Erster Gesang

Inhalt des ganzen Gedichts: Ackerbau, Baumpflanzung, Viehzucht, Bienenpflege. 1. Anrufung der Götter 5, und Cäsars 24 bis 42. Erster Gesang, vom Ackerbau. I. Geschäfte vor der Saat. a) Anfang des Pflügens im Frühling 43, manchmal schon im vorigen Herbst 47, auf leichtem Lande erst im Spätsommer 67. b) Stärkung des Landes, durch Ruhe 71, veränderte Saat 73, Dünger 79, Anzünden der Stoppeln 84. c) Sorgfältige Auflockerung: indem man Schollen zerschlägt 94, eggt 95, das zweitemal quer pflügt 98, und häufig 99. II. Nach der Saat. a) Dienliche Witterung 100. b) Zermalmung der Schollen 104. c) Wässern 106. d) Abweiden 111. e) Austrocknen 113. f) Vorkehrungen gegen die Plagen, welche Jupiter, den empfindsamen Geist zu schärfen, auf die goldene Zeit folgen ließ: Raubvögel, Unkraut, Beschattung, Rost, Dürre 118 bis 159. III. Erfordernisse für beiderlei Geschäfte. a) Feldgerät 160, besonders der Pflug 169. b) Tenne 176. c) Anzeige der Fruchtbarkeit 187. d) Einweichung des Samens 193, und jährliche Auswahl 197 bis 203. IV. Beobachtung der Zeiten 204. a) Saatzeit 208. b) Sonnenlauf und Sphäre 231, Zonen 233, Pole 240, Nutzen für den Landmann 252. c) Geschäfte, wenn es regnet 257. d) An Festtagen 268. e) An verschiedenen Tagen des Monats 276. f) Bei Nacht 287: Sommernacht 289, Winternacht 291. g) Bei Tage: Sommertag 297, Wintertag 299 bis 310. V. Witterung und Sicherheit dagegen. a) Gefährlich im Herbst und Frühling 311, selbst im Sommer Sturm 316, Platzregen 322, Donner 328. b) Dagegen Aufmerksamkeit auf den Stand der Planeten im Tierkreise 335. c) Verehrung der Götter am Ceresfest im Frühling 338, und vor der Ernte 347. d) Wetterzeichen überhaupt 351, des Windes 356, des Regens 370, des klaren Wetters 393. e) Wetterzeichen am Monde 424, f) an der Sonne 438. g) Unglückszeichen der Sonne nach Julius Cäsars Tod 464, noch andere Vorzeichen 469, folgender Bürgerkrieg 489, Gebet für Cäsar Oktavianus 498 bis 514.

Was mit Gedeihen Saatfeld erfreut, und welches Gestirn uns
Pflügen das Land, o Mäcenas, und hoch an die Ulme den Weinstock
Fügen heißt, was Rindern an Pfleg', und welcherlei Wartung
Schafen gebührt, wie erfahrner Betrieb den wirtlichen Bienen,

5  Hiervon rede mein Lied. Ihr stahlenden Lichter des Weltalls,
Die ihr in gleitendem Zuge da Jahr umlenket am Himmel;
Liber und nährende Ceres, wofern, euch dankend, die Erde
Gegen den fruchtbaren Halm Chaonias Eichel1) vertauscht hat
Und mit erfundener Traub' acheloische2)Becher gewürzet;
10  Auch ihr, nähere Mächte der Landbewohner, o Faune3),
Hebet zugleich, ihr Faune, den Fuß, und dryadische Jungfrau'n;
Eure Geschenke besing' ich. O du, dem die Erde das erste
Brausende Roß ausrang, durchbebt vom gewaltigen Dreizack,
Komm, Neptunus; und Pfleger der Waldungen, dem dreihundert
15  Schneeige Stier' abweiden die fruchtbaren Büsche von Cea4).
Selbst auch den heimischen Wald und Lycäus' Windungen lassend,
Pan, o Hüter der Schafe, wenn dir dein Mänalus wert ist,
Komm, tegäischer5) Gott, huldreich; und Minerva, des Ölbaums
Schöpferin; komm auch, Jüngling6), des hakigen Pfluges Erfinder;
20  Und in der Hand, Silvanus, die junge Zypress' aus der Wurzel.
Götter und Göttinnen alle, der Flur wohltätige Schirmer,
Die ihr neue Gewächs' ohn' jeglichen Samen erziehet
Und auf gesäete reichlich den himmlischen Regen herabgießt.
Dann auch du, den bald, nicht wissen wir, welche Versammlung
25  Waltender Götter besitzt; ob Städt' anordnen, o Cäsar,
Dir und Länderbesorgung gefällt, und der räumige Weltkreis
Als Urheber der Frücht' und der Witterungen Gebieter
Dich empfängt, um die Schläfe der Ahnin Myrte7) dir schlingend;
Ob du dem Meer ein Gott, dem unendlichen, kommst, und die Schiffer
30  Deine Gewalt nur erhöhn, die äußerste Thule8) dir dienet,
Und dich zum Eidam Tethys erkauft mit allen Gewässern;
Ob du ein neues Gestirn, den langsamen Monden dich anschließ'st9),
Dort wo Erigone weit den folgenden Scheren vorangeht:
Schau, wie er selbst, dir weichend, die Klaun einzieht, der entbrannte
35  Skorpion, und mehr als du bedarfst am Himmel dir Raum läßt.
Was du auch wirst: (denn dich hoffe der Tartarus weder zum König,
Noch entflamme dich so graunvolle Begierde der Herrschaft;
Wenn gleich Griechengesang die elysischen Fluren bewundert,
Und, nicht achtend der Mutter, Proserpina willig zurückbleibt:)
40  Schenke mir glücklichen Lauf, wink' Heil dem kühnen Beginnen;
Und mit mir dich erbarmend des pfadlos irrenden Landmanns,
Wandle voran, schon jetzt an Gelübd' und Flehn dich gewöhnend.

Früh im Lenz10), wenn dem grauen Gebirg' die erfrorene Nässe
Niederschmilzt, und dem Weste die lockere Scholle sich auflöst;

45  Dann arbeite mir schon11) vor dem tief eindringenden Pfluge
Keuchend der Stier, und es blinke die Schar in die Furche gescheuert.
Jene Saat vollendet sogar des geizigen Landmanns
Wünsche, die zweimal Sonn' und zweimal Kälte empfunden;
Ihm bricht unter der Last unendlicher Ernte der Speicher.
50  Doch nicht spalte mit Eisen ein unbekanntes Gefilde,
Eh' du die Wind' achtsam und die ändernde Weise des Himmels
Auslernst, auch die geerbte Natur und Pflege der Örter:
Was dir jeglicher Boden gewährt, was jeglicher weigert.
Hier steigt üppig die Saat, dort heben sich schwellende Trauben,
55  Anderswo prangt Baumfrucht, dort grünt ungeheißen die Grasung.
Schauest du nicht, dir sendet des Safrans Düfte der Tmolus12),
Indien Elfenbein, und den Weihrauch weiche Sabäer13),
Nackende Chalyber14) zollen dir Stahl, und Pontus des Bibers
Giftiges Geil'15), und Epirus die Palmzweig' elischer Stuten16)?
60  Diese Gesetze sogleich, dies ewig bestehende Bündnis,
Ordnete schon die Natur den Gegenden, als in die öde
Welt Deucalion Steine zuerst ausstreute, daß Menschen
Wurden, das harte Geschlecht. Wohlan denn, ist dem Gefilde
Fett der Grund, ungesäumt von den frühesten Monden des Jahres
65  Kehre mit kräftigen Stieren es um, daß die liegenden Schollen
Ganz der staubige Sommer durchkoch' in reifer Besonnung.
Doch wenn's fehlet dem Land' an Fruchtbarkeit, mag es genug sein,
Gegen Arkturus Aufgang mit schonendere Furche zu lockern:
Dort, daß dem fröhlichen Korn nicht schad' aufwucherndes Unkraut,
70  Hier, daß dem mageren Sande nicht schwinde die wenige Nässe.

Gib im Wechsel der Jahr' auch Frist den gemäheten Brachen,
Daß die ermüdete Flur durch Ausruhn Härte gewinne17).
Oder sä' bei andrem Gestirn dort gelblichen Dinkel,
Wo du die Hülsenfrucht, die in rasselnder Schote sich freuet,

75  Oder schmächtiger Wicken Ertrag und der herben Lupine
Brechliche Stengel zuvor aufhobst und rauschende Waldung.
Denn es versengt Leinsaat die Gefild', es versengt sie der Hafer.
Auch auszehrender Mohn, getränkt mit lethäischem Schlummer18).
Dennoch wird beim Wechsel die Arbeit leichter, wofern du
80  Nur das entkräftete Feld unverdrossen mit stärkendem Dünger
Sättigest oder die Öde mit schmutziger Asche bestreuest19).
Also ruhet dir selbst bei verändertem Anbau das Feld aus,
Nicht undankbar indes bleibt so unbepflügetes Brachland.

Oftmals machte die Flamm' unfruchtbare Felder ergiebig,

85  Wenn du die nichtige Stoppel in prasselnder Lohe verbranntest:
Sei's weil heimliche Kraft dorther und markige Nahrung
Lechzend die Flur einsaugt, sei's weil in der kochenden Glut ihr
Alles Böse verdampft und die schädliche Feuchtigkeit ausschwitzt;
Oder auch mehr Zugänge die Hitz' und verborgene Luftzüg'
90  Öffnet, wodurch eindringe der Saft in die jungen Gewächse,
Oder mit härtender Macht anzieht die klaffenden Adern,
Daß einschleichender Regen sie nicht und der heftigen Sonne
Übergewalt, noch des Nords durchdringender Frost sie versenge.

Viel auch nützet der Flur, wer die zähen Schollen mit Karsten

95  Malmt und weidene Flechten20) umherschleift: nicht unbelohnend
Pflegt ihn Ceres die blonde zu schaun vom hohen Olympus;
Auch wer des Brachgefildes emporgeworfene Rücken
Wiederum querüber die Pflugschar wendend zerwühlet,
Häufig die Erd' aufregt und Gewalt ausübt an den Feldern.

100 

Regnige Sommertag' und heitere Winter erfleht euch,
Ackerer: fröhlich ist des Winterstaubes der Dinkel,
Fröhlich die Flur. Nicht schafft's Anbau, daß Mysien also
Prangt und Gargara21) selbst die eigenen Ernten bewundert.

Doch wie gedenk' ich sein, der das Feld nach gestreueten Samen

105  Nahe verfolgt und die Haufen zerschlägt des zu fettigen Erdreichs,
Dann in die Saaten den Fluß einlenkt22) und die folgenden Bäche;
Und, wenn in Glut der Acker mit sterbenden Pflanzen verschmachtet,
Siehe, daher von der Stirne des hügligen Pfades den Bergquell
Lockt? sein Gesprudel ergießt dumpfrauschend sich über die glatten
110  Kiesel herab und tränkt die durstigen Felder mit Labsal.
Wohl auch, denn du, damit von Ähren belastet der Halm nicht
Falle, sobald zur Furch' aufsteigen die Saaten, im zarten
Kraute das üppige Korn abweidest23). Und wenn du des Sumpfes
Faules gesammeltes Naß ableitest24) aus schlüpfrigem Sande:
115  Wenn in den trüglichen Monden zumal wild über die Ufer
Flutet der Strom und alles umher mit Schlamme bedeckt hält,
Daß die niedrigen Lachen von gärender Feuchtigkeit dünsten.

Doch wie mühsame Fleiß der Menschen und Stier' auch die Erde
Wendete, droht nicht minder strymonischer Kraniche Raubsucht,

120  Und gefräßige Gäns'25); auch bittre Zichorienfasern
Stören den Wuchs, und Schatten verdumpft. Selbst wollte der Vater
Nicht zu leicht der Gefild' Anbau, durch Mühe der Kunst erst
Regt' er die Flur, mit Sorgen den Geist der Sterblichen schärfend,
Daß nicht starrte sein Reich26) in schwer hinbrütendem Schlummer.

125 

Nie vor Jupiter27) bauten der Ackerer Hände die Felder,
Auch nicht Mal noch Teilung durchschnitt die große Gemeinschaft;
Alle erwarben für alle zugleich; und die Erde, da niemand
Forderte, strebte von selbst, willfähriger alles zu tragen.
Jener verlieh Giftgeifer den schwarz aufschwellenden Schlangen,

130  Sandte die hungrigen Wölfe zum Raub und regte das Meer auf,
Schüttelt' ihr Honig den Zweigen herab und entrückte das Feuer,
Auch die Bäche des Weins, die umher sich schlängelten, hemmt' er:
Daß der Gebrauch nachsinnend die mancherlei Künste hervorzwäng'
Allgemach, und in Furchen den Halm des Getreides erzeugte,
135  Auch, wo im Kieselgeäder es ruht, ausschlüge das Feuer.
Jetzo fühlte zuerst der Strom die gehöhleten Erlen;
Jetzo gab dem Gestirn der Steuerer Zahl und Benennung,
Merkend Plejad' und Hyad' und die strahlende Bärin Lykaons28).
Jetzo lau'rte die Schling' auf das Wild und die Rute mit zähem
140  Vogelleim; es drohten die Hund' um das große Gebirgstal.
Dort nun fuhr in die Tiefe des breiten Stromes das Wurfnetz
Rauschend hinab, dort schwebt in dem Meer das triefende Zuggarn.
Jetzo starrte das Eisen, es klang die gezogene Säge;
Denn sonst pflegte der Keil den klüftigen Stamm zu zerspalten.
145  Jetzo kamen die Künst' und Erfindungen. Alles besieget
Unablässiger Fleiß, und die Not des drückenden Mangels.

Ceres zuerst hat mit Eisen das Land zu kehren die Völker
Angeführt, da bereits Hagäpfel und nährende Eicheln
Fehlten im heiligen Wald, und Kost Dodona versagte.

150  Bald auch rang das Getreide mit Kümmernis: daß an den Halmen
Nagte der tückische Rost29) und träge aufstarrt in den Äckern
Distelgewächs: hinschwindet die Saat, rauh steiget ein Dickicht,
Kletten und Burzeldorn, und durch schönprangendes Bauland
Herrscht unseliger Lolch und ein Schwarm des verwilderten Hafers.
155  Wenn nicht immer die Flur von jätender Hacke verfolgt wird,
Nicht ein Geräusch die Vögel verscheucht, und des dumpfigen Feldes
Schatten die Hippe bezähmt, und Gelübd' herrufen den Regen;
Ach, dann schaust du umsonst auf den großen Haufen des Nachbars,
Und an geschüttelter Eich' in den Waldungen stillst du den Hunger.

160 

Auch die Gerätschaft lerne des abgehärteten Landmanns,
Ohne die weder gesät sein kann, noch gedeihen die Ernte.
Erst des gebogenen Pflugs Kernholz und schneidende Pflugschar,
Auch schwerrollende Wagen30) der eleusinischen Mutter,
Schleifen und Dreschgestell' und die Last unmäßiger Karste;

165  Dann, aus Reisig gewebt, des Celëus ärmlicher Hausrat31),
Flechten vom Erdbeerbaum, und die mystische Wanne32) des Bacchus;
Was du alles zuvor mit Bedacht einrichtend bereit hältst,
Wenn dich würdiger Ruhm des göttlichen Feldes erwartet.

Frühe mit Kraft im Walde gebändiget, schmiegt sich zum Krümmel

170  Schon die Ulm' und erhält die Gestalt des gebogenen Pfluges.
Ihr an den Stamm wird die Deichsel, die vorn acht Fuß lang sich ausstreckt,
Auch zwei Ohren gefügt und mit doppeltem Rücken der Scharbaum.
Früh auch haut man zum Joche die leichte Lind' und die hohe
Buche zum Sterz', um hinten die unteren Räder zu lenken;
175  Hängt dann über den Herd dem probenden Rauche die Hölzer.

Manches Gebot noch kann ich aus älteren Zeiten dir kundtun,
Fliehest du nicht, dein Ohr den niedrigen Sorgen versagend.

Auf, dir die Tenne33) zuerst mit mächtiger Walze geebnet
Und mit knetender Hand aus zähem Tone gehärtet;

180  Daß nicht sprosse das Gras noch vom Staube besiegt sie zerlechze,
Dann vielfaches Verderb sie bedroh': ein winziges Mäuslein
Baut' oft unter der Erde das Haus und bauete Speicher;
Oder es schaufelte blinzelnd umher sein Lager der Maulwurf34);
Oft auch lauert die Kröt' in der Kluft, und was sonst noch an Scheusal
185  Häufig die Erde gebiert, es praßt der verheerende Wiebel
Durch das Getreid', und, besorgt um ihr darbendes Alter, die Ameis.

Aufmerksam auch schau, wann der Mandelbaum in den Wäldern
Häufig in Blüte sich hüllt und duftende Zweige herabsenkt:
Wenn obsieget die Frucht, dann folgt fruchtreiches Getreid' auch,

190  Und viel Arbeit kommt mit vielem Schweiße den Dreschern;
Wenn mit üppigem Laube jedoch vorwaltet die Schattung,
Eitel zermalmt die an Spreu nur ergiebigen Halme die Tenne.

Oftmals sah ich den Samen gestärkt durch Künste des Säers,
Und zuvor mit Salpeter getränkt und schwärzlichem Ölschaum,

195  Daß von größerer Frucht die täuschende Schote sich füllte,
Und auch an mäßigem Feuer erwämt doch schneller erweichte.
Selbst die gewähltere Saat, mit Arbeit lange gemustert,
Sah ich dennoch entarten, wenn menschliche Mühe nicht jährlich
Größeres nur mit der Hand auslas. So stürzt durch das Schicksal
200  Alles zu Schlimmerem fort und rückwärtsgleitend versinkt es.
Wie wenn jemand gegen den Strom sein Boot mit den Rudern
Kaum hinaufarbeitet, und, sinken ihm etwa die Arme,
Ungestüm ihn entrafft in reißenden Sturz das Gewässer.

Ferner gebührt auch uns des Arkturs35) Aufgänge so achtsam

205  Samt den Böckleintagen zu spähn und die leuchtende Schlange,
Wie dem, der, heimfahrend durch brausende Fluten, des Pontus
Schrecken versucht und die Schlünde des austerreichen Abydus36).

Wenn mit dem Tage die Wag'37) ausgleichet die Stunden des Schlafes
Und in der Mitte verteilet für Licht und Dunkel den Erdkreis,

210  Übt, o Männer, die Stiere sodann, streut Gerst' in die Eb'nen
Bis zum äußersten Regen des unwirtschaftlichen Winters.
Auch den Samen des Leins und den Mohn der Herrscherin Ceres
Eile zu decken mit Erd'; und sogleich nun dränge die Pflugschar,
Weil es der trockene Boden vergönnt, und die Wolken noch hängen.
215  Bohnen im Lenze gesät; dich, medischer Klee38), auch empfängt
Dann die gelockerte Furch', und es kommt der Hirse Bestellung,
Wenn der schimmernde Stier das Jahr mit goldenen Hörnern
Öffnet, und weichend der Hund39) dem drohenden Sterne hinabsinkt.
Wo du zur Weizenernte jedoch und kräftigem Dinkel
220  Durcharbeitest die Flur und allein um Ähren bemüht bist,
Laß zuvor in der Frühe die Atlantiden sich bergen,
Und den gnosischen Stern hinfliehen der funkelnden Krone,
Eh' du den Furchen vertraust die schuldigen Samen und eh' du
Hastig der Erde mit Zwang aufdringst die Hoffnung des Jahres.
225  Mancher begann, eh' nieder sich Maja40) senkte; doch diesen
Trog die erwartete Saat, mit nichtigem Hafer ihn täuschend.
Aber gefällt dir's, Wicken zu baun und gewöhnliche Bohnen,
Und mißachtest du nicht pelusischer Linsen41) Erziehung;
Nicht undeutlich ermahnt dich der Untergang des Bootes42):
230  Dann beginn und dehne die Saat in die Mitte der Frostzeit.

Darum lenkt den in Teile genau zergliederten Umlauf
Durch zwölf Sterne daher die goldene Sonne des Äthers43).
Fünf sind Zonen am Himmel gestreift: die eine beständig
Rot im Schimmer der Sonn' und gedörrt von ewigem Feuer.

235  Rechts am äußersten End' und links hinziehen sich kreisend
Zwei von bläulichem Eis' erstarrt und finsterem Regen.
Zwischen dort und der Mitte beschied mühseligen Menschen
Zwei der Unsterblichen Huld; und ein Pfad durchschlängelt sie beide,
Wo sich schräg die Folge der Himmelszeichen herumdreht.
240  Wie nach Scythia hin und dem steilen Rhipäus die Welt hoch
Aufsteigt44), sinket sie dort zu Libyas Sand und dem Südwind.
Dieser Pol ragt stets ob dem Haupt uns; jenen erblicket
Unter dem Fuß die umnachtete Styx und die Geister der Tiefe45).
Hier umschlingt weitkreisend der mächtigen Schlange Gewind' ihn
245  Ringsumher, wie ein Strom die Bärinnen beide durchschlüpfend,
Bärinnen, die stets scheu vor Oceanus' Fluten zurückfliehn46).
Dort, wie die Sag' uns meldet, verstummt entweder des Grauns Nacht
Ewig, und schwarz rings starret der Nacht einhüllendes Dunkel:
Oder es kehrt Aurora von uns und führet den Tag hin;
250  Und wenn uns der Morgen mit schnaubendem Sonnengespann haucht,
Rötet sich dort aufglühend in spätem Lichte der Abend.
Hieraus die Wechsel der Luft am schwankenden Himmel vorherschaun
Können wir, hieraus die Tage der Ernt' und die Zeiten des Säens;
Wann es gebührt, mit dem Ruder des Meers treuloses Gewässer
255  Umzudrehn und vom Strande gerüstete Flotten zu wälzen,
Oder die zeitige Ficht' in den Waldungen niederzuschmettern.


  1. Chaonien, eine Landschaft im nordwestlichen Epirus, war durch seine heiligen Eichenhaine berühmt. – Ehe Ceres den Menschen ihre Gaben verlieh, lebten sie von Eicheln. Zurück
     
  2. Das Wasser des ätolischen Grenzflusses Achelous steht für Wasser überhaupt. Es war bekanntlich Sitte bei den Alten, den Wein nur mit Wasser vermischt zu trinken. Zurück
     
  3. Die Faune sind italische Waldgötter, Dryaden Baumnymphen. Zurück
     
  4. Eine der bedeutendsten zykladischen Inseln des Ägäischen Meeres. Zurück
     
  5. So heißt Pan von Tegea, einer Stadt Arkadiens, weil er dort besonders verehrt wurde. Zurück
     
  6. Triptolemos, der attische Heros, Sohn des Keleos, soll durch Demeter Verbreiter des Ackerbaus geworden sein. Zurück
     
  7. Die Myrte ist der Venus, der Stammutter des julischen Geschlechtes, geweiht. Zurück
     
  8. Thule, eine durch Pytheas von Massalia um 330 v. Chr. entdeckte Insel im nördlichen Ozean, angeblich schon unter dem Polarkreis gelegen, sechs Tagefahrten von den Orkaden entfernt. Sie galt für den nördlichsten Punkt der bekannten Erde. Sie ist wohl mit Mainland, der größten Insel der Shetland-Gruppe, zu identifizieren und ist von den Orkneys aus sichtbar. Zurück
     
  9. Zwischen dem Skorpion und der Jungfrau weist der Dichter Oktavian seinen Platz an, den später die Wage als Sternbild erhielt. In der Anweisung dieses Platzes neben der als Asträa (Virgo, Jungfrau) versetzten Justitia (Gerechtigkeit) kann man eine Anspielung auf die Gerechtigkeit des Augustus finden, die zu verherrlichen Vergil besondere Veranlassung hatte. Zurück
     
  10. Der Frühling begann bei den Römern mit dem Wehen des Zephirus (Favonius) ungefähr Mitte Februar und dauerte bis Mitte Mai. Mit dem Pflügen begann man mit dem Eintritt milderer Witterung, bisweilen schon Mitte Januar. Zurück
     
  11. Mit dem Pflügen wartet der Landmann nicht, bis die volle Frühlingswärme ständig ist. Die richtige Zeit für das Pflügen hängt von dem Feuchtigkeitszustand des zu bearbeitenden Bodens ab. Er solle jene Feuchte besitzen, bei der er den geringsten Zusammenhalt hat und dem Eindringen des Pfluges den wenigsten Widerstand entgegensetzt: Der Boden soll »abgetrocknet« sein. Beim Feuchtpflügen kleben die Furchenstreifen, ohne gekrümelt zu werden, zusammen; nach ihrem Austrocknen bilden sie harte Schollen, die sich nur schwer zerkleinern lassen; aus feuchtem Boden kann das Unkraut nicht herausgebracht werden. Zurück
     
  12. Ein Berg in Lydien bei Sardes (heute Bosdag), reich an Wein und Safran. Der Safran (crocum) war gleich gesucht als Gewürz- wie als Farbpflanze. Zurück
     
  13. Ein bedeutendes Handelsvolk in Arabien, deren an der Küste glühendheißes und ödes Land im Innern gut bewässert und reich an Edelsteinen, Zimt, Myrrhe, Balsam und besonders Weihrauch war. Mit diesen Produkten trieben sie einen lebhaften Handel nach Ägypten, Syrien und Mesopotamien, wie nach Ostafrika und Indien. Wie alle Morgenländer galten sie als weichlich. Zurück
     
  14. Ein rohes, besonders vom Fischfang und Bergbau lebendes Volk im östlichen Pontus, an der Grenze von Armenien. Sie galten als die Erfinder der Bearbeitung des Erzes. Zurück
     
  15. Das in einer Drüse des Bibers abgesonderte Bibergeil ist ein wirksames Heilmittel, das besonders krampfstillende Kraft hat. Die Alten gaben es als ein förmliches Universalmittel aus, denn es existiert kaum eine Krankheit, die sie nicht mit Bibergeil heilen zu können wähnten. Zurück
     
  16. Die Pferde aus Epirus sind der »Preis aller Pferde«, d. h. die vorzüglichsten, welche bei den Olympischen Spielen in Elis bei den Wettkämpfen rennen. Zurück
     
  17. Durch die Brache wird der Boden fest, hart, ruht aus, indem er nicht umgeackert wird; oder aber (V. 73), wenn man den Acker nicht brach liegen lassen will, so wechselt man mit der Saat, so daß auf die schwerere die leichtere folgt, welche weniger den Boden aussaugt, wie Spelt oder Dinkel, die leichteste von den Getreidearten, oder Hülsenfrüchte, wie Lein, Mohn, Hafer. Zurück
     
  18. Der weiße Mohn wurde geröstet und mit Honig zum Nachtisch aufgestellt, aus dem schwarzen wurde der betäubende, dem Opium ähnliche Trank gemacht. Zurück
     
  19. Die Asche wurde vielfältig als Düngemittel vorgezogen. Das beste Düngemittel aber ist und bleibt der Stallmist, der auch durch die besten Handelsdünger nicht ersetzt werden kann. Die Düngung mit Holzasche wird bei uns wohl nur in Forstgärten angewendet. Zur Düngung wie zur Verbesserung und Abhärtung des Ackers verbrannte man auch die Stoppel (V. 85), welche man oft bis zur Hälfte des Halms, oft bis dicht an die Ähre stehenließ. Dadurch gewann der magerer Boden Nahrungssaft, der sumpfige verlor die übermäßige Nässe, der zähe öffnete sich mehr und der lockere zog sich zusammen. Zurück
     
  20. Das Weidengeflecht diente als Egge. Zurück
     
  21. Südlicher Vorsprung des quellenreichen Idagebirges in Mysien, dessen fruchtbare Umgegend sprichwörtlich war. Zurück
     
  22. Wie bei uns die Wiesen, so wurden in Italien auch die Äcker und abschüssig liegenden Gärten bewässert. Zurück
     
  23. Damit in dem fetten Boden der erste Trieb der jungen Saat nicht zu rasch in hohe Halme aufschieße, ließ man die Saat abweiden. Auch bei uns stört man stark im Kraut entwickelte Pflanzen, wenn sie wegen mangelnder Belichtung leicht zum Lagern neigen, im Wachstum durch vorsichtiges, oberflächliches Schröpfen oder Serben mit der Sense oder durch ein leichtes, oberflächliches Abschneiden. Zurück
     
  24. Sumpfiges Wasser, das sich im Ackerland ansammelt, wird (durch eigens gezogene Gräben) abgeleitet aus dem Boden, der, sei es wegen der Beschaffenheit des Grundes oder der Lage des Ackers, gar zu gern die Feuchtigkeit aufnimmt. Zur Aufnahme dieses Wassers dienten eigens angefertigte Gruben oder Gräben. Zurück
     
  25. Hierunter ist natürlich nicht die zahme Gans (anser domesticus) zu verstehen, sondern die Saat- oder Wildgans (anser segetum), die sich ihre Nahrung auf frisch besäten Feldern, namentlich auf der grünen Saat sucht und dadurch großen Schaden auf den Feldern anrichtet. – Auch der Kranich (grus cinera) ist dadurch schädlich, daß er die Blättchen des jungen Getreides, frisch gesäte oder keimende Getreidekörner u. dgl. verzehrt. Sehr gierig ist er nach frisch gesäten oder keimenden oder aus den Hülsen gehackten Erbsen; im Herbste geht er gewöhnlich den Körnern oder den jungen Pflänzchen des Weizens nach, auch holt er im Sommer die reifenden oder reifen Samen der Getreidearten aus den Ähren, frißt auch den Buchweizen gern. – Die Cichorie (cichorium intibus) schadet durch das wuchernde Wurzelwerk. – Die Äste der Bäume, mit denen die Felder gewöhnlich eingeschlossen waren, mußten häufig beschnitten werden, weil der von ihnen verursachte Schatten dem Wachstum der Saaten hinderlich war. Zurück
     
  26. Das sind die Menschen, welche unter seiner Regierung lebten. Zurück
     
  27. Vor Jupiters Herrschaft war das goldene Zeitalter unter Saturn, wie es in der vierten Idylle beschrieben ist. Zurück
     
  28. Kallisto, die Tochter des arkadischen Königs Lykaon, eine Begleiterin der Diana, wurde von der eifersüchtigen Juno in eine Bärin verwandelt und von Diana getötet, aber von Jupiter unter dem Namen Arktos unter die Gestirne versetzt. Zurück
     
  29. Vom Getreiderost gibt es verschiedene Arten: Der Halm- oder Schwarzrost auf Roggen, Weizen, Hafer, Gerste und Quecke, der Gelbrost, welcher den Ähren sehr schadet, der Braunrost des Roggens, der Braunrost des Weizens und der Kronenrost des Hafers; ferner der Rübenrost auf den Blättern der Zucker- und Futterrüben, von dem es wieder mehrere Arten gibt. Auch viele andere Gewächse, wie z. B. Flachs, die Sonnenblume, die Weiden, Pappeln, Obstbäume, Nadelhölzer, Rosen haben ihre eigenen Arten von Rostpilzen. Zurück
     
  30. Der Feld- oder Getreidewagen bestand nur aus einer starken Platte von Brettern, die auf zwei Rädern ruhte, die keine Speichen hatten, sondern nur aus einem einzigen, runden Stück Holz bestanden und sich nicht um die Achse drehten, sondern fest daran saßen, so daß Achse und Räder sich zusammen drehten (wie an unseren Eisenbahnwagen). Zurück
     
  31. Celeus, Vater des Triptolemus. Diesen soll Ceres im Säen, jenen in der Kunst, verschiedene Wirtschaftsgeräte aus Ruten oder Weiden zu flechten unterrichtet haben. Zurück
     
  32. Ein großer geflochtener Korb, mit dem man das Getreide schwang, um das Korn von der Spreu zu sondern. Ein solcher wurde am Eleusinischen Feste bei dem feierlichen Aufzuge des Bacchus mit Früchten angefüllt als Symbol vorangetragen. Zurück
     
  33. Die Tenne war eine runde glatte Fläche unter freiem Himmel, mit Kiesel gepflastert und dann mit Ton oder Kreide überdeckt und mit der Walze geebnet; dort wurde das Korn aus den Ähren gelöst durch das Vieh, welches man darin herumtrieb, eine Art des Dreschens, wie sie in Ägypten, Griechenland und Italien noch heute angewendet wird. Zurück
     
  34. Bei den alten Schriftstellern wird oft die Blindheit des Maulwurfs hervorgehoben. Allein die Alten meinen gar nicht unseren Maulwurf (talpa europaea), sondern den südeuropäischen Maulwurf (talpa caeca), der sich in Italien, Dalmatien, einigen Teilen Südfrankreichs, der europäischen Türkei und in Griechenland vorfindet. Bei diesem Maulwurf, der sich u. a. auch durch größere Hauzähne und durch einen etwas längeren Rüssel vom nördlichen unterscheidet, sind in der Tat die Augenlider so geschlossen, daß sie nur eine mikroskopische Öffnung darbieten. Zurück
     
  35. Stern erster Größe im Sternbild des Bootes (großer Bär [richtig: Bärenhüter]), dessen Auf- und Niedergang stürmisches Wetter brachte. – Die Böcklein sind zwei Sterne im Zeichen des Fuhrmanns, deren Auf- und Niedergang Sturm und Regen verkündete. – Die Schlange ist ein Sternbild am Nordpol, das sich durch den großen und kleinen Bären windet. Zurück
     
  36. Die Austern von Abydos und Kyzikos werden öfters erwähnt. Zurück
     
  37. Gestirn des Tierkreises. Von der Herbstgleiche (24. September) an, wo die Sonne gleichweit von beiden Polen im Zeichen der Wage steht und Tag und Nacht in zwölf gleiche Stunden teilt, bis zum kürzesten Tage, wenn die Sonne im Zeichen des Steinbocks steht, mußte Gerste, Lein und Mohn gesät werden. Zurück
     
  38. D. i. Luzerne, Schneckenklee, burgundischer Klee. Die Luzerne ist nach Plinius (Naturgesch. XVIII, 16, 43) wohl während der Perserkriege nach Griechenland gebracht worden. Jetzt wird sie in Griechenland fast gar nicht gebaut, in Italien dagegen wächst sie wild, wird auch daselbst für das Vieh kultiviert, wie auch bei uns der einheimische Kopfklee (trifolium pratense) unter dem Namen »spanischer Klee« gebaut wird. Die Alten benannten die einheimische Luzerne nach dem Lande Medien, wie wir ihn nach dem Kanton Luzern nennen, und den überall bei uns auf Kalkboden wild wachsenden Sichelklee »schwedische Luzerne« nennen. Zurück
     
  39. Da der Sirius gegen Ende des April der Sonne näher tritt, verschwindet jetzt sein Bild. – V. 219ff. ist die Rede von der Saatzeit der Ähren tragenden Getreidearten im Gegensatz zu den 227ff. erwähnten Hülsenfrüchten. Dies ist die Zeit, wo die Atlantiden untergehen, d. i. vom 20. Oktober bis zum 8. November. Gemeint ist das Sternbild der Pleiaden, Töchter des Atlas. – Die funkelnde Krone ist die Krone der Ariadne, der Tochter des Minos. Ihre Krone wurde von Bacchus unter die Sterne versetzt. Sie geht im November unter, wohl etwas später als die Pleiaden. Zurück
     
  40. Die Mutter Merkurs, gehört als hervorragender Stern zu den Pleiaden. Zurück
     
  41. Die Linse, in den Gebirgen Griechenlands und in Italien überall gebaut, wächst in Italien auch wild unter der Saat, die besten Linsen stammen aus Pelusium an der östlichen Nilmündung. Zurück
     
  42. Bootes, auch Arktophylax und von seinem hellsten Stern Arkturus genannt, ging am 21. Oktober unter. Zurück
     
  43. Zur Bestimmung der Geschäfte des Landbaus lenkt die Sonne jährlich durch den Eintritt in die zwölf Zeichen des Himmels den in bestimmte Abschnitte (Tage, Monate) gemessenen Kreislauf des Jahres. Über die fünf von den Wende- und Polarkreisen begrenzten Zonen, denen fünf Erdgürtel entsprechen, vgl. Ovid, Verwandlungen Ich, 45–51. Zurück
     
  44. Die Erhebung der nördlichen Halbkugel des Himmels über unsern Horizont wird durch Angabe der Richtung nach dem Nordlande Szythien und dem fabelhaften Rhipäischen Gebirge bezeichnet, welches die alten Geographen immer weiter nach Norden rückten, je mehr Länder sie in dieser Richtung kennen lernten. Zurück
     
  45. Nach einer späteren Darstellung setzte man die Unterwelt in die Mitte der Erde; die Toten hatten ihre Füße nach dem Südpol gerichtet. Zurück
     
  46. Die beiden Bären sind immer sichtbar und gehen den nördlichen Völkern nie unter. Zurück


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