Fünfte Scene.

Der Herzog zu den Vorigen.

Herzog.
Nun, Tochter Silvia, ihr seyd hier ziemlich in der Enge. Signor Valentin, euer Vater ist wohl auf: Was sagt ihr zu einem Briefe voll guter Zeitungen von euern Freunden?

Valentin.
Gnädigster Herr, ich werde sehr erfreut darüber seyn.

Herzog.
Kennt ihr den Don Antonio, euern Landsmann?

Valentin.
Ja, Gnädigster Herr, ich kenn ihn als einen Edelmann von Verdiensten und Ansehen.

Herzog.
Hat er nicht einen Sohn?

Valentin.
Ja, Gnädigster Herr, einen Sohn, der der Ehre einen solchen Vater zu haben, wol würdig ist.

Herzog.
Ihr kennt ihn also?

Valentin.
Wie mich selbst; wir haben von unsrer Kindheit an mit einander gelebt. Und ob ich gleich von mir selbst gestehen muß, daß ich ein kleiner Taugenichts war, der sich die Gelegenheit vollkommner zu werden sehr schlecht zu nuze machte; so hat hingegen Signor Protheus, (denn das ist sein Name) einen desto bessern Gebrauch von seiner Jugend gemacht; er ist zwar jung an Jahren, aber alt an Erfahrung; sein Kopf ist noch unzeitig, aber sein Verstand reif; mit einem Worte, (denn sein Werth läßt alles, was ich zu seinem Lobe sage, weit zurük,) er ist am Gemüth so vollkommen als von Person, und es fehlt ihm keine Tugend, die einen Edelmann zieren kan.

Herzog.
Wahrhaftig, Signor Valentin, wenn er hält was ihr von ihm versprecht, so ist er eben so würdig von einer Kayserin geliebt zu werden, als geschikt, der Minister eines Kaysers zu seyn. Gut, mein Herr; dieser junge Edelmann ist mit Empfehlungs-Schreiben von grossen Leuten bey mir angekommen, und gedenkt sich hier eine Zeit lang aufzuhalten. Ich denke, das ist euch keine unwillkommne Neuigkeit.

Valentin.
Wenn ich mir etwas gewünscht hätte, so wär's er gewesen.

Herzog.
So bewillkommt ihn also, wie er's verdient; Silvia, ich rede mit euch, und mit euch, Signor Thurio; denn Valentin hat nicht nöthig dazu aufgemuntert zu werden. Ich will ihn sogleich zu euch schiken.

(Der Herzog geht ab.)

Valentin.
Das ist der junge Edelmann, von dem ich Euer Gnaden sagte, daß er mit mir gekommen wäre, wenn seine Augen nicht an die schönen Blike seiner Geliebten angefesselt gewesen wären.

Silvia.
Er hat sie also izt vermuthlich in Freyheit gesezt, um sie einem andern Gegenstand zu widmen.

Valentin.
Nein, gewiß nicht; ich bin versichert, sie sind noch immer ihre Gefangne.

Silvia.
Er ist also blind, und wenn das ist, so wundert mich wie er den Weg zu euch gefunden hat.

Valentin.
O, Gnädigste Princeßin, die Liebe hat zwanzig tausend Paar Augen.

Thurio.
Man sagt, die Liebe habe gar keine Augen.

Valentin.
Für solche Liebhaber wie ihr seyd, versteht sich's.


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