Dritte Scene.

Valentin.
Und warum nicht lieber sterben, als immer auf der Folter leben? Sterben ist von mir selbst verbannt seyn: Und Silvia ist ich selbst; von ihr verbannt ist Selbst von Selbst geschieden: Ein wahrer Tod! Welches Licht ist Licht, wenn es mir Silvia nicht sichtbar macht? Welche Freude ist Freude, wenn Silvia nicht Antheil nimmt? O Silvia! wenn ich nicht bey dir bin, so ist keine Musik in dem nächtlichen Gesang der Nachtigall! Und wenn ich bey Tage dich nicht sehe, so seh' ich keinen Tag! Du bist mein Wesen, und ich höre auf zu seyn, wenn der Einfluß deiner schönen Blike mich nicht bestralt, erwärmt, erleuchtet und im Leben unterhält! Nein, ich fliehe den Tod nicht, den dieses tödtliche Urtheil mir andräuet; bleibe ich hier, so erwart' ich nur den Tod; flieh ich von hier, so flieh ich vom Leben weg.

Protheus und Lanz treten auf.

Protheus.
Lauff, Junge, lauff, lauff, und such' ihn auf.

Lanz.
Holla - - he! Holla - - he! - -

Protheus.
Was siehst du?

Lanz.
Ihn, den wir suchen; es ist kein Haar auf seinem Kopf, das nicht ein Velten ist.

Protheus.
Valentin - -

Valentin.
Nein.

Protheus.
Was denn? Sein Geist? - -

Valentin.
Auch nicht.

Protheus.
Was denn?

Valentin.
Niemand.

Lanz.
Kan niemand reden? Herr, soll ich schlagen?

Protheus.
Wen willt du schlagen?

Valentin.
Niemand.

Protheus.
Halt, Schurke!

Lanz.
Wie, Herr, ich schlage niemand: ich bitte euch - -

Protheus.
Halt ein, sag ich: Valentin, ein Wort mit euch - -

Valentin.
Meine Ohren sind mit schlimmen Zeitungen so voll gestopft, daß sie keine gute hören können.

Protheus.
So will ich die meinigen in Stillschweigen begraben, denn sie sind hart und übellautend.

Valentin.
Ist Silvia todt?

Protheus.
Nein, Valentin.

Valentin.
Ist sie mir untreu worden?

Protheus.
Nein.

Valentin.
Was ist denn eure Neuigkeit?

Protheus.
Daß du verbannt bist; o! das ist die traurige Neuigkeit! von hier, von Silvia, und von deinem Freunde.

Valentin.
Weiß es Silvia, daß ich verbannt bin?

Protheus.
Ja, und sie hat über dein Urtheil, welches unwiderruflich in seiner vollen Kraft besteht, eine See von schmelzenden Perlen zu den Füssen ihres unerbittlichen Vaters ausgegossen; mit ihnen sich selbst zu seinen Füssen hingeworfen, und ihre schönen Hände ringend um deine Begnadigung gefleht. Aber weder ihr Aechzen noch ihre Thränen konnten den unbarmherzigen Alten rühren; Valentin muß sterben, wenn er ergriffen wird. Alles was sie mit ihrer Fürbitte gewonnen hat, war, daß sie unter den härtesten Bedrohungen, in engere Verwahrung gebracht worden ist.

Valentin.
Genug, mein Freund, es wäre dann, daß das nächste Wort, das du reden wolltest, eine tödtende Kraft hätte: Wenn das ist, so bitt' ich dich, rede, und ende auf einmal meinen endlosen Schmerz.

Protheus.
Halt' ein mit Klagen, die dein Unglük nicht ändern können, und denke darauf, wie du dem Uebel begegnen wollest, das du beklagst. Die Zeit ist die Säugamme und Pflegerin alles Guten; wenn du hier verweilst, so geschieht es ohne Nuzen für deine Liebe, und auf Gefahr deines Lebens. Hoffnung ist der Stab eines Liebhabers; mit diesem wandre von hinnen, und vertreibe damit die verzweifelnden Gedanken. Deine Briefe können hier seyn, wenn du gleich selbst abwesend bist; übermache sie an mich, und ich verspreche dir, sie unmittelbar in den milchweissen Busen deiner Geliebten zu überliefern. Es ist izt keine Zeit zu Klagliedern; komm, ich will dich bis durch die Stadt-Thore begleitete, und, eh ich dich verlasse, mich ausführlich über alles was deine Liebe betrift mit dir besprechen. Wenn du es auch nicht um dein Selbst willen thun willt, so thu es aus Liebe zu Silvia, und folge mir.

Valentin.
Ich bitte dich, Lanz, wenn du meinen Kerl siehst, so heiß ihn eilen, und an dem nördlichen Thor auf mich warten.

Protheus.
Geh, such ihn auf: Kommt, Valentin.

Valentin.
O meine theure Silvia! Unglüklicher Valentin!

(Sie gehen ab.)


Vorige Seite Titelseite Nächste Seite