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Da du so viel und großen Dingen ganz allein die Schultern unterstellst, Italien mit Waffen schützest und mit Sitten schmückst, und heilsamer Gesetze weisen Ernst dem Strom der Üppigkeit entgegendämmest, o Cäsar, glaubt' ich am gemeinen Wohl mich zu verschulden, wenn ich deine Zeit mit langen Reden dir entwenden wollte1). Der große Romulus, und Vater Bacchus, und mit seinem Bruder Pollux, Jovis Söhne, um ihrer Taten willen in die Tempel der Götter aufgenommen, als sie, noch auf Erden lebend, Gutes um die Menschen verdienten, ihren wilden blut'gen Fehden ein Ende machten, und des Friedens Süßigkeit sie kosten ließen, ihnen Eigentum und Recht und Künste gaben, und in Städte sie sammelten, des menschlichen Geschlechtes Wohltäter! klagten oft mit bitterm Schmerz, daß alles, was sie für die Welt getan, | Cum tot
sustineas et tanta negotia solus, res Italas armis tuteris, moribus ornes, legibus emendes, in publica commoda peccem, si longo sermone morer tua tempora, Caesar. <5> Romulus et Liber pater et cum Castore Pollux, post ingentia facta deorum in templa recepti, dum terras hominumque colunt genus, aspera bella componunt, agros assignant, oppida condunt, ploravere suis non respondere favorem | |
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die Liebe, die sie sich versprochen, nicht gewinnen könne. Selbst der Hyderntilger Alcides, der so manches Ungeheuer gebändigt hatte, fand, daß nur der Tod den Neid, der Ungeheuer giftigstes, bezwinge. Der Mann, der über seine Zeit zu hoch emporgestiegen, brennt durch seinen Glanz: laß ihn verlöschen, und er wird geliebt! Dir aber, großer Cäsar, bringen wir, noch weil du bei uns bist, die Ehren dar, die du verdienst. Wir setzen die Altäre im Leben Dir, bei denen unsre Enkel einst schwören werden, und bekennen laut dadurch, daß deines gleichen nie zuvor die Welt gesehn, noch künftig sehen wird2). Gerecht und weis' ist deines Volkes Urteil, indem es vor der Griechen Helden Dir und vor den unsrigen den Vorzug gibt; in diesem einz'gen Punkt gerecht, in andern nicht. Da schätzen sie den Wert der Sachen ganz nach einer andern Regel, ekeln alles an, was unsre Zeit in unserm eignen Boden | <10> speratum
meritis. Diram qui contudit hydram notaque fatali portenta labore subegit, comperit invidiam supremo fine domari: urit enim fulgore suo, qui praegravat artes infra se positas, extinctus amabitur idem. <15> Praesenti tibi maturos largimur honores, iurandasque tuum per nomen ponimus aras, nil oriturum alias, nil ortum tale fatentes. Sed tuus hic populus sapiens et iustus in uno, te nostris ducibus, te Graiis anteferendo, <20> cetera nequaquam simili ratione modoque | |
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hervorgebracht; sind so verliebt in alles, was Alt ist, daß sogar die Satzungen der Zehnera), oder weiland unsrer Könige geschloßne Bünde mit den Gabiern und mit den festen ehrsamen Sabinern, der Pontifexe graue Zeitregister3) und die betagten Blätter unsrer alten Propheten4), vom Albanb) herab (in ihrem Wahn) die Musen selbst uns zugesungen haben. »Der Griechen ältste Werke sind die besten«, ich geb' es zu: doch, sollen nun darum auch unsre Dichter auf derselben Waage gewogen werden? so behaupte man, das Harte an der Frucht des Ölbaums sei | aestimat, et, nisi quae
terris semota suisque temporibus defuncta videt, fastidit et odit. Sic fautor veterum, ut tabulas peccare vetantes, quas bis quinque viri sanxerunt, foedera regum <25> vel Gabiis, vel cum rigidis aequata Sabinis, pontificum libros, annosa volumina vatum, dictitet Albano Musas in monte locutas. Si quia Graecorum sunt antiquissima quaeque scripta vel optima, Romani pensantur eadem | |
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inwendig nicht, nicht an der Nuß von
außenc); so sage man, wir haben nun in allem den Gipfel schon erreicht, wir singen, malen, ringen gelehrter, als die kunstgeübten Griechen5)! Doch wenn's die Jahre sind, die, wie die Weine, auch die Gedichte bessern: möcht' ich wohl belehrt sein, welches Jahr denn eigentlich die Güte eines Werks entscheiden soll? Ein Autor, der vor hundert Jahren starb, gehört er zu den Alten das ist, zu den Guten oder zu uns Schlechten, Neuen? Setzt eine runde Zahl, die allem Streit ein Ende mache! »Wohl! Ein jeder Autor, der seine hundert Jahre richtig zählt, ist alt und gut.« Wie aber, wenn nun einer nur einen Monat, oder allenfalls ein Jährchen später starb? Wohin mit dem? | <30>
scriptores trutina, non est quod multa loquamur; nil intra est oleam, nil extra est in nuce duri; venimus ad summum fortunae, pingimus atque psallimus, et luctamur Achivis doctius unctis. Si meliora dies, ut vina, poemata reddit, <35> scire velim, pretium chartis quotus arroget annus? Scriptor ab hinc annos centum qui decidit inter perfectos veteresque referri debet? an inter viles atque novos? Excludat iurgia finis! »Est vetus atque probus, centum qui perficit annos.« <40> Quid, qui deperiit minor uno mense, vel anno, | |
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Wird er den Alten zugerechnet? Oder ist bei uns und bei der Nachwelt gar kein Raum für solchen Spätling? »Nun, wem nur ein Monat, und wär' es auch ein Jahr, am Hundert fehlt, der nimmt noch billig bei den Alten Platz.« Dank für den Nachlaß! Und nun zupf ich euch, wie jener aus dem Pferdschweif6), Jahr vor Jahr so lange aus, bis von den hundert Jahren nichts in der Hand euch bleibt, und der, wie billig, sich schämen muß, der Tugend und Talent nach Jahren mißt, und nichts bewundern will, dem nicht des Totengräbersd) Spaten erst den Stempel seines Wertes aufgedruckt. Der weise kräft'ge Ennius, der zweite Homer (so sagen wenigstens die Kritiker) scheint sich um seines Pythagor'schen Traums Erfüllung7) nicht viel zu kümmern: und was hätt' ers Not? Wir glauben ihm aufs Wort er sagts ja selbst! | inter quos
referendus erit? veteresne poetas, an quos et praesens et postera respuet aetas? »Iste quidem veteres inter ponetur honeste, qui vel mense brevi vel toto est iunior anno.« <45> Utor permisso, caudaeque pilos ut equinae paulatim vello, et demo unum, demo etiam unum, dum cadat elusus ratione ruentis acervi, qui redit ad fastos, et virtutem aestimat annis, miraturque nihil nisi quod Libitina sacravit. <50> Ennius, et sapiens et fortis, et alter Homerus, ut critici dicunt, leviter curare videtur, quo promissa cadant, et somnia Pythagorea. |
Wie also August im Jahr 735 wieder nach Rom zurückkam, wo seine Gegenwart zu Verhütung der größten Unordnungen unentbehrlich worden war: so erkannte der Senat und das Volk einhellig, daß er der einzige Arzt sei, der den Gebrechen der Republik helfen könne; und um ihn auf eine rechtmäßige Art mit aller dazu erfoderlichen Autorität zu versehen, wurde ihm nicht nur die Oberaufsicht über die Sitten (Praefectura Morum) nebst der Gewalt, den Senat zu reformieren und alle gesetzwidrige Mißbräuche abzustellen (Censoria potestas), sondern auch die konsularische Gewalt in der Maße auf Lebenslang aufgetragen, daß er, auch ohne den Titel eines Konsuls zu führen, das ganze Ansehen und alle Prärogativen dieser höchsten Würde in und außerhalb Rom besitzen und ausüben sollte. Da er nun, durch dieses Dekret des römischen Senats und Volks, außer der Gewalt eines unumschränkten Oberbefehlhabers über die ganze Kriegsmacht der Republik zu Wasser und zu Lande, und der Tribunicia Potestas, die er bereits auf Lebenslang besaß, noch die konsularische und zensorische in ihrem ganzen Umfang erhielt: so begreifen wir, in welchem Sinne Horaz sagen konnte, daß er die ganze Last der Staatsverwaltung allein trage. August hatte um die Zeit, da Horaz dies schrieb, das übernommene große Reformationsgeschäft mehrenteils zu Stande gebracht so weit es nämlich politisch möglich und mit seinem eignen Interesse verträglich war und auf diese ebenso weitläufige, mühevolle und fruchtlose Operationen, die aber, in anderthalb Verse zusammengedrängt, einen gar schönen poetischen Effekt machen, beziehen sich die ersten Zeilen dieser Epistel. Diese drei Züge: Armis tueri, Moribus ornare, Legibus emendare, enthalten alles, was der beste Fürst seinem Volke Gutes tun kann. August machte sich dies Verdienst um ganz Italien, dessen größter Teil jetzt, so zu sagen, nur die Vorstadt des unermeßlichen Roms war. Er beeiferte sich wenigstens, das überall baufällige Gebäude auszubessern, zu stützen, zu bekleistern, und mit einer prächtigen neuen Außenseite zu zieren. Die Römer waren damit zufrieden; sie beteten ihn dafür an. Er tat noch mehr für sie, als sie selbst verlangten (denn sie verlangten nur Brot und SchauspieleI)), er sorgte für alles. Und Horaz sollte sich länger haben weigern können, auch einmal einen Stoß in die Trompete der Fama zu tun, welche so mannichfaltige, so große Verdienste der Welt ankündigte?
Dies ist alles, was ich zur Entschuldigung der einzigen wirklichen Schmeichelei, die man ihm zur Last legen kann, nämlich der anstößigen Verse:
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Sed tuus hic populus sapiens et iustus in uno, te nostris ducibus, te Graiis anteferendo, |
vorzubringen habe. Horaz sagt damit weiter nichts, als
was die Römer taten. »Aber er lobt sie deswegen«
Konnt' er in einer Epistel an August weniger tun? Und hatte, wenn wir billig sein
wollen, dieser in seiner Art einzige Sterbliche nicht wirklich eine Seite, auf welcher er über
alle andre vor ihm und nach ihm hervorglänzt? Gern gebe ich zu, Brutus war ein
größerer Mann, als sein Freund Horaz, weil er lieber sterben, als den Tag sehen wollte,
da er dem Octavius solche Komplimente hätte machen müssen: aber niemand ist verbunden ein
Held zu sein; und wo sind (wenigstens in unsern Zeiten) die Menschen, die unsern Dichter deswegen
verachten dürften?
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Nam qui dabat olim imperium, fasces, legiones, omnia, nunc se continet atque duas tantum res anxius optat, PANEM et CIRCENSES Iuvenal. Sat. X. |
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wir richten die Altäre dir bei deinem Leben auf, bei denen unsre Enkel einst schwören werden. |