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Doch dies beiseit gesetzt, wie wolltest du, daß ich zu Rom, in diesem ew'gen Wirbel von Plackereien und Zerstreuungen, Gedichte schreiben könnte? Dieser ruft mich zum Bürgen; jenem soll ich alles stehn und liegen lassen, einer Rezitierung von seinem neuesten Werke beizuwohnen. Der wohnt zu äußerst auf dem Aventin, | <65> Praeter
cetera, me Romaene poemata censes scribere posse, inter tot curas, totque labores? Hic sponsum vocat, hic auditum scripta relictis omnibus officiis: cubat hic in colle Quirini, | |
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der auf dem Quirinal, und beide müssen besucht sein wie du siehst, ein hübscher Zwischenraumd)! Noch möcht' es gehn, wenn nur die Straßen freier und nicht für Denker so gefährlich wären. Hier eilt mit einem Heer von Eseln und von Trägern ein hast'ger Bauverwalter auf dich zu; dort dreht an einer ungeheuern Winde ein Balken oder Quader sich empor; da zieht ein Trauerwagen, schwer und knarrend, durch deinen Weg; dort lauft ein toller Hund, hier rennt ein wohlbesudelt Schwein dich an. Geh nun und sinne unter solchem Drange singbare Verse bei dir selber aus! Das Dichtervolk war je und allezeit den stillen Hainen hold und floh die Städte, als Bacchus echte Schutzverwandte, der den Mittagsschlaf in grünen Schatten liebt. Und du verlangst, ich soll in diesem Lärm, der Tag und Nacht um meine Ohren braust, die Leier rühren, und den schmalen Pfad | hic extremo in Aventino,
visendus uterque; <70> intervalla vides humane commoda. Verum purae sunt plateae, nihil ut meditantibus obstet. Festinat calidus mulis gerulisque redemptor; torquet nunc lapidem, nunc ingens machina tignum; tristia robustis luctantur funera plaustris; <75> hac rabiosa fugit canis, hac lutulenta ruit sus: i nunc, et versus tecum meditare canoros. Scriptorum chorus omnis amat nemus et fugit urbes, rite cliens Bacchi, somno gaudentis et umbra: tu me inter strepitus nocturnos atque diurnos | |
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der Sänger, die mir vorgegangen, treten? Ein Kopf, der sich das einsame Athen erkor, dort sieben Jahre dem Studieren oblag, und über Büchern brütend alt geworden, kehrt stummer als ein Standbild in die Welt zurück, und wird mit lautem Lachen überall vom Volk empfangen; und ich sollte mir, in dieser steten Ebb' und Flut von Rom, um gleichfalls zum Gelächter mich zu machen, die Mühe geben und nach Worten haschen, die sich zur Leier gatten3)? Und wofür? Indessen helfen unsre Dichter sich wie jenes Brüderpaar zu Rom, wovon ein Rhetor einer, und ein Advokat der andre war. Die beiden mußte man einander loben hören! »Bruder«, sagte der, »du bist der dritte Gracchus« und erwiderte der andre, »du ein zweiter Mucius.«4) Ein gleicher Wahnsinn plagt uns Dichterlinge. Ich drechsle Lieder dieser Elegien | <80> vis canere, et contracta sequi vestigia vatum? Ingenium, sibi quod vacuas desumpsit Athenas, et studiis annos septem dedit, insenuitque libris et curis, statua taciturnius exit plerumque et risu populum quatit: hic ego rerum <85> fluctibus in mediis, et tempestatibus urbis, verba lyrae motura sonum connectere digner? Frater erat Romae consulti rhetor, ut alter alterius sermone meros audiret honores; Gracchus ut hic illi foret, huic ut Mucius ille. <90> Qui minor argutos vexat furor iste poetas? | |
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man muß gestehen, zum Erstaunen! so daß alle neun Camönen nichts Vollkommners und Feiners auszumeißeln fähig wären5)! Sieh nur, mit welchem Stolze, welchem Prunke wir in dem Musensaale, der so leer an röm'schen Dichtern ist, uns umsehn! Schleich' uns dann, wofern du Zeit hast, nach, und horch ein wenig von weitem zu, wie wir uns heben, und warum wir wechselweis uns Kränze flechten. Sieh, wie, den Spiegelfechtern ähnlich, die beim Gastmahl uns mit ihrem Spiel ergötzen6), wir keinen Stoß empfangen, den wir nicht dem andern auf der Stelle wiedergeben! Schlägt er mich zum Alcäus, kann ich ihn zu was Geringerm schlagen, als zum zweiten Kallimachus? Und scheint er mehr zu fodern, so wird er gar Mimnermuse), und noch mehr; er hat nur zu befehlen! Alles das muß nun ein Autor, der noch selbst beim Volk um Beifall bettelt, sich gefallen lassen, um nicht das wespenartige Geschlecht | Carmina compono, hic elegos;
mirabile visu caelatumque novem Musis opus. Aspice primum, quanto cum fastu, quanto molimine circum- spectemus vacuam Romanis vatibus aedem. <95> Mox etiam, si forte vacas, sequere, et procul audi, quid ferat et quare sibi nectat uterque coronam. Caedimur, et totidem plagis consumimus hostem, lento Samnites ad lumina prima duello. Discedo Alcaeus puncto illius: ille meo quis? <100> quis nisi Callimachus? si plus adposcere visus, fit Mimnermus, et optivo cognomine crescit. | |
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der Versemänner gegen sich zu reizen. Hingegen hab' ich selbst das Handwerk aufgegeben, und bin nun wieder meiner Sinne mächtig und mein eigner Herr: wer wehrt mir, daß ich mir die Finger in die Ohren stecke, wenn mich einer mit seinem Werkchen in der Hand verfolgt? Denn solche Stümper heilt sogar das Lachen des Publikums von ihrer Torheit nicht: »Sie schreiben con Amore!« haben wahren Respekt vor ihren Werken, und wenn du nichts sagst, so rechne drauf, sie fangen selber an davon zu sprechen, und dir anzurühmen, wie glücklich ihnen dies und das gelungen, wie leicht sie schreiben, und wie wenig Müh' es ihnen kostet, sich genug zu tun7). So leicht wirds freilich keinem, der ein Werk zu machen wünschet, das die Probe halte! Der nimmt, zugleich mit Feder und Papier, des unbestechbarn Zensors strengen Sinn, vor dem nichts Tadelhaftes Gnade findet. Er schonet keines Worts, das ohne Glanz, das müßig, oder seiner Stelle sonst, | Multa fero, ut placem
genus irritabile vatum, cum scribo, et supplex populi suffragia capto: idem, finitis studiis, et mente recepta, <105> obturem patulas impune legentibus aures. Ridentur mala qui componunt carmina: verum gaudent scribentes, et se venerantur et ultro, si taceas, laudant quidquid scripsere, beati. At qui legitimum cupiet fecisse poema, <110> cum tabulis animum censoris sumet honesti; audebit quaecumque parum splendoris habebunt, et sine pondere erunt, et honore indigna ferentur, | |
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auf welche Art es sei, nicht würdig ist, und wenn es noch so ungern wiche, und obgleich es, wie in Vestas heil'gem Dunkel, in seinem Pulte noch verschlossen ist. Er zieht die alten Wort' und Redensarten voll Kraft und Sinnes wieder an das Licht, die nur durch Ungerechtigkeit der Zeit herabgekommen und vergessen, oder von Rost und Staub unscheinbar worden sind. Auch trägt er kein Bedenken, neuen Wörtern von gutem Korn, die etwa der Gebrauch in Umlauf bringt, den Stempel aufzudrücken. Und so, gleich einem Strom, der voll und klar durch Auen, die er fruchtbar macht, sich wälzet, ergießt er seine Schätze, und verschönert die Sprache seines Volks. Er schneidet weg, was allzu üppig schießt, verbessert durch Kultur das Herbe, das von ihrer ersten Wildheit zurückblieb, reutet ohne Schonen aus, was bloßes Unkraut ist, und weiß dabei die Pein, die ihm dies alles oft gekostet, mit einem Schein von Leichtigkeit zu bergen, | verba movere loco, quamvis
invita recedant, et versentur adhuc intra penetralia Vestae. <115> Obscurata diu populo bonus eruet, atque proferet in lucem speciosa vocabula rerum, quae priscis memorata Catonibus atque Cethegis, nunc situs informis premit et deserta vetustas: adsciscet nova, quae genitor produxerit usus. <120> Vehemens et liquidus puroque simillimus amni, fundet opes, Latiumque beabit divite lingua; luxuriantia compescet, nimis aspera sano levabit cultu, virtute carentia toller, ludentis speciem dabit et torquebitur, ut qui | |
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als wärs ihm nur ein Spiel; so wie der Mime gleich leicht den Cyklops oder Satyr tanzt8). Nun freilich, wenn es die Bewandtnis hat, wer, der sich selber hold ist, wollte nicht (so fern er nur sich selbst gefiele) lieber für einen schalen Pfuscher bei den Kennern gelten, als sichs um etwas, das am Ende doch ihm niemand dankt, so sauer werden lassen9)? Es war einmal ein Mann von gutem Hause zu Argos mit dem wunderbaren Wahnsinn behaftet, daß er oft die schönsten Trauerspiele, gar herrlich aufgeführt, zu hören glaubte. Man fand ihn oft, vor Freuden außer sich, im leeren Schauplatz sitzen, und Tragödenf), die nur in seinem eignen Schädel spielten, den wärmsten Dank aus allen Kräften klatschen. Der Mann war sonst in jedem andern Punkt so gut als einer in der ganzen Stadt, im Umgang angenehm, ein guter Nachbar, ein guter Ehmann, und ein milder Herr, der, wenn ein Diener etwa sich am Siegel | <125> nunc Satyrum, nunc
agrestem Cyclopa movetur. Praetulerim scriptor delirus inersque videri, dum mea delectent mala me vel denique fallant, quam sapere et ringi. Fuit haud ignobilis Argis, qui se credebat miros audire tragoedos, <130> in vacuo laetus sessor plausorque theatro; cetera qui vitae servaret munia recto more, bonus sane vicinus, amabilis hospes, comis in uxorem, posset qui ignoscere servis | |
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vergriffg), den Zorn
nicht an der Flasche ausließ, auch sonst verständig g'nug, um einem Wagen aus dem Weg und neben unbedecktem Brunnen vorbeizugehn. Demungeachtet hielten die weisen Anverwandten sich verbunden, dem armen Vetter zum Verstand zu helfen. Doch wie er nun, nicht ohne Müh' und Not, durch Niesewurz und guten alten Wein sich endlich wiederhergestellt befand, erhob er bittre Klagen über seiner Freunde Dienstfertigkeit: »Ihr hättet«, sprach er, »eben so lieb das Leben mir genommen, als den süßen Irrtum, der mich glücklich machte«.10) | et
signo laeso non insanire lagenae, <135> posset qui rupem et puteum vitare patentem. Hic ubi cognatorum opibus curisque refectus expulit helleboro morbum bilemque meraco, et redit ad sese: »Pol, me occidistis, amici, non servastis«, ait, »cui sic extorta voluptas <140> et demptus per vim mentis gratissimus error.« |
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Carmina compono, hic elegos mirabile visu caelatumque novem Musis opus, |
hält sich an den Sinn, den die Worte ungezwungen darbieten; und Horaz kann, dem ganzen
Zusammenhang nach, nichts anders damit haben sagen wollen. Er führt als eine Ursache, die jeden
vernünftigen Mann von der Dichtkunst abschrecken müsse, an: daß man, sobald man
selbst zur Profession gehöre, genötigt sei, die eigennützigen Lobsprüche, die
man von andern Professionsverwandten empfange, entweder zu erwidern, oder sich mit diesen Leuten,
die niemand gern zu Feinden hat, abzuwerfen. Weil sich nun immer einer möglichst vor dem andern
in Acht nehme, so walte daher eine Art von stillschweigendem Vertrag unter den Poeten vor, einander
wechselsweise Komplimente zu machen. Ich z. B. (sagt er) habe eine Ode gemacht, ein andrer eine
Elegie so wie wir einander zu sehen kriegen, eilen wir, als ob es eine Wette gälte, wer
dem andern den größten Lobspruch vor dem Munde wegnehmen könne. »Was für
ein herrliches Werk Sie wieder gemacht haben! Alle neun Musen hätten nichts Vollkommners,
nichts feiner Ausgearbeitetes und glatter Poliertes zuwege bringen können!« Ich
sehe nicht das geringste, das mit Grund gegen diese Auslegung einzuwenden wäre. Gleichwohl
verschwendet Bentley (wie öfters) Sophismen
und Gelehrsamkeit, um zu beweisen, daß man die ganze Stelle anders
punktieren und sacratum für caelatum lesen müsse; und daß entweder vom
Tempel des Palatinischen Apollo, oder (wie ihm noch lieber wäre) von einem Tempel des Herkules
die Rede sei, wo die Bildsäulen der Neun Musen gestanden, die aus Ambracia dahin gebracht
worden, wie Eumenius berichte; und was dergleichen übel angebrachter
Belesenheit mehr ist. Alles, was der gelehrte Mann, wenn wir ihm auch gewonnen gäben, dadurch
gewonnen hätte, wäre den Horaz, statt eines ganz simpeln
ungezwungnen Scherzes über die Eitelkeit der Poeten, höchst plattes, schülerhaftes
Zeug sagen zu lassen. Oder wozu sollte das mirabile visu caelatumque novem Musis opus, nach
seiner angeblichen Verbesserung und Auslegung, sonst dienen, als zwei Verse voll machen zu
helfen? Von Daciers und Massons Auslegungen
dieser Stelle ist am rühmlichsten für sie, gar nichts zu sagen.
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Caedimur et totidem plagis consumimus hostem, lento Samnites ad lumina prima duello. |
Die Samniter, wovon hier die Rede ist, waren
eine Art von Gladiatoren, die bei großen Gastmählern, zu Anfang der Mahlzeit (ad
lumina prima) in einer sehr zierlichen Waffenrüstung, im Kostüm der alten Samniter, im
Speisesaal erschienen, um die Gäste durch ihre Geschicklichkeit zu belustigen. Sie zeigten bei
diesen Lustgefechten alles, was sie bei einem öffentlichen
Gladiator-Spiel (munus Gladiatorium) im Ernste zu leisten pflegten; und es ging so hitzig
dabei zu, als ob es um Leib und Leben gälte: aber sie fochten nur mit unschädlichen
Waffen, und es floß kein Blut; wiewohl einige aus einer Stelle des
AthenäusVIII)
geschlossen haben, als ob es etwas Gewöhnliches bei den Römern
gewesen sei, ihre Gastmahle mit blutigen und mörderischen Schauspielen zu
befleckenIX).
Allein die Parallele, welche Horaz zwischen diesen Fechtern und den Poeten zieht, die, in einer Art
von enkomiastischem Wettkampfe, einander Lob um Lob, wie jene Stoß um Stoß,
zurückgaben, würde allein schon hinreichend sein, das Gegenteil dieses an sich
selbst ganz unglaublichen und von keinem Autor bekräftigten Vorgebens zu beweisen. Diese
Vergleichung hat noch eine andre, verborgnere Schönheit, nämlich eine scherzhafte
Vergleichung per Antiphrasin, wie es die Grammatiker nennen. Die Samniter
schienen, indem sie so hitzig auf einander losgingen und keinen empfangnen Streich schuldig
blieben, die ärgsten Feinde zu sein, und verstanden sich doch sehr gut zusammen. Bei den Poeten
war's just umgekehrt: bei ihnen war das gute Einverständnis von außen, der Haß oder
die Verachtung hingegen innerlich; sie erschöpften sich in Wechsel-Komplimenten, und
hätten einander lieber das Weiße in den Augen aufessen mögen.
| Ludentis speciem dabit et torquebitur |
einer von denen zu sein, wobei ihm nur seine eigne Erfahrung die Hand geführt haben konnte.
Denn, Wehe der Leichtigkeit, die keine Pein gekostet hat! Ich bin nichts weniger als der
Meinung, daß er hier vorzüglich an die Dramatiker gedacht habe,
wie Baxter will. Er dachte an Virgil und
sich selbst. Das Tertium Comparationis liegt, denke ich, bloß in der
Leichtigkeit, womit ein Pantomime, wie Pylades,
bald einen Satyr, bald einen Cyklopen zwei einander sehr entgegengesetzte Charakter
durch seine Bewegungen darzustellen weiß. Der plumpe, bäurische, ungelenksame Cyklop
scheint ihm eben so leicht zu werden, als der naivschalkhafte, mutwillige, leichtfüßige
Satyr, wiewohl ihm jener ungleich mühsamer wird.
| Praetuierim scriptor delirus inersque videri |
bis zum 141sten Verse,
| Nimirum sapere est abiectis utile nugis, |
im Namen eines andern als spräche er: »Nun, wenn es diese Bewandtnis hat, wenn es solche Mühe kostet, ein guter Autor zu sein, so will ich noch immer lieber für einen abgeschmackten Pfuscher passieren und mir selbst gefallen! Was tuts, daß meine Einbildung falsch ist, wenn sie mich nur glücklich macht, wie jenen wackern Mann von Argos sein Wahnwitz Tragödien zu hören, wo keine waren« Und hierauf antworte dann Horaz vom 141sten Verse an: »Am Ende ist eben doch das Beste, das Spielzeug gar wegzuwerfen, und dafür was Kluges zu treiben« u.s.w. Ich verstehe den Text anders. Horaz, dünkt mich, spricht in dieser Epistel immer in seinem eignen Namen, nur nicht immer im nämlichen Tone. Zwischen dem 125sten und 126sten Vers ist eine kleine Lücke. Man sollte denken, es müßten ein oder zwei Verse fehlen; wenn man nicht an unserm Autor gewohnt wäre, daß er meistens lieber über einen Graben wegsetzt als einen Steg sucht, wiewohl er nur drei oder vier Schritte auf die Seite zu machen hätte. Der Hauptpunkt ist immer, daß wir die Laune, worin der Brief geschrieben ist, nie vergessen dürfen. Der Freund, an den er schrieb, war selbst ein Poet, und vielleicht einer von denen, die sich so wenig als möglich wehe dabei geschehen ließen; der also von Horazen dasselbe vermutete, und ihm nichts Ungebührliches anzusinnen glaubte, wenn er ihn wegen des längst versprochenen Gedichts, als einer Schuld, die er leicht bezahlen könne, anfoderte. Die üble Laune, in welche dies unsern Dichter setzte, führt gewöhnlich eine Disposition, paradoxe und auffallende Dinge zu sagen und zu behaupten, mit sich; man sieht die Sachen gelb, und versichert also, mit aller Aufrichtigkeit der Selbstüberzeugung, daß sie gelb seien. Die Rezension der mancherlei Ursachen, warum er (zu Rom wenigstens) lieber alles in der Welt tun als Verse machen möchte, brachte ihn natürlicher Weise auf das Ungemach, das ganze zahllose Heer der Poeten und Schöngeister zu Kollegen zu haben, und genötigt zu sein, diesen sich selbst so wohl gefallenden Herren seine Ohren zu leihen und noch Komplimente dazu zu machen, u.s.w. Das Glück dieser wackern Leute, die so herzliche Freude an den mißgeschaffnen Geburten ihres Witzes haben (quos sua delectant mala), deuchte ihm, auf einen Augenblick, beneidenswert indem er sich die Mühe vorstellte, die er und die wenigen seinesgleichen sich kosten ließen, etwas, das die Probe hielte (legitimum carmen), zu machen. Dies brachte ihn auf das Gemälde wie ein guter Dichter bei seinen Arbeiten zu Werke gehe, wovon wir in der 8ten Erläuterung gesprochen haben. Julius Florus war (wie gesagt), aller Wahrscheinlichkeit nach, einer von den Beatis, deren Gedichte, ohne just zu den schlechten zu gehören, doch die wenige Mühe, die sie kosteten, zu stark verrieten. Horaz wollte nicht, daß sein Freund sich durch jenes Gemälde beleidigt finden sollte oder er besorgte vielleicht, Florus möchte merken, daß er durch den Dichter, qui legitimum cupiet fecisse poema, sich selbst gemeint habe, und im einen oder andern Falle konnte er sich nicht leichter aus der Sache ziehen, als wenn er sich selbst mit allen übrigen Versemachern vermengte, und in seinem eignen Namen sagte, was freilich nie seine Meinung gewesen war. »Ei, wer wollte sich solche Mühe geben? Sich das Leben so sauer machen, um eine Vollkommenheit zu erreichen, für die ihm niemand keinen Dank weiß? Mögen doch die Kenner von uns halten, was sie wollen! Wenn wir uns nur selbst gefallen, nur glücklich in unserm Irrtum sind!« Diese Art der Ironie, die man an unserm Autor schon so gewohnt sein muß, ist immer die bequemste Wendung in solchen Fällen. Man kann andern auf eine unanstößige Art die auffallendsten Dinge sagen, sobald man sie sich selbst zu sagen scheint. So verstehe ich diese ganze Stelle; und weil ich das folgende Nimirum sapere etc. als eine Wendung ansehe, wodurch sich Horaz stellt, als ob er sich eines Bessern besönne, und, ungeachtet der Süßigkeiten eines wahnsinnigen Selbstbetrugs, am Ende doch für das Beste halte, bei gesundem Verstande zu sein: so habe ich anstatt daß er, nach seiner Gewohnheit, bloß an dem Worte nimirum, wie an einem Zaunpfahl, über den Graben springt lieber ein Brett drüber legen wollen, und so übersetzt:
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Wenn nun, wie ich besorge, dies der Fall bei allen Versemännern ist, u.s.w. |