90. Falsche Schildkrötensuppe. Potage fausse tortue à la Française.

Ein schöner Kalbskopf wird, nachdem er sauber gebrüht und geputzt worden, über hellbrennendem Kohlenfeuer flammirt, damit sich alle die feinen Haare noch abbrennen; es wird sonach der unteren Länge nach ein Einschnitt gemacht und das Fleisch dicht an den Kinnbackenknochen, der Schnauze und über der Stirn abgelöst, so zwar, daß die Haut mit dem Fleische ganz von den Knochen getrennt ist; die Kinnbackenknochen werden dnrchgehauen, die Zunge herausgeschnitten , die Hirnschale von einander getrennt, das Gehirn herausgenommen und in‘s frische Wasser gelegt; die ganze Kopfhaut rein gewaschen, ihrer Länge nach in der Mitte auseinander geschnitten, mit der Zunge eine viertel Stunde lang abblanchirt, aus diesem in‘s kalte Wasser gethan, nochmals rein abgewaschen und auf ein Tuch gelegt. Hierauf wird der Kopf oder vielmehr die Kopfhaut von innen rein von dem schwarzen Fleisch geschieden, die äußere Seite gut mit Zitronensaft eingerieben und in einer Braise mit der Zunge weich gekocht, sodann mit einem flachen Schaumlöffel herausgehoben und jede Hälfte zwischen zwei Casserolle-Deckeln beschwert. Nachdem die Kalbskopfhaut flach gepreßt und kalt geworden ist, wird sie rund in der Größe eines Zehn-Pfennigstückes ausgestochen oder in drei Zentimeter große, viereckige Stücke geschnitten, in eine Casserolle gelegt, mit etwas Salz, einer Zwiebel, einer Messerspitze Cayennepfeffer, 280 Gramm geschälten und feinblätterig geschnittenen Trüffeln, nebst 3/10 Liter Madeira gewürzt und aus einem Windofen zusammen kurz eingedämpft. Unterdessen läßt man 140 Gramm Butter in einer Casserolle heiß werden, gibt vier Kochlöffel voll Mehl hinzu und röstet es sehr langsam gelbbraun, rührt dieses mit 2 1/10 Liter guter Kraftbrühe und ^3/10 Liter Rindfleischjüs an, läßt es eine Stunde langsam von der Seite kochen, der aufsteigende Schaum und das Fett werden sauber abgenommen und die Coulis durch ein feines Haartuch in eine passende Casserolle passirt. Ferner werden von Geflügel-Farce kleine, runde Knödelchen gemacht, dann das Gelbe von sechs hart gekochten und drei rohen Eiern mit dem gehörigen Salz und ein wenig Muskatnuß verrührt, und davon die nämliche Quantität Knödelchen bereitet. Hieraus werden beide Sorten Knödelchen, wenn sie in einfacher Brühe mit Salz einige Minuten sehr langsam abgekocht worden sind, zu dem in der Suppenterrine indessen warm gestellten Kalbskopf gegeben. Die Suppe wird zum Sieden gebracht, mit einer halben Bouteille Madeira, dem nöthigen Salz, noch etwas wenig Cayennepfeffer nebst einem Stück Glace gewürzt und noch eine viertel Stunde kochen gelassen; der noch aufsteigende Schaum wird nochmals rein abgenommen, und die Suppe kochend über den Kalbskopf und die Knödelchen angerichtet. Diese Suppe muß sich durch braune Farbe, reines Aussehen, gehörige Flüssigkeit und durch einen angenehmen und kräftigen Geschmack auszeichnen.