Des Herzogs Palast in Meiland.
Der Herzog, Thurio und Protheus treten auf.
Der Herzog.
Signor Thurio, ich bitte euch, entschuldiget uns für eine
Weile; wir haben von einigen besondern Angelegenheiten miteinander
zusprechen. (Thurio geht ab.) Nun saget mir Protheus, was
habt ihr anzubringen?
Protheus.
Mein Gnädigster Herr, was ich entdecken soll, befiehlt mir
das Gesez der Freundschaft zu verhehlen; allein wenn ich mir die
Gnaden-Bezeugungen zu Gemüth führe, womit ihr mich,
so unwürdig als ich bin, überhäuft habt, so treibt
mich meine Pflicht Euch etwas zu eröffnen, das sonst alle
Vortheile der ganzen Welt nicht aus mir herausziehen würden.
Wisset dann, erlauchter Fürst, daß Signor Valentin,
mein Freund, entschlossen ist, in dieser Nacht eure Tochter wegzustehlen,
und ich selbst zum Vertrauten in diesem geheimen Anschlag gemacht
worden bin. Ich weiß, daß ihr eure schöne Tochter
dem Thurio zugedacht habt, ob sie ihn gleich hasset; und daß
euerm Alter nichts empfindlicher fallen könnte, als sie auf
eine so unanständige Art zu verlieren. Ich habe also, aus
pflichtgemässem Eifer mich entschlossen, eher meinem Freund
in seinem Vorhaben hinderlich zu seyn, als durch dessen Verheelung
über euer Haupt eine Last von Kummer häuffen wollen,
die euch in ein unzeitiges Grab hätte niederdrüken können.
Herzog.
Protheus, ich danke dir für deine Redlichkeit und Sorgfalt;
alles was ich vermag, um sie zu erwiedern, soll, so lang ich lebe,
zu deinen Diensten seyn. Ich habe selbst schon oft bemerkt, daß
sie einander liebten, ob sie sich gleich einbildeten, daß
ich fest eingeschlaffen sey; und schon mehrmal bin ich im Begriff
gewesen, dem Signor Valentin ihre Gesellschaft und meinen Hof
zu verbieten: Allein, aus Furcht, mein Mißtrauen möchte
zu weit gehen, und um den Mann nicht unverdienter Weise zu beschimpfen,
(eine Hastigkeit, wovor ich mich jederzeit gehütet habe,)
gab ich ihm freundliche Blike, bis ich dasjenige selbst ausfündig
gemacht habe, was du mir izt entdekt hast. Und damit du sehen
mögest, daß der Gedanke, wie leicht die unschuldige
Jugend mißleitet werden kan, mich nicht sorglos seyn ließ,
so verschliesse ich sie des Nachts allemal in einen hohen Thurm,
wozu ich allein den Schlüssel habe; und dort kan sie unmöglich
herausgestohlen werden.
Protheus.
Wisset, Gnädigster Herr, daß sie ein Mittel gefunden
haben, wie er ihr Kammerfenster ersteigen, und sie auf einer Strikleiter
herablassen könne; er ist nun gegangen sie zu holen, und
kommt uns eben izt mit ihr in den Weg. Ihr könnt ihn auffangen,
wenn es euch beliebt; aber, ich bitte Eu. Gnaden, es auf eine
so behutsame Art zu thun, daß er nicht merken könne,
daß ich ihn verrathen habe; denn es ist meine Liebe zu euch,
nicht Haß gegen meinen Freund, was mich zu dieser Entdekung
bewogen hat.
Herzog.
Auf meine Ehre, er soll niemals erfahren von wem ich sie habe.
Protheus.
Ich entferne mich, Gnädigster Herr; Signor Valentin nähert
sich.
(Protheus geht ab.)