Hareth Ben Hemmam erzählt:
Ich reiste von der Stadt des Elmansur1) – nach dem Gefilde von Sur;2) – und nachdem mich hier gehabt ein Wohlhabender – und gelabt ein Gastlabender, – Reichbegabter, Gleichbegabender: – hatt' ich nicht Lust an längerer Weilung, – sondern sehnte mich nach Kahiras3) Ereilung, – wie sich ein Kranker sehnt nach der Heilung; – oder wie ein Freigebiger nach Spendeverteilung. – Als ich nun abgeworfen hatte, was mich gesäumt, – und, was mich aufhielt, aus dem Wege geräumt, – dann meine Sohle als Reittier gezäumt; – eilt' ich durch Busch und Strauß – mit schnellem Husch wie ein Strauß. – Und als ich mit der Zeit und mit der Schwiele – war gelangt zu meinem Reiseziele, – erquickt' ich mich daran, wie am Frührot ein Nachtverirrter, – oder am Frührausch ein Sinnverwirrter. – Während ich nun dort schon weilte länger – und einst mich umtrieb im Getümmel der Straßendränger, – unter mir einen stattlichen Paßgänger; – erblickt' ich auf schönen Stumpfschwänzen – einen Reiterzug, schimmernd gleich Sternetänzen. – Da fragt' ich, begierig auf eine Vergnügung – das Volk nach dem Aufzug und dem Ort der Verfügung. – Man sprach: Es sind geladene Zeugen des Tags, – die sich begeben nach dem Ort eines Heiratsvertrags – und Hochzeitsgelags. – Da trieb es mich, ihnen nachzureiten, – um miteinzunehmen des Festes Süßigkeiten. – Und wir gelangten nach einem langen und schweren Traben – hinaus zu einem Schlosse mit Wall und Graben, – hoch und erhaben, – das Macht und Reichtum schienen erbaut zu haben. – Als jene nun gestiegen vom Rosse – und eingegangen waren zum Schlosse, – und ich im Begriffe stand nachzugehn, – wollt' ich mir doch erst den Eingang besehn: – den fand ich, in seltner Verzierung – und wunderbarer Staffierung, – von zerrissenen Mänteln umfangen – und von Bettelsäcken umhangen. – Mich machte stutzen des Buches Titel, – und ich sah kein Mittel, – mir zu erklären die Säck' und die Kittel; – bis daß ich dahinter einen Mann gewahrt, – der dasaß nach Pförtnerart; – zu dem trat ich mit meinem Anliegen frei – und beschwor ihn bei dem, der den Vogel erschafft im Ei, – mir zu sagen, wer der Herr des Hauses sei? – Er sprach: Der Herr ist ungenannt – und der Gebieter ungekannt; – das Haus ist der Port der unbehausten Hausierer, – der Ruhort der pausierenden Hantierer. – Da sprach ich bei mir, wir stehn in Gottes Hand – auch im schlimmen Stand, – an des Abgrunds Rand. – Dann gedacht' ich, dem Unheil auszuweichen – und das Feld zu räumen vor den üblen Zeichen; – doch es schien mir schimpflich die Umkehr vor den Schwellen – und mißlich die Rückkehr ohne Gesellen: – und ich ging, doch es ward mir sauer, – ins Hans wie der Vogel ins Bauer. – Siehe, da war drinnen geschmückt ein Saal, – wie ein Frühlingsthal, – hell wie vom Paradies ein Strahl, – von Vorhängen bunt umzirket, – von Tapeten reich umwirket, – Polster umhergespreitet – und Thronsessel bereitet. – Aber hereingewandelt kam – nun der Bräutigam; – in wallenden Gewanden, – Aufwärter zu seinen Handen; – er sah sich um – und siegprangte stumm: – so schritt er zu seinem Sitz, und da saß er – als wie ein Sohn der Königin Himmelswasser;4) – gegenüber aber, ihn zu beaugenscheinigen, – saß der Brautvater mit den Seinigen – und ringsumher mit Gepränge – aller Zeugen Gedränge. – Da rief vom Bräutigam und seinem Haus – ein Herold ans: – »Beim Frieden Sassans,5) des Gründers unseres Grundes, – des Bünders unseres Bundes! – An dieser Statt, der gefreiten, – und an diesem Tag, dem geweihten, – hier vorm Antlitz der freien Wanderer, – soll unsre Brautwerbung thun kein anderer, – als der Scheich, der da gereist und gekreist – und im edlen Beruf ist ergreist.« – Der Antrag gefiel den Brautverwandten, – und sie bewilligten Eintritt dem hohen Ungenannten. – Da schritt mit Preis – herein ein Greis, – dem gebogen hatten den Stamm die Jahre – und die Tage mit Blüten bestreut die Haare, – der trug den Stab majestätisch – und die Tasche gravitätisch; – und die Gemeinde jauchzte ihm entgegen – und drängte sich, zu empfangen seinen Segen. – Als er nun sich gesetzt auf seinen Thron – und vor seinem Ernste verstummt war der Jubelton, – legt' er die Hand an den Kober, – und die Stimm' erhob er: – Gepriesen sei Gott, der Geber, der Schenker, – der Gefallnen Heber, der Verirrten Lenker, – der Erhörer der Bettler und Beter, – der Unvertretnen Vertreter, – der Zertretnen Hilf' und der Schrecken der Übertreter; – der erleuchtet die schwächlich Sehenden – und leitet die gebrechlich Gehenden; – der eingesetzt hat den Almosenzehenten6)– und verboten, abzuweisen den Flehenden; – der ermahnt hat, den Lahmen und den Krummen kein Haar zu krümmen – und zu speisen den Stummen und den Ungestümen. – Er hat seinen Knechten, den gerechten, – in seinem Buche, dem echten, – gesagt, und er ist für die Fragenden – der Wahrste der Wahrheitsagenden: – »Heil denen, die einen Teil ihrer Habe verwandten – für die verstoßnen heimatlosen Verbannten.« – Ich preis' ihn für der Güter verliehenen Nießbrauch – und bitt' ihn, abzuwenden den Mißbrauch; – ich fleh' ihn, zu behüten vor dem Fehltritte – und zu bewahren vor der Fehlbitte, – und bezeuge, daß kein Gott ist als er, – und keiner mehr, – ein Gott, der belohnt die Almosenspendenden – und beschämt die ihr Antlitz Wendenden, – die mit leerer Hand Entsendenden; – der verpönt hat Zins und Wucher – und erlaubt das Gewerbe der Wohlthatensucher. – Ich bezeuge, daß Mohammed ist sein werter Bot', – in die Welt gesandt wie das Morgenrot, – um die Finsternis durch das Licht zu scheuchen – und den Armen zu helfen gegen die Reichen. – Er war (Gott sei ihm gnädig) den Dürftigen mild – und der Unterdrückten Schild; – er hat die Güter der Begüterten besteuert – und der Not der Notleidenden gesteuert. – Gott stell' ihn höher als die Höchsten – und näher dem Thron als die Nächsten! – Ihn speisen des Paradieses Äste, – wie er einst gespeist aufs beste – die Leute der Soffas, des Islams Gäste.7) – Nun aber, Gott der höchste hat die Ehe eingesetzt zu einer Zucht – und Heiles Frucht, – als Mittel zu des bösen Triebes Gewältigung – und als Weg zu eurer Vervielfältigung. – Er sagt: O ihr Menschen, wir haben euch geschaffen Mann und Weib, damit ihr einander überkleidet,8) – und haben euch gemacht zu Stämmen und Geschlechtern, auf daß ihr euch voneinander unterscheidet. – Hier nun ist Abu Derradsch, – Welladsch Ben Cherradsch, – Fänger, Sohn des Gängers, – Sohnes des Drängers; – Herr vom unverschämten Gesicht, – Habegern von Fürchtenicht, – der preisliche, freisliche, – unabweisliche, unabspeisliche, – mit allen Wassern gewaschen – und Meister von allen Taschen; – der begehrt die Zierde ihres Stamms, – die Begierde ihres Bräutigams, – die Kambas, – Bint Ebi Ambas, – Krauselind, – Tochter von Brausewind, – wegen dessen, was er vernommen von ihrer Übsamkeit – und unbetrübsamen Betriebsamkeit, – von ihrer Abrüchtigkeit, – Gabsüchtigkeit und Trabflüchtigkeit; – und bestimmt ihr zum Mahlschatz einen Rock und eine Tasche – einen Stock und eine Flasche. – So gewähret denn dem Freier, der freit nach seinem Stand, – und verschlinget dem seinigen euer Band; – »und wenn ihr fürchtet die Armut, Gott wird euch aufthun seine milde Hand.«9) – Und nun beug' ich mich vor Gott als sein demütiger Knecht, – ihn bittend, daß er mehre in den Herbergen euer Geschlecht – und wahre gegen die Schergen euer Recht. – – Als so der Scheich den Vortrag beschlossen – und der Bräutigam des Jaworts genossen; – da ward ein Hochzeitsspenderegen10) ergossen, – dessen Strom die Wünsche der Begehrlichkeit deckte – und im Geize Nacheiferung der Großmut weckte. – Darauf erhob sich der Scheich und wandelte hindannen mit Schlendern – und zog alles Volk sich nach gleich seinen Gewändern. – Hareth Ben Hemmam spricht: Um voll zu machen des Tages Lustausbeute, – folgt' ich dem Rückzug der Leute. – Da führte sie ihr Führer, um sie zu erfrischen, – in einen Saal mit gedeckten Tischen, – auf denen hatten die Meister der Küche – gleichmäßig verteilt die Gericht' und Gerüche. – Als nun jeder gefaßt seinen Posten – und bereit war, zu kauen und zu kosten, – wollt' ich aus den Reihen der Schlacht entweichen – und fliehn, als man zum Angriff gab das Zeichen. – Da machte der Alte nach mir eine Wendung, – und mein Auge traf von seinem Blick eine Blendung; – er rief: wohin willst du, Mucker? – und wo hin zielst du, Ducker? – bist du nicht hier in Gesellschaft Schmucker? – Ich rief: Bei dem, der die Sphären rollt – und die Himmel auslegt mit Gold! – keinen Bissen werd' ich versuchen, – noch anrühren einen Kuchen, – du sagest denn, woher du stammest, – woher du wehest, wohin du flammest? – Da schnob sein Seufzer dem Himmel entgegen, – dann stob nieder sein Thränenregen; – dann brach aus seiner Trübe das Licht an, – er nahm ein mir bekanntes Gesicht an – und hub so den Bericht an:
Mein Geburtsland ist Serug, |
Der Erzähler spricht: Als nun sein Gedicht mir gegeben des Rätsels Schlüssel, – begrüßt ich mit Lust den Bekannten und aß mit ihm aus einer Schüssel. – Worauf ich, solang ich in Kahira weilte, – beständig seine Gesellschaft teilte, – stets pochend an seiner Geistesschatzkammern Pforte – und meines Ohres Muschel füllend mit den Perlen seiner Worte; – bis daß der Rabe der Trennung zwischen uns krächzte – und meine Seele beim Abschied ächzte.