Timon zu Apemanthus.
Wieder ein Mensch? Pest! Pest!
Apemanthus.
Ich bin hieher gewiesen worden. Die Leute sagen, du massest dich
an, meine Lebensart nachzuahmen.
Timon.
So muß es deßwegen seyn, weil du keinen Hund hältst,
den ich nachahmen könnte. Daß du die Schwindsucht kriegtest!
Apemanthus.
Es ist an dir nur etwas erzwungnes, eine arme unmännliche
Melancholey, die bloß aus dem Wechsel deines Glüks
entsprungen ist. Wozu dieses Grabscheit? Warum in diesem Walde?
Warum dieser sclavenmässige Aufzug? Und diese kummervolle
Blike? Deine Schmeichler tragen indessen Seide, trinken Wein,
ligen weich, schwimmen in lieblichen Gerüchen, und haben
vergessen, daß jemals ein Timon war. Entehre diese Kleidung
nicht, die dir das Ansehen und die Vorrechte eines Censors geben
soll. Sey du izt ein Schmeichler, versuch' es, dich nun durch
eben dieses fortzubringen, was dich zu Grunde gerichtet hat; beuge
deine Knie, und laß den blossen Athem dessen, dem du aufwartest,
deine Müze vom Kopf herabwehen; erhebe seine lasterhaftesten
Ausschweiffungen, und nenne sie vortreflich. So redte man mit
dir; und du gabst deine Ohren dazu her, den Bierwirthen ähnlich,
die Schelmen und alles was zu ihnen kommt willkommen heissen.
Es ist höchst billig, daß du ein Spizbube werdest;
hättest du noch Vermögen, so würden Spizbuben es
haben. Affectire keine Gleichheit mit mir, sag ich dir!
Timon.
Wenn ich dir gleich wäre, ich wollte mich selbst wegwerfen.
Apemanthus.
Du hast dich selbst weggeworffen, da du dir selbst gleich warst;
so lang' ein Unsinniger, izt ein Narr! Wie? denkst du, die kalte
Luft, dein ungestümer Kammerherr, werde dir ein warmes Hemde
reichen? Meynst du, diese bemooßten Bäume, die den
Adler überlebt haben, werden wie Pagen hinter dir hertreten,
und dir auf einen Wink zulauffen? Wird der kalte, mit Eis candirte
Bach dir ein Cordial zum Frühstük geben, um die Unverdaulichkeit
der gestrigen Nachtmahlzeit zu verbessern? Ruffe den nakten Geschöpfen,
die der rauhen Witterung, und den kämpfenden Elementen ihre
unverwahrten Rümpfe entgegen bieten; befiehl ihnen, dir zu
schmeicheln; o, du wirst finden - -
Timon.
Daß du ein Narr bist; zieh' ab.
Apemanthus.
Du bist mir izt lieber als jemals.
Timon.
Und du mir desto verhaßter.
Apemanthus.
Warum?
Timon.
Du schmeichelst der Dürftigkeit.
Apemanthus.
Ich schmeichle nicht; ich sage nur, daß du ein elender Tropf
bist.
Timon.
Warum suchst du mich auf?
Apemanthus.
Um dich zu scheeren.
Timon.
Das ist immer die Verrichtung eines Bösewichts, oder eines
Narren. Däucht sie dir kurzweilig?
Apemanthus.
Ja.
Timon.
Was für ein Schurke du bist!
Apemanthus.
Wenn du diesen schwermüthigen kalten Habit angezogen hättest,
deinen Stolz zu züchtigen, so hättest du wol daran gethan;
aber du thust es aus Noth; du würdest ein Stuzer seyn, wenn
du nicht ein Bettler wärest. Freywillige Armuth überlebt
ungewisses Wohlleben; dieses wird immer gefüllt und doch
nie voll, jene erreicht ihren höchsten Wunsch auf einmal;
der glüklichste Stand ist mißvergnügt, der elendeste
zufrieden. Du solltest zu sterben wünschen, weil du
in einem so armseligen Zustand bist.
Timon.
Nicht weil mir's einer sagt, der noch armseliger ist. Du bist
ein Sclave, den das Glük nie mit zärtlichen Armen an
ihre Brust drükte; sondern zu einem Hund gebohren. Wärest
du wie wir, von der ersten Stuffe des Lebens an, durch alle die
angenehmen Grade von Glükseligkeit fortgeschritten, die diese
kurze Welt denjenigen gewährt, die sich nur besinnen dürfen,
was sie von allen ihren Waaren haben wollen: Du hättest dich
in dem diksten Schlamm der Lüderlichkeit herumgewälzt,
deine Jugend in den schändlichsten Ausschweiffungen verschwendet,
und nimmermehr die kalten Vorschriften der Mässigung und
des Wohlstands beobachten gelernt, sondern würdest dem verzükerten
Spiel vor dir her blindlings nachgeloffen seyn. Aber daß
ich, für dessen Vergnügen die ganze Welt arbeitete,
der die Zungen, die Augen, die Herzen der Menschen zu seinem Gebot
hatte, mehr als ich ihnen Verrichtungen erdenken konnte, an dem
unzähliche hiengen, wie die Blätter an einer Eiche;
die aber alle, von einem einzigen Winter-Anstoß, von ihren
Zweigen abgefallen sind, und mich entblößt und unbedekt
jedem Sturm ausgesezt gelassen haben: Daß ich, der nie etwas
anders als bessers gekannt hat, diß ertragen soll, ist etwas
schwer. Dein Wesen fieng mit Elend an, und die Zeit hat dich dazu
abgehärtet. Warum solltest du die Menschen hassen? Sie haben
dir nie geschmeichelt. Was hast du ihnen geben können? Wenn
du fluchen willt, so muß dein Vater, der arme Lumpenhund,
der Gegenstand seyn, der, in einem Anstoß von Brunst, irgend
eine Bettlerin überfallen, und dich armseligen Erb-Lumpenhund
zusammgeflikt hat - - Hinweg, pake dich! - - Wärest du nicht
zum untersten unter allen Menschen gebohren, so würdest du
ein Spizbube und Schmeichler gewesen seyn.
Apemanthus.
Bist du noch stolz?
Timon.
Ja, daß ich nicht du bin.
Apemanthus.
Und ich, daß ich kein Verschwender gewesen bin.
Timon.
Und ich, daß ich izt noch einer bin. Wär' aller Reichthum,
den ich hatte, in dir aufgeschüttet, so wollt' ich dir Erlaubniß
geben, ihn aufzuhängen. Geh deines Weges - - O! daß
das Leben von ganz Athen in dieser Wurzel wäre! So wollt'
ich es essen.
(Er ißt eine Wurzel.)
Apemanthus.
Hier, ich will deine Mahlzeit verbessern.
Timon.
Verbeßre erst meine Gesellschaft, und pake dich fort!
Apemanthus.
Was hättest du gern zu Athen - -
Timon.
Dich, in einem Wirbelwind; wenn du willt, so sag ihnen, ich habe
Gold; siehst du, daß ich habe.
Apemanthus.
Hier hat es keinen Nuzen.
Timon.
Den besten und sichersten; denn hier schläft es, und thut
keinen gedungnen Schaden.
Apemanthus.
Wo ligst du des Nachts, Timon?
Timon.
Unter dem was über mir ist. Wo futterst du des Tags, Apemanthus?
Apemanthus.
Wo mein Magen Speise findet, oder vielmehr wo ich sie esse.
Timon.
Ich wollte, das Gift müßte mir gehorchen, und wüßte
meine Gedanken.
Apemanthus.
Wo wolltest du es hinschiken?
Timon.
Deine Schüsseln zu würzen.
Apemanthus.
Das Mittel der Menschlichkeit hast du nie gekannt, sondern nur
das äusserste von beyden Enden. Wie du in deinen vergoldeten
Zimmern, und von ausgesuchten Specereyen umduftet warst, da trieben
sie ihr Gespötte über deine ausschweiffende Zärtlichkeit
des Geschmaks; izt da du in Lumpen bist, hast du gar keine, sondern
wirst des Gegentheils halben verabscheut. Hier ist eine Mespel
für dich, iß sie.
Timon.
Ich esse von nichts, was ich nicht leiden kan.
Apemanthus.
Kanst du die Mespeln nicht leiden?
Timon.
Nein, ob sie schon dir gleich sehen.
Apemanthus.
Hättest du sie früher nicht leiden können, so würdest
du izt besser mit dir selbst zufrieden seyn. Hast du jemals einen
Verschwender gekannt, den man noch geliebt hat, nachdem er um
seine Mittel gekommen ist?
Timon.
Wen hast du jemals ohne diese Mittel, wovon du redst, beliebt
gesehen?
Apemanthus.
Mich selbst.
Timon.
Ich verstehe dich, du hast einige Mittel, einen Hund zu halten.
Apemanthus.
Was für Dinge in der Welt findst du deinen Schmeichlern am
ähnlichsten?
Timon.
Weiber - - Was wolltest du mit der Welt thun, Apemanthus, wenn
sie in deiner Gewalt wäre?
Apemanthus.
Sie den wilden Thieren vorwerfen, damit ich der Menschen los würde.
Timon.
Wolltest du selbst auch das Schiksal der Menschen haben, oder
unter den wilden Thieren ein wildes Thier werden?
Apemanthus.
Das lezte, Timon.
Timon.
Ein bestialischer Wunsch, den die Götter dir gewähren
mögen! Wenn du ein Löwe wärst, so würde dich
der Fuchs betrügen; wärst du ein Lamm, so würde
der Fuchs dich fressen; wärst du der Fuchs, so würdest
du dem Löwen verdächtig werden, wenn dich zufallsweis
ein Esel anklagte; wärst du der Esel, so würde dich
deine Dummheit plagen, und du lebtest immer als ein Frühstük
für den Wolf. Wärst du der Wolf, so würde dir deine
Gefressigkeit zur Quaal werden, und du würdest oft dein Leben
für dein Mittagessen wagen. Wärst du das Einhorn, so
würde dich Stolz und Grimm verderben, und in Ermanglung eines
andern würdest du die Beute deiner eignen Wuth werden. Wärst
du ein Bär, so würde dich das Roß tödten;
wärst du ein Roß, so würde dich der Leopard ergreiffen;
wärst du ein Leopard, so wärst du des Löwen Vetter,
und deine Fleken würden deine eigne Verwandten gegen dein
Leben aufhezen. Alle deine Sicherheit wär' in Entfernung,
und dein Schuz in der Abwesenheit eines Feindes. Was für
ein Thier könntest du seyn, das nicht einem Thier unterworffen
wäre? Und was für ein Stük Vieh bist du izt schon,
daß du nicht siehst, wie viel du bey der Verwandlung verliehren
würdest?
Apemanthus.
Wenn du mir durch irgend ein Gespräch gefallen könntest,
so hättest du es izt getroffen. Das gemeine Wesen von Athen
ist ein Wald von Thieren worden.
Timon.
Wie ist dann der Esel durch die Mauern gebrochen, daß du
ausser der Stadt bist?
Apemanthus.
Dort kommt ein Poet und ein Mahler; die Pest der menschlichen
Gesellschaft falle auf dich! Ich besorge, daß sie mich ansteken
möchte, und will mich mit der Flucht retten. Wenn ich sonst
nichts zu thun weiß, will ich dich wieder sehen.
Timon.
Wenn sonst nichts lebendiges mehr ist als du, sollt du mir willkommen
seyn.
Apemanthus.
Du bist das Oberhaupt von allen iztlebenden Narren.
Timon.
Ich wollte, du wärest sauber genug, daß ich auf dich
speyen könnte. Daß du die Kränke hättest!
Apemanthus.
Du bist ein zu schlechter Kerl, als daß du jemandem fluchen
könntest.
Timon.
Alle Galgenschwengel werden rein, wenn sie neben dir stehen.
Apemanthus.
Es ist sonst kein Aussaz, als was du redst.
Timon.
Wenn ich dich nenne - - Prügeln will ich dich; doch, ich
würde nur meine Hände kräzicht machen.
Apemanthus.
Ich wollte, meine Zunge könnte machen, daß sie abfaulten.
Timon.
Weg, du Gezücht eines räudigen Hunds. Ich sterbe vor
Zorn, daß du in der Welt bist; ich fall' in Unmacht, wenn
ich dich ansehe.
Apemanthus.
Daß du bersten möchtest?
Timon.
Hinweg, du verabscheuter Raker; ich fürchte, du treibst mir
einen H*d*n ab.
Apemanthus.
Vieh!
Timon.
Sclave!
Apemanthus.
Kröte!
Timon.
Lumpenhund, Lumpenhund, etc.
(Apemanthus zieht sich zurük, als ob er gehe.)
Ich bin dieser falschen Welt überdrüssig, und will nichts in ihr lieben, als ihre blossen Nothwendigkeiten. So zögre dann nicht, Timon, dir dein Grab zu machen, dort, wo der leichte Meerschaum deinen Grabstein täglich schlagen soll; mache deine Grabschrift, daß der Tod in mir über andrer Leben lache. (Er sieht auf das Gold, das zu seinen Füssen ligt.) O du angenehmer Königs-Mörder! du werthe Scheidung zwischen dem leiblichen Sohn und seinem Vater! du schimmernder Besudler von Hymens keuschestem Bette! du dapfrer Mars! du immer junger, frischer, beliebter, und reizender Buhler, dessen Röthe den geheiligten Schnee, der auf Dianens Schooß ligt, zerschmelzt! Du sichtbarer Gott, der Unmöglichkeiten zusammenfügt, und einander küssen macht! der jede Sprache zu jeder Absicht reden kan! O du Probstein der Herzen; denke, dein Sclave, der Mensch, empöre sich wider dich, und seze sie durch deine Macht in eine so zerrüttende Zwietracht, bis die Herrschaft über die Welt den Thieren bleibt.
Apemanthus.
Ich wollt' es wäre so, aber nicht eher, als bis ich todt
bin! Ich will sagen, du habest Gold; was für einen Zulauff,
du augenbliklich bekommen wirst!
Timon.
Einen Zulauf?
Apemanthus.
Ja.
Timon.
Deinen Rüken, ich bitte dich.
Apemanthus.
Leb' und liebe dein Elend!
Timon.
Leb lange so und stirb so! Ich bin quitt.
Apemanthus.
Schau, mehr Dinge die wie Menschen aussehen - - - iß, Timon,
und verabscheue sie.
(Apemanthus geht ab.)