Zweyte Scene.

Speed, Valentins Bedienter, und der Hanswurst dieses Stüks, tritt auf, und fragt seinem Herrn nach. Protheus sagt ihm, daß er bereits nach Meiland eingeschifft seyn werde. Dieses giebt dem sinnreichen Speed Anlaß sich selbst mit einem Schaaf zu vergleichen, und die Idee eines Schaafs führt ihn und den Protheus auf eine ganze Reyhe frostiger und schaafmäßiger Wortspiele. Protheus erkundiget sich hierauf ob Speed der Julia seinen Brief übergeben, und wie sie ihn aufgenommen habe; bekommt aber so schlechten Bescheid von ihm, daß er sich zulezt weislich entschließt, künftig einen gescheidtern Unterhändler zu den Angelegenheiten seines Herzens zu gebrauchen. Diese ganze Scene ist eine Gewebe von langweiligen Wiz- und Wortspielen, im Geschmak derjenigen, womit Hans Wurst auf einigen deutschen Theatern noch die Ehre hat, ein nach Stands-Gebühr Gnädig- und Hochgeneigtes Auditorium zu unterhalten.

 
Dritte Scene.

Verwandelt sich in Julias Zimmer.

Julia und Lucetta treten auf.

Julia.
So sage mir dann, Lucetta, da wir nun allein sind, wolltest du mir rathen, mich in ein Liebesverständniß einzulassen?

Lucetta.
Ja, Gnädiges Fräulein, mit der gehörigen Vorsicht, versteht sich's.

Julia.
Und welchen unter allen diesen hübschen jungen Herren, die meinen kleinen Hof ausmachen, findest du den liebenswürdigsten?

Lucetta.
Wenn es Euer Gnaden beliebt, mir einige zu nennen, so will ich meine Meynung von ihnen sagen, so gut als ich's verstehe.

Julia.
Wie gefällt dir, zum Exempel, der schöne Sir Eglamour?

Lucetta.
Er ist ein hübscher Cavalier, oder kommt doch den meisten Leuten so vor, schön, zierlich, und so nett gepuzt wie ein Puppe - - Aber wenn ich Fräulein Julia wäre, so sollt' er mich dennoch nicht kriegen.

Julia.
Was denkst du von dem reichen Mercatio?

Lucetta.
Sehr gut von seinem Gelde, aber von ihm selbst, so, so.

Julia.
Was hältst du dann von dem jungen Protheus?

Lucetta.
Behüte Gott! wie thöricht wir manchmal seyn können.

Julia.
Nun, wie? Was fehlt dir? Warum geräthst du in eine solche Bewegung bey seinem Namen?

Lucetta.
Um Vergebung, Gnädiges Fräulein! es war nur ein kleiner Anstoß von Schaam, daß ein so unwürdiges Geschöpf als ich bin, über den Werth eines so liebenswürdigen Edelmanns urtheilen soll.

Julia.
Warum nicht über Protheus so gut als über die andern?

Lucetta.
Nun, wenn ich dann meine Meynung sagen soll, so halt' ich ihn unter vielen Guten für den Besten.

Julia.
Und aus welchem Grunde?

Lucetta.
Ich weiß keinen andern Grund als einen sehr weiblichen; er kommt mir so vor, weil er mir so vorkommt.

Julia.
Du meyntest also, ich sollte meine Liebe auf ihn werfen?

Lucetta.
Ja, wenn ihr sie nicht wegwerfen wollt.

Julia.
Er ist unter allen der einige, der mich nie gerührt hat.

Lucetta.
Und doch ist er, däucht mich, derjenige, der euch unter allen am besten liebt.

Julia.
Wie soll ich das glauben, da er so wenig zum Vortheil seiner Liebe zu sagen weiß?

Lucetta.
Je weniger dem Feuer Luft gemacht wird, je stärker brennt es.

Julia.
Kan man lieben, und seine Liebe nicht auszudrüken wissen?

Lucetta.
O, der liebt am wenigsten, der am beredtesten von seiner Liebe spricht.

Julia.
Ich wollt', ich wißte was in seinem Herzen vorgeht.

Lucetta.
Leset dieses Papier, Gnädiges Fräulein.

Julia.
»An Julia« - - sage, von wem?

Lucetta.
Das wird der Inhalt sagen.

Julia.
Sprich, sprich, wer gab es dir?

Lucetta.
Sir Valentins Bedienter; der, wie ich glaube, von Protheus geschikt war. Er wollt' es Eu. Gnaden selbst einhändigen; weil ich ihm aber in den Weg kam, so nahm ich es in euerm Namen ab; ich bitte deßwegen um Vergebung.

Julia.
Nun, bey meiner Ehre, eine saubre Mäklerin! Wie? darfst du dich unterstehen, zu solchen Leichtfertigkeiten deine Hand zu bieten? dich in ein heimliches Geflüster, in eine Verschwörung gegen meine Jugend einzulassen? Glaube mir, du hast ein feines Amt auf dich genommen, und es steht dir recht wol an! Hier, nimm dein Papier; siehe zu, daß es zurükgegeben wird, oder komm mir niemals wieder unter die Augen.

Lucetta.
Ich hätte nicht gemeynt, daß man Haß zum Lohn kriegen sollte, weil man der Liebe das Wort redt.

Julia.
Willt du gehen?

Lucetta (leise.)
Damit ihr euch besser bedenken könnt.

(Sie geht ab.)

Julia (allein.)
Und doch wollt' ich, ich hätte den Brief übersehen - Izt schäm' ich mich sie zurük zu rufen, und sie zu einem Fehler zu erbitten, um dessentwillen ich sie ausgescholten habe. Die Närrin! Sie weiß daß ich ein Mädchen bin, und zwingt mich nicht, daß ich den Brief lesen muß! Da es doch einmal so ist, daß Mädchen oft aus Sittsamkeit Nein sagen müssen, wenn sie wollten daß es die bittende Person für ein Ja aufnehme. Fy, fy; was für ein wunderliches, närrisches Ding ist diese Liebe, daß sie, wie ein eigensinniges Wiegenkind die Amme krazt, und den Augenblik darauf, wieder ganz demüthig die Ruthe küßt. Wie unfreundlich zankte ich die gute Lucetta weg, da ich sie doch so gerne da behalten hätte! Wie verdrießlich zog ich meine Augbrauen zusammen, indeß daß innerliche Freude mein Herz zu lächeln zwang! Meine Straffe soll seyn, daß ich Lucetten zurükruffen, und wegen meiner Thorheit um Verzeihung bitten will. He! Lucetta!

Lucetta kommt zurük.

Lucetta.
Was beliebt Eu. Gnaden?

Julia.
Ist es bald Mittag-Essens-Zeit?

Lucetta.
Ich wollt' es wäre, so könntet ihr euern Unmuth an euern Schüsseln auslassen, statt an euerm Mädchen.*

Julia.
Was rafftest du da so eilfertig vom Boden auf?

Lucetta.
Nichts.

Julia.
Warum büktest du dich dann?

Lucetta.
Ich wollte nur ein Papier aufheben, das mir entfallen war.

Julia.
Und ist diß Papier nichts?

Lucetta.
Nichts, daß mich angeht.

Julia.
So laß es für diejenige ligen, die es angeht. Es werden wohl Reime sein, die einer von deinen Liebhabern auf dich gemacht hat.

Lucetta.
Damit ich sie nach einer Melodie singen möchte.

(Hier veranlaßt das Wort »Singen« im Original eine ganze Reyhe musicalischer Wizspiele, welche Julia und ihr Mädchen einander zuwerfen. Man hat sie weggelassen, weil es sich der Mühe nicht lohnt, sich um diese Art von gedankenlosem Wiz den Kopf zu zerbrechen. Julia, welche über Lucettens Impertinenz endlich ungehalten wird, reißt ihr den Brief aus der Hand, zerreißt ihn in Stüke, und befiehlt ihr sich zu entfernen; Lucetta gehorcht, und sagt im Weggehen: was das für eine wunderliche Aufführung ist! und doch bin ich gewiß, daß ihr nichts angenehmere wäre, als noch einmal mit einem solchen Brief erzürnt zu werden.)

Julia (allein.)
Ich wollte lieber mit dem nehmlichen erzürnt werden! Verhaßte Hände, die so zärtliche Worte zerreissen konnten! Undankbare Wespen, die sich mit solchem Honig weiden, und die Bienen, die ihn hergaben, mit ihren Stacheln tödten! Zur Vergütung will ich jedes einzelne Stükchen Papier küssen - - Sieh! hier steht »gütige Julia«; - - ungütige Julia! Zur Straffe deiner Undankbarkeit werf' ich deinen Namen gegen diese Steine, und trete verächtlich deinen Übermut mit Füssen! - - Sieh! hier steht »der liebesverwundete Protheus« - - Armer, verwundeter Name! Mein Busen soll dein Bette seyn, bis deine Wunde völlig ausgeheilt ist; und dieser Kuß soll das Pflaster darauf seyn - - Aber Protheus kommt zu zwey oder drey verschiednen malen; sey ruhig, lieber Wind, wehe nicht ein Wort hinweg, bis ich jeden Buchstaben wieder aufgelesen habe, meinen eignen Namen ausgenommen; den mag irgend ein Wirbelwind an einen schrofen, fürchterlichen, herabhängenden Felsen schmettern, und von da in die tobende See werfen. Schau! hier in einer Zeile steht sein Name zweymal - - »Der arme unglükliche Protheus - - Der zärtliche Protheus, an die liebenswürdige Julia«; diß will ich wegreissen; doch nein, ich will nicht. Da er's so artig mit seinen traurigen Benennungen verbunden hat: So will ich sie übereinander falten, und nun küßt euch, umarmt euch, zankt euch, thut was ihr wollt.

Lucetta kommt zurük.

Lucetta.
Gnädiges Fräulein, das Mittag-Essen ist fertig und euer Vater wartet.

Julia.
Gut, wir wollen gehen.

Lucetta.
Wie, sollen diese Papierchen hier ligen bleiben?

Julia.
Wenn dir was daran gelegen ist, so kanst du sie ja aufheben.

Lucetta.
Nein, es würde mir vielleicht eben so übel genommen, als daß ich sie hingelegt habe. Und doch sollen sie nicht so an der freyen Luft ligen bleiben, sie könnten den Schnuppen kriegen.

Julia.
Ich sehe du hast einen besondern Gelust darnach.

Lucetta.
Eu. Gnaden darf alles sagen, was sie sieht; ich sehe auch allerley, wenn ihr schon meyn't, ich blinzle.

Julia.
Kommt, kommt; beliebt es euch zu gehen?

(Sie gehen ab.)


* Ein Spiel im Original, mit dem Wort stomach. Zurück


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