der Art, meinen Freund
zu verlassen, wenn er meiner am meisten nöthig hat. Ich weiß,
er ist ein Edelmann, der wohl verdient, daß man ihm aushelfe;
ich will es thun, ich will die Schuld bezahlen, und ihn befreyen.
Bote.
Euer Gnaden verpflichtet sich ihn auf ewig.
Timon.
Empfehlt mich ihm; ich will ihm seine Ranzion schiken, und ihn,
wenn er wieder frey seyn wird, zu mir einladen. Es ist nicht genug,
dem Schwachen aufzuhelfen, man muß ihm auch den Arm zum
Gehen leyhen. Lebt wohl.
Bote.
Ich wünsche Euer Gnaden tausend Wohlergehen.
(Geht ab.)
Ein alter Athenienser tritt auf.
Alter Athenienser.
Lord Timon, hört mich reden.
Timon.
Rede frey, mein guter alter Vater.
Alter Athenienser.
Du hast einen Diener, namens Lucilius.
Timon.
So ist's; was soll er dann?
Alter Athenienser.
Sehr edler Timon, laß diesen Mann sogleich vor dich kommen.
Timon.
Ist er hier oder nicht? - - Lucilius! - -
Lucilius tritt auf.
Lucilius.
Hier, was befehlen Euer Gnaden?
Alter Athenienser.
Dieser Bursche hier, Lord Timon, dieser dein Diener besucht des
Nachts mein Haus. Ich bin ein Mann, der von der Jugend an sich
Müh gegeben hat, etwas zu erwerben, und mein Vermögen
erheischt einen gewichtigern Erben, als einen der auf einem hölzernen
Teller ißt.
Timon.
Gut; was weiter?
Alter Athenienser.
Ich hab' eine einzige Tochter, und sonst keinen Anverwandten,
dem ich vermachen könnte was ich erworben habe. Das Mädchen
ist hübsch, so jung als eine Braut seyn kan, und ich habe
keine Kosten gespart, sie zu den besten Eigenschaften zu erziehen.
Dieser dein Diener bewirbt sich um ihre Liebe; ich bitte dich,
edler Lord, vereinige dich mit mir, ihm ihren Umgang zu untersagen;
ich selbst hab' es fruchtlos gethan.
Timon.
Der Mann ist ein ehrlicher Mann.
Alter Athenienser.
So wird er's auch hierinn seyn, Timon. Seine Ehrlichkeit belohnt
ihn durch sich selbst, sie soll ihm nicht meine Tochter kuppeln.
Timon.
Liebt sie ihn?
Alter Athenienser.
Sie ist jung und mannbar; unsre eigene ehmalige Leidenschaften
lehren uns, wie leichtsinnig die Jugend ist.
Timon zu Lucilius.
Liebt ihr das Mädchen?
Lucilius.
Ja, mein Gnädiger Herr, und sie ist es zufrieden.
Alter Athenienser.
Wenn sie einander ohne meine Einwilligung heurathen, so rufe ich
die Götter zu Zeugen, daß ich meinen Erben aus den
Bettlern auf der Strasse wählen, und ihnen alles entziehen
will.
Timon.
Wieviel soll sie zum Brautschaz haben, wenn sie einen Mann heurathete,
der ihr an Vermögen gleich wäre?
Alter Athenienser.
Drey Talente fürs Gegenwärtige, und künftig alles.
Timon.
Dieser wakere Mann hat mir lange gedient; um sein Glük zu
machen, will ich mich ein wenig angreiffen; es ist eine Pflicht
der Menschlichkeit. Gieb ihm deine Tochter; so viel du ihr giebst,
will ich ihm auch geben, um zu machen, daß er so viel wägen
soll als sie.
Alter Athenienser.
Sehr edler Lord, verspreche mir das auf euer Ehrenwort, so soll
er sie haben.
Timon.
Hier hast du meine Hand, mein Ehrenwort ist mein Versprechen.
Lucilius.
Ich danke Euer Gnaden demüthigst; nimmer möge mir das
Glük gedeyhen, welches ich nicht eurer Güte schuldig
zu seyn erkenne.
(Lucilius und der Alte Athenienser gehen ab.)
Poet.
Nehmet diese Arbeit so gütig auf, als die Wünsche, die
ich für Euer Gnaden langes Leben thue.
Timon.
Ich danke euch, ihr sollt gleich mehr von mir hören; geht
nicht weg - - Was habt ihr hier, mein Freund?
Mahler.
Ein Gemählde, welches ich Euer Gnaden bitte anzunehmen.
Timon.
Mahlerey ist mir allezeit willkommen. Seitdem die Falschheit mit
der Natur des Menschen ein Gewerbe treibt, ist ein gemahlter Mensch
soviel als ein natürlicher; gemahlte Figuren sind gerade
das, wofür sie sich geben. Euer Werk gefällt mir, und
ihr sollt finden, daß es mir gefällt; wartet, bis ihr
wieder von mir hört.
Mahler.
Die Götter erhalten euch!
Timon.
Lebt wol, mein Herr; gebt mir eure Hand, wir müssen heute
mit einander zu mittagessen. Mein Herr, euer Juweel hat von allzugrossem
Lob gelitten.
Juweelen-Händler.
Wie, Milord? Ist es mißfällig?
Timon.
Es ist mir bis zum Ekel angepriesen worden. Wenn ich es bezahlen
sollte, wie es geschäzt wird, so müßte ich mich
zu Grunde richten.
Juweelen-Händler.
Gnädiger Herr, es ist so geschäzt wie diejenige, die
es verkauffen, es gerne gäben; ihr wißt aber wol, daß
Dinge von gleichem Werth, wenn sie ungleiche Eigenthümer
haben, nach ihren Besizern geschäzt werden; glaubt mir, Gnädiger
Herr, das Juweel würde einen noch grössern Werth erhalten,
wenn ihr es trüget.
Timon.
Ihr scherzet mit mir, mein guter Mann.
Kauffmann.
Nein, Gnädiger Herr, er redt nur die gemeine Sprache, die
alle Leute mit ihm reden.
Timon.
Seht, wer hier kommt - - Wollt ihr ausgescholten seyn?