Fünfte Scene.

Der Herzog und Thurio treten auf.

Herzog.
Signor Thurio, zweifelt nicht, daß ihr nun ihr Herz gewinnen werdet, da Valentin aus ihrem Gesicht verbannt ist.

Thurio.
Sie begegnet mir seit seiner Verweisung noch weit schlimmer als zuvor; sie hat meine Gesellschaft verschworen, und mir ihre Verachtung so nachdrüklich erklärt, daß ich alle Hoffnung aufgebe, sie zu gewinnen.

Herzog.
Glaubt mir, diese Eindrüke von Liebe sind wie eine Figur in Eis geschnitten, die von der Wärme einer einzigen Stunde in Wasser aufgelöst wird. Ein wenig Zeit wird ihre gefrornen Gedanken schmelzen, und der unwürdige Valentin wird vergessen werden.

Protheus zu den Vorigen.

Woher, Signor Protheus? Hat sich euer Landsmann, unserm Ausspruch gemäß, davon gemacht?

Protheus.
Ja, Gnädigster Herr.

Herzog.
Meine Tochter nimmt seine Entfernung schwer auf sich.

Protheus.
Ein wenig Zeit wird diesen Schmerz vertreiben.

Herzog.
Das glaub ich auch; aber Thurio denkt nicht so. Protheus, die gute Meynung, die ich von dir gefaßt habe, macht, daß ich kein Bedenken trage, vertraulich mit dir zu reden.

Protheus.
Möge der Augenblik, da ich gegen Euer Gnaden untreu befunden werde, der lezte meines Lebens seyn!

Herzog.
Du weissest, wie gern ich die Heurath zwischen meiner Tochter, und Signor Thurio zu Stande brächte.

Protheus.
Ich weiß es, Gnädigster Herr.

Herzog.
Es ist dir vermuthlich auch nicht unbekannt, daß sie sich meinem Willen entgegensezt.

Protheus.
Sie that es, Gnädigster Herr, als Valentin hier war.

Herzog.
Ja, und beharrt noch immer auf ihrem verkehrten Sinn. Was können wir thun, um dem Mädchen die Liebe zu Valentin aus dem Kopf zu bringen, und zu machen, daß sie Signor Thurio liebe?

Protheus.
Der kürzeste Weg wäre, den Valentin bey ihr zu verlästern, und ihn der Untreue, der Feigheit und einer niedrigen Herkunft zu beschuldigen; drey Dinge, die den Damen äusserst verhaßt sind.

Herzog.
Aber sie wird glauben, man sag' ihm das nur aus Haß nach.

Protheus.
Ja, wenn ein Feind es sagte; es muß ihr also, mit allen Umständen, von jemand beygebracht werden, den sie für seinen Freund hält.

Herzog.
So müßtet ihr diese Rolle auf euch nehmen.

Protheus.
Und das, Gnädigster Herr, würd' ich sehr ungern thun; es ist eine Rolle, die einem Edelmann nicht allzuwol ansteht, zumal gegen seinen Freund.

Herzog.
Wo euer Vorwort ihm nichts nüzen kan, da kan ihm auch nicht schaden wenn ihr übel von ihm redet; diese Gefälligkeit ist also in Absicht auf ihn gleichgültig, und derjenige, der euch darum ersucht, ist euer Freund.

Protheus.
Ich ergebe mich, Gnädigster Herr: Sie soll ihn nicht lange mehr lieben, wenn alles was ich zu seinem Nachtheil sprechen werde, diese Würkung thun kan. Aber gesezt, dieses entwende ihr Herz dem Valentin, so folgt darum nicht, daß sie den Signor Thurio lieben muß.

Thurio.
Ihr müßt also zu gleicher Zeit, da ihr seiner Liebe entgegen arbeitet, das Beste der meinigen besorgen; und das wird geschehen, wenn ihr allen den Werth mir beyleget, den ihr dem Signor Valentin benehmt.

Herzog.
Und, Protheus, wir sezen in dieser Sache ein desto vollkommners Vertrauen in euch, da wir aus Valentins Erzehlung wissen, daß ihr euer Herz bereits unwiderruflich verschenkt habt. Auf diese Sicherheit hin sollt ihr freyen Zutritt bey meiner Tochter haben, um euch ohne Zeugen und ungestört mit ihr besprechen zu können; sie ist verdrieslich, düster und schwermüthig; aber ihr werdet ihr um euers Freundes willen angenehm seyn; und dieses wird euch alle Gelegenheit verschaffen, sie durch eure Vorstellungen wider den jungen Valentin, und zu Gunsten meines Freundes einzunehmen.

Protheus.
Ich will thun was ich kan; aber ihr, Signor Thurio, müßt an euerm Theil auch lebhafter agiren als bisher; ihr müßt ihrer Neigung Neze legen; zärtliche Sonnete, mit ihrem Lob und euern Gelübden angefüllt, würden gute Dienste thun.

Herzog.
In der That, die Poesie hat eine grosse Gewalt über das Herz.

Protheus.
Sagt, ihr opfert auf dem Altar ihrer Schönheit eure Thränen, eure Seufzer, euer Herz; schreibt, bis eure Dinte dik wird, und giesset sie mit euren Thränen wieder auf; ihr habt eben nicht nöthig es würklich so zu machen, genug, wenn etliche weinerliche Zeilen sie bereden, daß ihr's so gemacht habt. Die Laute des Orpheus war mit poetischen Seyten bezogen; diese Laute, deren goldne Griffe Stahl und Steine erweichte, Tyger zähmte, und ungeheure Leviathans aus grundlosen Tiefen hervorzog, und auf Sandbänken tanzen machte. Wenn ihr dann durch eure klägliche Elegien ihr Herz zu rühren angefangen habt, so kommt des Nachts mit Musicanten vor ihr Kammer-Fenster: Singt in ihre Instrumente ein melancholisches Lied; das todte Schweigen der Nacht befördert die Würkung so angenehm-klagender Schmerzen; und wenn das sie nicht gewinnt, so kan sie durch nichts gewonnen werden.

Herzog.
Dein Rath beweist, daß du selbst verliebt gewesen bist.

Thurio.
Und ich will ihn heute Nachts ins Werk sezen. Komm also, mein liebster Protheus, wir wollen gehen und etliche gute Musicanten zusammen bringen; ich habe ein Sonnet, das sich sehr gut zu unsrer Absicht schikt.

Herzog.
So macht also eure Sachen, ihr Herren.

Protheus.
Wir wollen Euer Gnaden bis nach dem Nacht-Essen aufwarten; es wird alsdann noch Zeit genug seyn, unsre Anstalten zu machen.

Herzog.
Nein, nein, macht sie izt gleich; ich überhebe euch alles andern Dienstes.

(Sie gehen ab.)


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