Valentin tritt auf.
Herzog.
Wohin so schnell, Signor Valentin?
Valentin.
Gnädigster Herr, zu einem Fremden, der im Begriff ist abzugehen,
und der Briefe an meine Freunde mitnehmen will.
Herzog.
Ist so viel an diesen Briefen gelegen?
Valentin.
Mein Wohlaufseyn, und mein glüklicher Aufenthalt an Euer
Gnaden Hof macht den ganzen Inhalt davon aus.
Herzog.
So haben sie nicht viel zu bedeuten; bleibet ein wenig bey mir,
ich muß mit euch von einer gewissen Sache reden, die mich
sehr nah' angeht, und die ich dir in geheim anvertrauen will.
Es ist dir nicht unbekannt, daß ich gewünscht habe,
meinen Freund, Signor Thurio, mit meiner Tochter zu vermählen.
Valentin.
Ich weiß es, Gnädigster Herr, und in der That die Partey
wäre reich und anständig; Thurio ist ein tugendhafter
und verdienstvoller Edelmann, und besizt alle Eigenschaften, die
ihn einer Gemahlin, wie eure schöne Tochter, würdig
machen. Kan Euer Gnaden sie dann nicht gewinnen, vorteilhaft für
ihn zu denken?
Herzog.
Nein, glaubt mir's; sie ist eigensinnig, ungefällig, stolz,
ungehorsam, unbiegsam; sie liebt mich nicht als mein Kind, und
fürchtet mich nicht als ihren Vater. Ich gestehe dir, diese
undankbare Aufführung hat ihr alle meine Liebe entzogen,
und da ich die Hoffnung aufgeben muß, in ihrer kindlichen
Zärtlichkeit das Vergnügen und den Trost meines übrigen
Lebens zu finden: So bin ich nun vollkommen entschlossen, mich
wieder zu vermählen, und sie ihrem Schiksal zu überlassen.
Ihre Schönheit mag ihr Heurath-Gut seyn, da sie auf mich
und meine Güter so wenig Achtung macht.
Valentin.
Und was will Eu. Gnaden, daß ich in dieser Sache thun soll?
Herzog.
Es ist hier in Meiland eine junge Dame, die ich liebe: allein
sie ist überaus zurükhaltend und spröde, und meine
bejahrte Beredsamkeit findt keinen Eingang in ihr Herz: ich will
dich also zu meinem Rathgeber machen, (denn es ist schon lange,
daß ich die Kunst verlernt habe, den Damen den Hof zu machen,
und zudem, so haben sich auch die Sitten und Manieren indeß
geändert,) wie und auf was Art ich es anstellen soll, um
vor ihren schönen Augen Gnade zu finden.
Valentin.
Wenn sie auf Worte nichts giebt, so suchet sie mit Geschenken
zu gewinnen; der Glanz der Juweelen hat eine Art von stummer Beredsamkeit,
die oft mehr über weibliche Herzen vermag, als die beweglichste Reden.
Herzog.
Aber sie verschmähte ein Geschenk, das ich ihr schikte.
Valentin.
Ein Frauenzimmer stellt sich oft, als ob sie verachte was ihr
am angenehmsten ist; schikt ihr ein andres, gebt die Hoffnung
niemals auf. Wenn sie sauer sieht, so geschieht es nicht weil
sie euch haßt, sondern um eure Liebe noch stärker anzufachen;
wenn sie euch wegzankt, so ist ihre Meynung nicht daß ihr
gehen sollt. Schmeichelt ihr, lobet sie, erhebt, vergrössert
ihre Reizungen; streichet sogar ihre Fehler als Tugenden heraus;
sie mögen noch so schwarz seyn, sagt, sie haben Engels-Gesichter.
Wahrhaftig, der Mann, der eine Zunge hat, ist kein Mann, wenn
er mit dieser Zunge nicht ein Weib gewinnen kan.
Herzog.
Allein die Dame, die ich meyne, ist von ihren Freunden an einen
jungen Cavalier von Verdiensten versprochen, und wird so sorgfältig
vor allen andern Mannsleuten verborgen, daß es unmöglich
ist, bey Tag Zutritt zu ihr zu erhalten.
Valentin.
So wollt' ich sehen, ob ich nicht bey Nacht zu ihr kommen könnte.
Herzog.
Aber die Thüren sind alle wol verschlossen, und die Schlüssel
werden in Verwahrung genommen.
Valentin.
Was hinderts, daß man durch ihr Fenster hinein kommen könnte?
Herzog.
Ihr Zimmer ligt sehr hoch, und die Mauer ist so beschaffen, daß
man ohne augenscheinliche Lebensgefahr nicht versuchen könnte,
hinauf zu klettern.
Valentin.
So ist eine gute Strikleiter mit einem paar eisernen Ringen hinlänglich,
den Thurm einer andern Hero zu ersteigen, wenn ein Leander da
ist, der Muth genug hat, ein Abentheuer zu wagen.
Herzog.
Das Mittel gefällt mir, Signor Valentin; ich bitte dich,
sage mir, wie ich zu einer solchen Leiter kommen kan.
Valentin.
Bis wann habt ihr sie nöthig, Gnädigster Herr?
Herzog.
Gleich diese Nacht; du weissest wol, daß die Liebe ein Kind
ist, das nicht erwarten kan bis es das hat, wornach es gelüstet.
Valentin.
Bis sieben Uhr will ich euch eine solche Leiter verschaffen.
Herzog.
Aber, hör' einmal; ich möchte allein zu ihr gehen; wie
muß ich es machen, daß ich die Leiter an Ort und Stelle
bringe?
Valentin.
Sie wird so leicht seyn, Gnädiger Herr, daß ihr sie
ganz bequem unter einem Ueberrok tragen könnt, der nur ein
wenig Länge hat.
Herzog.
Ist ein Rok wie der deinige, lang genug?
Valentin.
Ja, Gnädigster Herr.
Herzog.
So laß mich deinen Ueberrok recht besehen; ich will davor
sorgen, daß ich einen von der nemlichen Länge kriege.
Valentin.
Das ist unnöthig, Gnädigster Herr, ein jeder Ueberrok
ist lang genug dazu.
Herzog.
Wie muß ich mich dazu gebehrden, wenn ich einen Ueberrok
trage? Ich bitte dich, laß mich den deinigen probieren -
- Wie? was für ein Brief ist das? - - An Silvia - -
und hier ein Instrument, wie ich's zu meinem Vorhaben brauche?
Ich will so frey seyn, und fürs erste dieses Sigel erbrechen
- - (Er ließt den Brief.) - - Wie? was bedeutet das?
- - Silvia, diese Nacht will ich dich in Freyheit sezen: So
ist's, und hier ist die Leiter zu der Unternehmung. Wie, du Phaeton,
du willst dich anmassen, den himmlischen Wagen zu regieren, um
durch deine Tollkühnheit die Welt in Flammen zu sezen? Willt
du die Sterne erreichen, weil sie dich anscheinen? Geh, niederträchtiger
Verführer! schmeichlerischer Sclave! Geh, bringe deine liebkosende
Künste bey deines gleichen an; und schreib es meiner Geduld,
nicht deinem Verdienst zu, daß du unbestraft von hinnen
kommst: Diese lezte Gnade überwiegt alle andern, die ich
an dich verschwendet habe. Aber wenn du dich länger in unsern
Gebieten verweilest, als nöthig ist, um mit schleunigster
Eil unsern fürstlichen Hof zu verlassen; beym Himmel, so
soll mein Grimm weit über die Liebe gehen, die ich jemals
zu meiner Tochter oder dir selbst getragen habe. Geh, ich will
keine kahle Entschuldigung anhören; mache, so lieb dir dein
Leben ist, daß du bald von hinnen kommst.
(Der Herzog geht ab.)