Zweyter Aufzug.

Erste Scene.

Verwandelt sich in Meiland. Ein Zimmer in dem Herzoglichen Palast.

Valentin und Speed treten auf.

Speed.
Euern Handschuh, Gnädiger Herr - -

Valentin.
Er ist nicht mein; die meinen hab' ich an.

Speed.
So kan er doch euer werden, ob es gleich nur ein einzelner ist.

Valentin.
Wie, laß mich sehen; ah gieb ihn her, er ist mein: o! du holder Schmuk der schönsten Hand! o Silvia, Silvia!

Speed.
Madam Silvia! Madam Silvia!

Valentin.
Was kommt dich an, Bursche?

Speed.
Herr, sie muß nicht so nahe seyn, daß sie mich hören könnte.

Valentin.
Wer sagte dir denn, daß du ihr ruffen solltest?

Speed.
Euer Gnaden selbst, oder ich hab es nicht recht verstanden.

Valentin.
Ihr seyd immer zu voreilig.

Speed.
Und doch ward ich lezthin ausgescholten, daß ich zu langsam sey.

Valentin.
Gut, Sir; aber sagt mir einmal, kennt ihr Donna Silvia?

Speed.
Das wäre die, in die Eu. Gnaden verliebt ist?

Valentin.
Woher wißt ihr, daß ich verliebt bin?

Speed.
Sapperment! aus unfehlbaren Merkmalen; fürs Erste, so habt ihr gelernt, wie Sir Protheus, eure Arme kreuzweis in einander zu winden, wie einer der mit der Regierung unzufrieden ist; an Liebes-Liedern Geschmak zu haben, wie ein Rothkehlchen; allein zu gehen, wie einer der die Pestilenz hat; zu seufzen, wie ein Schul-Knabe, der sein ABC-Buch verlohren hat; zu weinen, wie ein junges Mädchen, die ihre Großmutter begräbt; zu fasten, wie einer, der die Hunger-Cur machen muß; zu wachen, wie einer, der sich vor Dieben fürchtet; und so kränklich zu reden, wie ein Bettler an Aller Heiligen-Tag. Sonst, wenn ihr lachtet, krähtet ihr wie ein Hahn; wenn ihr gienget, so schrittet ihr daher wie ein Löwe; wenn ihr fastetet, so war's unmittelbar nach dem Mittag-Essen; wenn ihr traurig aussahet, so war's, weil ihr kein Geld hattet; und nun hat euch eine Liebste auf einmal so metamorphosiert, daß ich, wenn ich euch ansehe, kaum denken kan, ihr seyd mein Herr.

Valentin.
Sieht man mir alle diese Dinge an?

Speed.
Man sieht sie euch nicht an, sondern sie scheinen aus euch hervor, wie das Wasser aus einem Urin-Glas; so daß euch niemand ansichtig wird, der euch nicht augenbliklich so gut als ein Doctor sagen könnte, wo es euch fehlt.

Valentin.
Aber, antworte mir einmal, kennst du die Donna Sylvia?

Speed.
Ist es die, die ihr immer so angaffet, wenn sie an der Tafel sizt?

Valentin.
Hast du das bemerkt? Eben sie meyn' ich.

Speed.
Nein, Herr, ich kenne sie nicht.

Valentin.
Wie reimt sich das? Du erkennst sie daran, daß ich sie immer angaffe, und doch kennst du sie nicht.

Speed.
Ist sie nicht ein wenig häßlich, wenn man fragen darf*?

Valentin.
Häßlich, dummer Junge? Sie ist so schön als man seyn kan, und noch tausendmal reizender als sie schön ist.

Speed.
Herr, ihr würdet anders reden, wenn ihr sie gesehen hättet, seitdem sie häßlich ist.

Valentin.
Und wie lang ist es, daß sie häßlich ist?

Speed.
Seitdem ihr in sie verliebt seyd.

Valentin.
Ich habe sie vom ersten Anblik an geliebt, und sehe sie immer schön.

Speed.
Wenn ihr sie liebt, so könnt ihr sie gar nicht sehen.

Valentin.
Warum?

Speed.
Weil die Liebe blind ist. O! möchtet ihr meine Augen haben, oder möchten eure eigne Augen noch so gut sehen, wie damals wenn ihr den Signor Protheus ausschaltet, daß er seine Hosen-Bänder nicht zugeschnallt hatte.

Valentin.
Was würd' ich denn sehen?

Speed.
Daß ihr izt zum wenigsten noch ein größrer Thor seyd als er war; denn weil er verliebt war, so sah er nicht ob er seine Hosen-Bänder zugeschnallt hatte; und seitdem ihr verliebt seyd, seht ihr nicht einmal, ob ihr eure Hosen anhabt oder nicht.

Valentin.
Diesem nach must du auch verliebt seyn, Junge; denn verwichnen Morgen konntest du nicht sehen ob meine Schuhe gepuzt seyen.

Speed.
Es ist auch nicht anders, Herr; ich war in mein Bette verliebt; ich danke euch, daß ihr mich meiner Liebe wegen gepeitscht habt; denn das macht mich desto beherzter, euch wegen der eurigen zu beschelten.

Valentin.
Mit einem Wort, ich liebe sie, und verwichne Nacht befahl sie mir, etliche Zeilen an jemand aufzusezen, den sie liebt.

Speed.
Und das habt ihr gethan?

Valentin.
Das hab ich.

Speed.
Die werden elend genug geschrieben seyn!

Valentin.
Nein, Junge, so gut als ich schreiben kan - - Stille! hier kommt sie.

Silvia zu den Vorigen.

Speed (leise.)
Was für eine schöne Puppe! wie artig sie sich dreht! Nun werden wir Wunder hören.

Valentin.
Gnädigste Princeßin und Gebieterin, tausend gute Morgen!

Silvia.
Signor Valentin und Diener, ich gebe euch zweytausend.

Speed.
Das ist ein starker Zins!

Valentin.
Hier ist der Brief an den geheimen, ungenannten, glüklichen Freund, an welchen ich in Eu. Gnaden Namen schreiben sollte; so sauer es mich ankam, zu gehorchen, so ist mir doch alles möglich, wenn es darauf ankommt, eure Befehle zu vollziehen.

Silvia.
Ich danke euch, mein lieber Diener; ihr seyd ein sehr fertiger Concipist.

Valentin.
Es gieng härter her als Eu. Gnaden zu denken scheint; denn weil ich nicht wußte, an wen es seyn sollte, so schrieb ich nur auf gerathewohl, und besorgte immer, zu viel oder zu wenig zu sagen.

Silvia.
Ihr rechnet eure Mühe hoch an, wie es scheint?

Valentin.
Nein, Madam, wenn ihr es verlangt, so will ich wol tausendmal soviel schreiben; und doch - -

Silvia.
Eine artige Periode! Gut, ich errathe was folgen wird; und doch will ich es nicht sagen; und doch mach' ich mir nichts daraus; und doch nehmt euer Papier wieder zurük, und doch dank' ich euch; ich werde euch künftig keine Mühe mehr machen.

Speed (bey Seite.)
Und doch werdet ihr's thun; und doch, und abermal doch - -

Valentin.
Was meynt Euer Gnaden damit? Gefällt euch nicht was ich geschrieben habe?

Silvia.
Ja, ja, es ist ganz artig; aber weil ihrs nicht gerne gethan habt, so nehmt euern Brief wieder; nein, nehmt ihn.

Valentin.
Madam, er ist euer.

Silvia.
Ja, ja; ihr habt ihn auf mein Ansuchen geschrieben, aber ich brauche ihn nicht, er ist euer; ich wollte, daß er rührender wäre.

Valentin.
Ich will Euer Gnaden einen andern schreiben, wenn es euch beliebt.

Silvia.
Und wenn er geschrieben ist, so überleset ihn in meinem Namen, und wenn er euch gefällt, gut; wo nicht, so sey es dann!

Valentin.
Was wär' es dann, wenn er mir gefiele, Madam?

Silvia.
Nun, wenn er euch gefällt, so nehmt ihn für eure Mühe; und hiemit, guten Morgen, Diener.

(Silvia geht ab.)

(Der Rest dieser Scene läßt sich nicht wol übersezen. Speed, der, nach dem löblichen Gebrauch der Comödien, gescheidter als sein Herr ist, belehrt denselben mit vielen Umschweiffungen von Wortspielen und kühlen Spässen, daß dieser Auftrag den ihm Silvia gemacht, und die Zurükgabe des Briefs nichts anders als ein Kunstgriff sey, wodurch ihm diese Dame auf eine feine Art ihre Liebe habe erklären wollen. Valentin, welcher dieses nicht gemerkt hatte, begnügt sich hierauf zu sagen: Ich wünsche, es möge nichts schlimmers seyn; und sie gehen endlich ab, weil es, nach Speeds Beobachtung, Mittag-Essens-Zeit ist.)


* Man hat sich hier einige Freyheiten in der Uebersezung nehmen müssen, weil die albernen Spässe des Speed sich im Original um ein paar Wortspiele herumdrehen, die sich nicht ausdrüken liessen. Zurück


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