Siebende Scene.

Valentin.
Sagt mir, wie leben alle diejenigen, die ihr zurükgelassen habt?

Protheus.
Eure Verwandte sind alle wohl, und empfehlen sich euch aufs beste.

Valentin.
Und wie steht es um die eurigen?

Protheus.
Ich verließ sie alle wohl.

Valentin.
Was macht euer Fräulein? und was für einen Fortgang hat eure Liebe?

Protheus.
Hattet ihr nicht allemal lange Weile, wenn ich euch von meiner Liebe sprach? Ich weiß, ihr seyd kein Freund von dergleichen Unterredungen.

Valentin.
Ach, Protheus, diese Zeit ist nun vorbey; und ich habe die Verachtung des Liebes-Gottes theuer gebüßt! seine allbezwingende Macht hat mich mit bittern Fasten, mit büssenden Seufzern, mit nächtlichen Thränen und täglichem Kummer gestraft; hat, meinen Frevel zu rächen, den Schlaf von meinen bezwungnen Augen vertrieben, und sie zu Wächtern meiner Herzens-Sorgen gemacht. O, liebster Protheus, Amor ist eine mächtige Gottheit, und hat mich so gedemüthiget, daß ich nun bekenne, daß seiner Macht nichts widerstehen kan; daß keine Freude, keine Glükseligkeit ist, als die Amor giebt - - O, Protheus, izt dient mir das blosse Wort Liebe für Frühstük, Mittagessen, Nachtessen und Schlaf.

Protheus.
Genug; ich lese euern Zustand in euern Augen. Und wer ist dann die Göttin, die ihr so anbetet?

Valentin.
Eben Sie; sagt, ist sie nicht ein himmlischer Engel?

Protheus.
Nein; sie hat ihres gleichen auf Erden.

Valentin.
Nenne sie göttlich!

Protheus.
Ich will ihr nicht schmeicheln.

Valentin.
So schmeichle mir; was hören wir lieber, als das Lob dessen was wir lieben?

Protheus.
Wie ich krank war, gabt ihr mit bittre Pillen ein; izt ist es an mir, euch diesen Dienst zu leisten.

Valentin.
So rede nur die Wahrheit von ihr; wenn du sie nicht göttlich nennen willst, so gestehe wenigstens, daß sie die Königin aller irdischen Geschöpfe ist.

Protheus.
Aller, wenn du willst, meine Geliebte ausgenommen.

Valentin.
Liebster Freund, nimm keine aus; eine einzige Ausnahme würde schon ein Einwurf gegen meine Liebe seyn.

Protheus.
Habe ich nicht Ursache, die meinige vorzuziehen?

Valentin.
Ich will dir selbst dazu helfen; sie soll der hohen Ehre gewürdiget werden, die Schleppe meiner Gebieterin zu tragen, damit die unedle Erde sich nicht unterstehen könne, einen Kuß auf den Saum ihres Roks zu stehlen, und von einem so grossen Glük übermüthig sich weigere, die schwellende Sommer-Blume zu tragen, und den rauhen Winter immerwährend mache.

Protheus.
Wie, Valentin, was für hochtrabender Unsinn ist das?

Valentin.
Vergieb mir, Protheus; alles was ich sagen kan, ist nichts gegen Sie, deren Werth allen andern Werth zu nichts macht; sie ist allein - -

Protheus.
So laß sie allein!

Valentin.
Nicht um die Welt: wie, Mann, ist sie mein; und ich bin reicher durch den Besiz eines solchen Kleinods als durch zwanzig Seen, deren Sand lauter Perlen, ihr Wasser Nectar, und ihre Felsen das feinste Gold wären. Vergieb mir, daß die Heftigkeit meiner Liebe mich nicht an die deinige denken läßt - - Mein abgeschmakter Nebenbuhler, den ihr Vater bloß um seiner grossen Reichthümer willen unterstüzt, ist mit ihr gegangen, und ich muß ihr folgen; denn Liebe ist, du weissest es, voller Eifersucht.

Protheus.
Aber sie liebt euch ja?

Valentin.
Ja, und sie hat sich mir versprochen; noch mehr, die Stunde unsrer Vermählung ist schon angesezt, und der ganze Entwurf unsrer heimlichen Flucht schon veranstaltet - - wie ich vermittelst einer Strik-Leiter ihr Fenster ersteigen soll - - kurz, alle Mittel zu meiner Glükseligkeit sind ausfündig gemacht und von ihr gebilliget. Liebster Protheus, komm in mein Zimmer, um mir in dieser Angelegenheit mit deinem Rathe beyzustehen.

Protheus.
Geht nur voraus; ich will euch schon erfragen. Ich muß nur an die Rhede, um einige Sachen auszupaken, die ich unentbehrlich brauche; ich will aufs bäldeste wieder bey euch seyn.

Valentin.
Wollt ihr euch beschleunigen?

Protheus.
Ich will.

(Valentin geht ab.)

Eben so, wie eine Hize die andre austreibt, oder ein stärkerer Nagel den schwächern: So hat der Anblik eines neuen Gegenstands die Erinnerung an meine vorige Liebe vertrieben. Ist es mein Auge, oder Valentins Lob, ihre würkliche Vollkommenheit, oder der Betrug meiner Unbeständigkeit, was mich in diese Verwirrung von Gedanken sezt? Sie ist schön; und so ist Julia, die ich liebe; die ich liebte, denn nun ist diese Liebe weggeschmolzen, und hat, wie ein wächsern Bild am Feuer, die Gestalt die sie trug verlohren. Ich spüre daß meine Freundschaft zu Valentin erkaltet ist, und daß ich ihn nicht mehr liebe wie ehmals. O! dafür liebe ich seine Geliebte, nur zu sehr, zu sehr; und das ist die Ursache, warum ich ihn so wenig liebe. Wie heftig wird der nähere Umgang eine Leidenschaft machen, die ihr erster Anblik schon entzündet hat? was ich von ihr gesehen habe, ist nur ihr Gemählde, und das hat die Augen meiner Vernunft schon so sehr geblendet; was wird das Anschauen ihrer Vollkommenheiten thun? Es kan nicht anders seyn, ich muß blind werden - - Und doch, ich will - - wenn's möglich ist, will ich eine verirrende Liebe zurüktreiben: wo nicht, so will ich doch das äusserste anwenden, mich von ihr Meister zu machen.

(Er geht ab.)


Vorige Seite Titelseite Nächste Seite