Potage de tortue à l’Anglaise – Turtle soup.
Ich hatte Gelegenheit, diese Suppe zum ersten Male in Athen geben zu können, wo eine solche Seeschildkröte, gegen 112 Kilo schwer, in die Hofküche geliefert wurde. Unter den wenigen Amphibienarten, die in Deutschland in der höheren Kochkunst benützt werden und in der That zu schmackhaften Gerichten bereitet werden können, steht unstreitig die Seeschildkröte oben an. Die Landschildkröten indessen, stehen sie auch den ersteren nach, werden doch häufig von Gourmands in Gärten gehalten und gefüttert. Doch, zum Eigentlichen zu kommen. Um also eine große Seeschildkröte zu schlachten, wird diese an den Hinterfüßen aufgehängt, und sowie sie den Kopf herausstreckt, wird dieser mittelst einer gemachten Schleife aus einem Stricke ganz herausgezogen, fest gehalten und sogleich abgeschnitten; das Blut läßt man in ein irdenes Gefäß laufen und das Thier so zwei Stunden hängen, damit es rein ausbluten kann. Nach Verlauf dieser Zeit wird die Schildkröte auf den Rücken gelegt und mit der größten Vorsicht, damit die Galle nicht verletzt werde, der untere Theil, Bauchschild, mit einem starken, spitzen Messer abgenommen, alle Eingeweide vorsichtig herausgenommen, Leber, Milchner, sowie alle übrigen Fleischtheile gut herausgelöst und ins frische Wasser gelegt, ebenso die Füße an den Gelenken abgehauen, gebrüht und gereinigt. Die zarteren Fleischtheile werden zu der Suppe verwendet, die derberen Fleischtheile dagegen werden gespickt, marinirt, sodann in einer Braise mit Madeira-Sec weich gekocht und als Fricandeau gegeben, die übrigen Theile nebst den Pfoten werden rein gewaschen und in einer sehr kräftigen Braise, die man von hinlänglichem Rind- und Kalbfleisch nebst den gehörigen Suppenkräutern bereitet hat, mit einer Bouteille Madeira sehr weich gekocht. Wenn dies erreicht ist, wird das nöthige Fleisch, sowie die nöthige Braise zu der Suppe davon genommen, das übrige in einen irdenen oder steinernen Topf gethan, die Braise, nachdem sie zuvor die nöthige Einkochung erlangt hat, durch ein Suppensieb sammt dem Fett darauf gegossen, mit dem noch nöthigen Schwein- und Hammelfett untermengt, gedeckt und an einem kalten Orte aufbewahrt. Das Fleisch, welches zur Suppe nöthig ist, wird in kleine, viereckige Stückchen geschnitten, mit etwas Madeira begossen und warm gesetzt. Von einem Stück Schildkrötenfleisch wird, dem Kalbfleische gleich, eine Farce bereitet und davon kleine, runde Klößchen gemacht. Ebenso kocht man fünf Eier hart, passirt das Gelbe davon durch ein Haarsieb und rührt es mit dem Gelben von drei andern frischen Eiern nebst etwas Salz und Muskatnuß ab und macht hiervon ebenfalls kleine, runde Klößchen. Hierauf läßt man 140 Gramm frische Butter heiß werden, gibt einige Kochlöffel voll Mehl dazu, röstet es einige Minuten und rührt es hierauf mit gutem Consommé, Rindfleischjüs und der Schildkröten-Brühe an und kocht diese nebst noch einer halben Bouteille Madeira-Sec und einer Messerspitze Cayenne-Pfeffer unter öfterm Abschäumen zu einer klaren, bündigen Suppe, welche, wenn alle Schaum- und Fetttheile rein abgenommen sind, mit einem Anrichtlöffel voll Sauerampfer-Püree untermengt und durchgegossen wird. Eine halbe Stunde vor dem Anrichten werden die bemerkten Klößchen zusammen langsam abgekocht, das Schildkrötenfleisch nebst den Klößchen in die Terrine gethan und die kochendheiße, gehörig assaisonnirte und mit etwas Schildkrötenblut legirte, kräftige Suppe darüber angegossen.
Lebendige Schildkröten kommen selten zu uns, dagegen versieht uns England mit einmarinirtem See-Schitdkrötenfleisch, welches nach allen Weltgegenden in blechernen Büchsen versendet wird. Wenn man also eine solche bereiten will, so wird eine sehr kräftige Espagnole mit Madeira bereitet und das Schildkrötenfleisch aus der Büchse genommen, ebenso der vorhergehenden gleich in Stückchen geschnitten und blos einmal damit aufgekocht und angerichtet.