Othello zu den Vorigen.
Othello.
Wohl, meine liebe Gemahlin - - Himmel! wie werd ich an mich halten
können! - - wie gehts euch, Desdemona? Gebt mir eure Hand;
diese Hand ist feucht, Madam. Heiß, heiß, und feucht
- - eine solche Hand erfordert Eingezogenheit; fasten und beten,
viel Casteyung, und geistliche Uebungen; denn es ist ein feuriger,
schwizender Teufel hier, der oft rebellisch wird; es ist eine
gute Hand, eine freygebige Hand.
Desdemona.
Ihr könnt in der That wohl so sagen; denn es war die Hand
die mein Herz weggab.
Othello.
Eine freygebige Hand. In vorigen Zeiten gaben die Hände Herzen;
aber unsre neue Heraldik ist Hände ohne Herz.*
Desdemona.
Ich verstehe mich nichts hierauf; kommt, wir wollen nun von euerm
Versprechen reden.
Othello.
Was für ein Versprechen, mein Däubchen?
Desdemona.
Ich habe zu Cassio geschikt, daß er kommen und mit euch
reden solle.
Othello.
Ich bin mit einem beschwerlichen Schnuppen geplagt; leih mir dein
Schnupftuch!
Desdemona.
Hier, mein Gemahl.
Othello.
Das, so ihr von mir bekommen habt.
Desdemona.
Ich hab es nicht bey mir.
Othello.
Nicht?
Desdemona.
In der That, nicht.
Othello.
Das ist ein Fehler. Das nemliche Schnupftuch hatte meine Mutter
von einer Zigäunerin, die sich auf die Zauberey verstuhnd,
und den Leuten so gar sagen konnte, was sie dachten. Sie sagte
ihr, so lange sie es behalten würde, würd' es sie liebenswürdig
und ihr das Herz meines Vaters gänzlich eigen machen; wenn
sie es aber verlöhre, oder verschenkte, würde sie auf
einmal allen Reiz in seinen Augen verliehren, und ihm verhaßt
und unerträglich werden. Meine Mutter gab mir's da sie starb
und bat mich, wenn ich jemals heurathete, es meinem Weibe zu geben.
Ich that es, und ich sag euch, habt Acht darauf. - - Bewahrt es,
wie euern Augapfel: Es verliehren oder weggeben, wär' ein
Unglük, dem kein anders zu vergleichen wäre.
Desdemona.
Ists möglich?
Othello.
Es ist würklich so; es ist etwas zauberisches in dem Gewebe
davon. Eine Fee, welche den Lauf der Sonne zweyhundert mal anfangen
und enden gesehen hatte, machte die Stikerey daran: Die Würmer
waren geweyht, welche die Seide dazu spannen, und es wurde mit
Mumien von einbalsamierten Jungfern-Herzen gefärbt.
Desdemona.
In der That! Ist das wahr?
Othello.
Sehr wahr; ihr könnt also nur Sorge dazu tragen.
Desdemona.
Wenn es so ist, so wollt' ich zu Gott, ich hätt' es nie gesehen!
Othello.
Ha! Warum?
Desdemona.
Warum sprecht ihr so hastig und auffahrend?
Othello.
Ist's verlohren? Ist's hin? Sagt, ist es fort?
Desdemona.
Gott sey bey uns! - -
Othello.
Was sagt ihr?
Desdemona.
Es ist nicht verlohren; aber gesezt, es wäre verlohren?
Othello.
Ha!
Desdemona.
Ich sag, es ist nicht verlohren.
Othello.
Holt es, ich will es sehen.
Desdemona.
Gut, das kan ich, mein Herr; aber ich will izt nicht: Das ist
ein kleiner Streich, wodurch ihr mich von meiner Bitte abbringen
wollt. Ich bitte euch, laßt euer Haus dem Cassio wieder
offen seyn.
Othello.
Holt mir das Schnupftuch - - ich will nicht hoffen - -
Desdemona.
Kommt, ihr werdet niemals einen bravern Mann an seinen Plaz bekommen.
Othello.
Das Schnupftuch - -
Desdemona.
Ein Mann, der bisher sein ganzes Glük auf eure Freundschaft
gebaut hat; der Gefahren mit euch getheilt hat - -
Othello.
Das Schnupftuch.
Desdemona.
Wahrhaftig, ihr seyd zu tadeln - -
Othello.
Hinweg! - -
(Er geht ab.)
* Eine satyrische Anspielung auf die vielen Baronets, welche
König Jacob der Erste machte, und die unter andern Vorrechten
eine rothe Hand in einem silbernen Feld in den Wappen-Schild ihrer
Vorfahren bekamen.