Achte Scene.

Julia.
Wie wenige Weibsbilder würden einen solchen Auftrag ausrichten? Armer Protheus! du hast einen Fuchs zum Hirten für deine Lämmer gedingt. Aber du, noch ärmere Thörin, warum bedaurst du den, der dich so herzlich verachtet? Er verachtet mich, weil er sie liebt; und weil ich ihn liebe, muß ich ihn bedauren. Diesen Ring gab ich ihm beym Abschied zum Angedenken meiner Zärtlichkeit: Und nun bin ich abgeschikt, um etwas anzuhalten, das ich nicht zu erhalten wünsche; etwas anzubieten, das ich ausgeschlagen sehen möchte; und die Treue desjenigen anzupreisen, von dessen Untreue ich selbst ein trauriges Opfer bin. Ich bin meines Herrn getreue und standhafte Liebhaberin, aber ich kan nicht sein getreuer Diener seyn, wofern ich nicht an mir selbst zum Verräther werden will. Und doch will ich ihm das Beste bey seiner Geliebten reden; aber so kalt als ich, der Himmel weiß es, wünsche, daß er keinen Eingang finde.

Silvia tritt auf.

Guten Tag, Fräulein; ich bitte euch, seyd so gut und verschafft mir Gelegenheit, mit Donna Silvia zu sprechen.

Silvia.
Was wolltet ihr von ihr; wenn ich's wäre?

Julia.
Wenn ihr's seyd, so bitte ich euch um Geduld den Auftrag zu hören, womit man mich an euch geschikt hat.

Silvia.
Wer schikte euch?

Julia.
Mein Herr, Signor Protheus, Madam.

Silvia.
O! er schikt euch um ein Bildniß, nicht wahr?

Julia.
Ja, Madam.

Silvia.
Ursula, hole mein Bildniß - - Geh, gieb diß deinem Herrn, und sag' ihm in meinem Namen, eine gewisse Julia, die sein unbeständiges Herz vergessen habe, würde sein Zimmer besser zieren als dieser Schatten.

Julia.
Madam, wollt ihr die Gnade haben und diesen Brief lesen? - - Ich bitte um Vergebung, Madam, ich gab euch aus Versehen ein Papier, das ihr nicht sehen solltet, hier ist der Brief an Euer Gnaden.

Silvia.
Ich bitte dich, laß mich den andern noch einmal ansehen.

Julia.
Es kan nicht seyn: ich bitte um Verzeihung.

Silvia.
Hier nimm diß zurük; ich will deines Herrn Zeilen nicht ansehen: ich weiß, sie sind mit Versicherungen und Schwüren vollgestopft, die er eben so leicht wieder brechen wird, als ich dieses Papier zerreisse.

Julia.
Madam, er schikt Eu. Gnaden diesen Ring.

Silvia.
Desto mehr Schande für ihn, daß er ihn mir schikt; denn ich hab ihn wol tausendmal sagen gehört, daß er ihn von seiner Julia beym Abschied bekommen habe: Wenn gleich sein treuloser Finger diesen Ring von sich gelassen hat, so soll doch der meinige Julien kein solches Unrecht thun.

Julia.
Sie dankt euch.

Silvia.
Was sagst du?

Julia.
Ich danke euch, Madam, daß ihr so geneigt für sie gesinnet seyd. Das arme Mädchen! Mein Herr handelt sehr übel an ihr!

Silvia.
Kennst du sie dann?

Julia.
So gut als mich selbst. Ich kan wol sagen, daß ich wol hundertmal schon geweint habe, wenn ich an ihren Kummer dachte.

Silvia.
Sie denkt vermuthlich, Signor Protheus habe sie vergessen?

Julia.
Ich denke, sie thut's, und das ist die Ursach ihres Kummers.

Silvia.
Ist sie nicht überaus schön?

Julia.
Sie ist schöner gewesen als sie ist, Madam: Als sie noch Ursach hatte zu glauben daß mein Herr sie liebe, war sie, meines Bedunkens, so schön als ihr selbst. Aber seitdem sie ihren Spiegel vernachläßiget, und ihren Sonnenschirmenden Schleyer weggeworfen, hat die Luft die Rosen auf ihren Wangen welk gemacht, und die Lilien-Farbe ihres Gesichts geschwärzt, daß sie nun so braun worden ist, als ich.

Silvia.
Wie groß war sie?

Julia.
Von meiner Länge; denn an Pfingsten, einer Zeit da alle Arten von öffentlichen Lustbarkeiten bey uns herrschen, mußte ich in einem Schauspiel ein Frauenzimmer vorstellen, und wurde in einen Anzug von Fräulein Julia gekleidet, der mir, nach jedermanns Urtheil, so vollkommen paßte, als ob das Kleid für mich gemacht worden wäre; daher weiß ich, daß sie von meiner Länge ist. Ich machte sie damals recht herzlich weinen, denn ich spielte eine gar klägliche Rolle, Madam. Ich stellte Ariadne vor, wie sie über die Untreue und heimliche Flucht des Theseus jammert; und meine eigne Thränen machten den Ausdruk meiner Vorstellung so lebhaft, und das gute Fräulein wurde so davon gerührt, daß sie bitterlich weinte; und ich will des Todes seyn, wenn ich nicht ihren ganzen Schmerz in Gedanken fühlte!

Silvia.
Sie ist dir verpflichtet, artiger Jüngling. Das arme, verlaßne Fräulein! Wie sehr bedaur' ich sie! Ich muß selbst weinen, wenn ich deinen Worten nachdenke. Hier ist mein Beutel, junger Mensch; ich geb' ihn dir, um die Liebe zu belohnen, die du zu deiner liebenswürdigen Fräulein trägst. Lebe wohl.

(Silvia geht ab.)

Julia.
Und sie soll euch davor danken, wenn ihr sie jemals kennen lernt. Eine tugendhafte Dame! wie mild und gütig sie ist! Ich hoffe meines Herrn Gesuch wird wenig Gehör finden, da sie so viel Antheil an Juliens Liebe nimmt - - Hier ist ihr Gemählde; laß mich's sehen; ich denke wenn ich so gemahlt würde, mein Gesicht sollte wol so liebenswürdig herauskommen als das ihrige: Und doch hat ihr der Mahler ein wenig geschmeichelt, wenn ich anders mir selbst nicht zuviel schmeichle. Ihr Haar ist dunkelbraun, meines ist vollkommen gelb. Wenn nur das die Ursach seiner Veränderung ist, so will ich mir bald einen Aufsaz von dieser Farbe angeschaft haben. Ja; aber ihre Stirne ist niedrig, und meine ist hoch. Ich kan nicht sehen, was er schönes an ihr sieht, daß er nicht auch bey mir finden könnte, wenn Amor nicht blind wäre. Nun, komm, du Bildniß, ich muß dich schon tragen, ob du gleich meine Nebenbuhlerin bist. O du leblose Gestalt, du wirst mit Enzüken angeschaut, geküßt, geliebt, und angebetet werden; und hättest du ein Gefühl von seiner Abgötterey, ich wünschte an deiner statt zum Bilde zu werden. Ich will dir so gut begegnen, als dein Urbild mir begegnet ist; wenn mich das nicht abhielte, beym Jupiter, ich wollte dir deine gefühllosen Augen ausgekrazt haben, um zu verhintern, daß mein Herr sich nicht in dich verlieben könne.

(Sie geht ab.)


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