Die Diebe treten auf.
1. Dieb.
Wo mag er wol sein Geld haben? Es wird irgend ein armseliges Fragment,
irgend ein übriges Bißchen sein, das er noch davon
gebracht hat. Nichts anders, als der Mangel an Geld, und der Undank
seiner Freunde, hat ihn zu dieser Melancholey gebracht.
2. Dieb.
Das Gerücht geht, er hab' einen Schaz gefunden.
3. Dieb.
Wir wollen einen Versuch machen; wenn er nichts darnach fragt;
wird er's uns gutwillig geben; aber wenn er so geizig ist, daß
er's für sich allein behalten will, was ist dann zu thun?
2. Dieb.
Er wird den Schaz nicht bey sich tragen; er wird ihn verstekt
haben.
1. Dieb.
Ist der nicht Timon?
Alle.
Wo?
2. Dieb.
Der Beschreibung nach ist er's.
3. Dieb.
Er ists, ich kenn' ihn.
Alle.
Grüß dich Gott, Timon.
Timon.
He, Diebe.
Alle.
Soldaten, keine Diebe.
Timon.
Beydes, und von Weibern gebohren.
Alle.
Diebe sind wir nicht, aber Leute, die sehr viel Bedürfnisse
haben.
Timon.
Euer gröstes Bedürfniß ist, was ihr aller Orten
finden könnet: Was solltet ihr bedürfen? Seht, die Erde
hat Wurzeln; innert einer Meile um uns her entspringen hundert
Quellen; die Eichen tragen Eicheln, die Gesträuche, Hambutten;
die gutthätige Hausmutter, Natur, legt auf jedem Busch ihren
ganzen Kram vor euch aus - - Bedürfnisse? Warum Bedürfnisse?
1. Dieb.
Wir können nicht von Gras, Beeren und Wasser leben; wie Thiere,
Vögel und Fische.
Timon.
Auch nicht von den Thieren, Vögeln und Fischen selbst; ihr
müßt Menschen essen. Doch muß ich euch Dank dafür
sagen, daß ihr offenbare Diebe seyd, und euch nicht in heiligere
Gestalten einhüllet; denn es herrscht grenzenlose Dieberey
auch in gesezmässigen Lebensarten. Galgenschwengel, Diebe,
hier ist Gold! (Er giebt ihnen Geld.) Geht,
saugt das flüchtige Blut der Traube, bis das hizige Fieber
euer Blut zu Schaum kocht, und entgeht dadurch dem Galgen. Vertraut
euch keinem Arzt, seine Arzneyen sind Gift, er tödtet mehr
Menschen als ihr beraubt, und nimmt ihnen ihr Geld mit samt dem
Leben. Treibt eure Bubenstüke, treibt sie, weil ihr euch
dazu bekennt, wie ein andres Handwerk; ich will euch Beyspiele
genug von Dieberey geben. Die Sonn' ist ein Dieb, und beraubt
durch ihre starke Anziehung das weite Welt-Meer. Der Mond ist
ein ausgemachter Dieb, und maußt sein blasses Licht der
Sonne. Das Meer ist ein Dieb, dessen schmelzende Wellen Dämme
in salzichte Thränen auflösen. Die Erde ist ein Dieb,
die uns das Futter, wovon sie lebt, aus dem Unrath aller Dinge
zusammenstiehlt; ein jedes Ding ist ein Dieb. Die Geseze, die
euch binden und mit Ruthen streichen, haben ungestraften Diebstahl
in ihrer rauhen Gewalt. Liebt euch selbst nicht, hinweg, beraubt
einander, hier habt ihr mehr Gold; schneidet Kehlen ab; alle die
euch begegnen sind Diebe: Geht nach Athen, brecht in offne Buden
ein, denn ihr könnt nichts stehlen; das nicht von Dieben
verlohren wird; stehlt nichts desto minder, weil ich euch Gold
gebe, und Gold verderbe euch, Amen!
(Er geht ab.)
3. Dieb.
Er hat mir mein Handwerk schier erleidet, indem er mich dazu aufmunterte.
1. Dieb.
Das ist die allgemeine Bosheit der Menschen; er giebt uns einen
Rath, in Hoffnung, daß er uns an den Galgen bringen werde.
2. Dieb.
So will ich ihm glauben wie einem Feind, und meine Profeßion
aufgeben.
1. Dieb.
Wir wollen erst warten, bis zu Athen Fried' ist.
2. Dieb.
Es ist kein so schlimmer Zustand, worinn ein Mensch nicht noch
gut werden kan.
(Sie gehen ab.)