Der fünfte Auftritt

Cato. Portius. Phocas. Artabanus. Die Bedienten, so den toten Leichnam getragen bringen.

Cato
Ihr Freunde, legt nur hier den Körper recht für mich,
Damit ich sehen kann, wie er im Blute lieget,
Und aus der Wunden Zahl, wodurch man ihn besieget,
Sein Lob erhellen mag. Willkommen, liebster Sohn!
Nun spricht dein Vater auch durch dich den Feinden Hohn.
Komm her, mein Portius, wie schön ist es zu sterben,
Wenn wir durch Tugenden uns Tod und Grab erwerben?
Wer stürbe nicht gleich ihm vor unser Vaterland!
Begrabe mich dereinst zu seiner rechten Hand,
Daß unsrer Asche Rest beisammen kann verwesen.
Ihr Freunde, welch ein Schmerz ist hier bei euch zu lesen?
Wie kömmt es? Trauret ihr, da meines Hauses Pracht
Aufs Allerhöchste steigt? Das hätt ich nicht gedacht!
Es wär ein Schimpf für mich, wenn in den letzten Zügen,
Darin die Freiheit liegt, mein Haus allein gestiegen,
Mein Glück gewachsen wär.

Artabanus
O welch ein großer Mann!
Desgleichen wohl die Welt nicht viele zehlen kann.

Cato
Es scheint, ihr könnet euch der Tränen nicht erwehren,
Da nur ein Jüngling fällt. Rom, Rom erfodert Zähren!
Der Götter Meisterstück, der Helden Vaterland,
Die Herrscherin der Welt, die mit gerechter Hand
Tyrannen niederschlug und den geplagten Landen
Die Freiheit wiedergab, Rom ist nicht mehr vorhanden!
O Freiheit! O Verlust! O edle Vaterstadt!

Artabanus
Welch eine Redlichkeit, die ihn erfüllet hat!
Den Sohn beweint er nicht; um Rom vergießt er Tränen!

Cato
Die ganze Welt muß sich an Cäsars Joch gewehnen,
Wo Mond und Sonne scheint, was wir bisher bezähmt,
Das alles hat sich schon zur Sklaverei bequemt
Und will vor Cäsars Ruhm sein eigen Blut nicht schonen.
Die tapfern Fabier, die großen Scipionen,
Ja, selbst Pompejus focht vor Cäsars Ruhm allein.
Kurz, alles, alles muß des Räubers Beute sein!
O wundergroßes Rom, wie sehr bist du verfallen!

Phocas
Mein Herr, itzt rettet nur Euch selber, samt uns allen.
Es ist schon hohe Zeit!

Cato
An mich gedenkt nur nicht:
Ich bin nicht in Gefahr, ob alles fällt und bricht.
Der Himmel läßt mich nicht in Cäsars Hand geraten,
Es sei der Wüterich ein Herr von hundert Staaten;
Doch soll es nicht geschehn, daß er sich rühmen darf,
Daß er auch mich besiegt. Nichts ängstet mich so scharf
Als euer aller Heil, ihr wertgeschätzten Freunde!
Wie schütz ich immermehr euch alle vor dem Feinde?

Phocas
Vielleicht verzeiht er uns, wenn wir um Gnade flehn!

Cato
Ganz recht; drum tut es nur und sagt ihm: Was geschehn,
Das komme bloß von mir. Sagt auch, ich ließ ihn bitten,
Auf eure Tugend ja den Grimm nicht auszuschütten.
(Zum Artaban.)
Um Euch, mein Artaban, und um der Parther Reich
Ist mirs von Herzen leid! Was rat, was helf ich Euch?

Artabanus
So lange Cato lebt, so will ich mit ihm leiden.

Cato
Kommt her, umarmet mich, bevor wir uns noch scheiden;
Und wird gleich Portia nicht eure Königin,
Dieweil sie römisch ist und ich ihr Vater bin:
So unterwerft den Staat nur billigen Gesetzen,
Und laßt durch keine Macht des Landes Wohl verletzen.
(Zu seinem Sohne.)
Tritt näher, Portius, du hast es selbst erblickt,
Wie Ehrfurcht, List und Trotz mir oft das Ziel verrückt
Und wie ich widerstrebt. Itzt siehst du mich auch weichen,
Da keine Hoffnung ist, den Endzweck zu erreichen.
Geh hin, verbirg dich nur auf das Sabiner Feld,
In deinen Vatersitz, wo mancher große Held,
Wo unser Ahnherr selbst, nachdem er oft gesieget,
Nach alter Römer Art sein eignes Land gepflüget.
Da lebe tugendhaft, verborgen, schlecht und recht;
Sei fromm, den Göttern treu, doch keines Menschen Knecht:
Denn wo das Laster herrscht, da sind die höchsten Würden,
Die man bei ihnen trägt, die ärgsten Sklavenbürden.

Portius
Ihr ratet mir fürwahr ein solches Leben an,
Das ich von selbsten schon unmöglich hassen kann.

Cato (zu allen)
Ihr Freunde, lebet wohl! Wollt ihr nicht alle trauen,
Könnt ihr nicht schlechterdings auf Cäsars Gnade bauen:
So wißt, daß allbereit die Schiffe fertig stehn.
Ihr könnt, sobald ihr wollt, damit zu Segel gehn.
Mehr kann ich itzt nicht tun, euch insgesamt zu retten;
Eilt, denn der Sieger kommt und droht euch schon die Ketten!
Lebt wohl, zum letztenmal! Wenn wir uns wiedersehn,
So wird es zweifelsfrei an einem Ort geschehn,
Wo uns kein Cäsar wird in unsrer Ruhe stören
Und wo wir nichts von Macht und von Tyrannen hören.
(Er kehrt sich nach dem Toten.)
Daselbst geneust mein Sohn, der für die Freiheit starb,
Der Tugendliebe Lohn, den er sich hier erwarb.
Da trägt er nun den Kranz, der seine Schläfe zieret!
Da stimmen alle die, so hier die Welt regieret,
Den Menschen wohlgetan, der festen Wahrheit bei:
Daß ihr Bemühen nicht umsonst gewesen sei!

(Ende der vierten Handlung.)


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