Der Herzog zu den Vorigen.
Herzog.
Nun, Tochter Silvia, ihr seyd hier ziemlich in der Enge. Signor
Valentin, euer Vater ist wohl auf: Was sagt ihr zu einem Briefe
voll guter Zeitungen von euern Freunden?
Valentin.
Gnädigster Herr, ich werde sehr erfreut darüber seyn.
Herzog.
Kennt ihr den Don Antonio, euern Landsmann?
Valentin.
Ja, Gnädigster Herr, ich kenn ihn als einen Edelmann von
Verdiensten und Ansehen.
Herzog.
Hat er nicht einen Sohn?
Valentin.
Ja, Gnädigster Herr, einen Sohn, der der Ehre einen solchen
Vater zu haben, wol würdig ist.
Herzog.
Ihr kennt ihn also?
Valentin.
Wie mich selbst; wir haben von unsrer Kindheit an mit einander
gelebt. Und ob ich gleich von mir selbst gestehen muß, daß
ich ein kleiner Taugenichts war, der sich die Gelegenheit vollkommner
zu werden sehr schlecht zu nuze machte; so hat hingegen Signor
Protheus, (denn das ist sein Name) einen desto bessern Gebrauch
von seiner Jugend gemacht; er ist zwar jung an Jahren, aber alt
an Erfahrung; sein Kopf ist noch unzeitig, aber sein Verstand
reif; mit einem Worte, (denn sein Werth läßt alles,
was ich zu seinem Lobe sage, weit zurük,) er ist am Gemüth
so vollkommen als von Person, und es fehlt ihm keine Tugend, die
einen Edelmann zieren kan.
Herzog.
Wahrhaftig, Signor Valentin, wenn er hält was ihr von ihm
versprecht, so ist er eben so würdig von einer Kayserin geliebt
zu werden, als geschikt, der Minister eines Kaysers zu seyn. Gut,
mein Herr; dieser junge Edelmann ist mit Empfehlungs-Schreiben
von grossen Leuten bey mir angekommen, und gedenkt sich hier eine
Zeit lang aufzuhalten. Ich denke, das ist euch keine unwillkommne
Neuigkeit.
Valentin.
Wenn ich mir etwas gewünscht hätte, so wär's er
gewesen.
Herzog.
So bewillkommt ihn also, wie er's verdient; Silvia, ich rede mit
euch, und mit euch, Signor Thurio; denn Valentin hat nicht nöthig
dazu aufgemuntert zu werden. Ich will ihn sogleich zu euch schiken.
(Der Herzog geht ab.)
Valentin.
Das ist der junge Edelmann, von dem ich Euer Gnaden sagte, daß
er mit mir gekommen wäre, wenn seine Augen nicht an die schönen
Blike seiner Geliebten angefesselt gewesen wären.
Silvia.
Er hat sie also izt vermuthlich in Freyheit gesezt, um sie einem
andern Gegenstand zu widmen.
Valentin.
Nein, gewiß nicht; ich bin versichert, sie sind noch immer
ihre Gefangne.
Silvia.
Er ist also blind, und wenn das ist, so wundert mich wie er den
Weg zu euch gefunden hat.
Valentin.
O, Gnädigste Princeßin, die Liebe hat zwanzig tausend
Paar Augen.
Thurio.
Man sagt, die Liebe habe gar keine Augen.
Valentin.
Für solche Liebhaber wie ihr seyd, versteht sich's.