Vierter Aufzug.

Erste Scene.

Ein Wald in der Gegend von Mantua.

Etliche Strassen-Räuber.

1. Strassen-Räuber.
Cameraden, macht Halt; ich sehe einen Reisenden.

2. Strassen-Räuber.
Und wenn es zehn wären, so seyd unverzagt und zu Boden mit ihnen!

Valentin und Speed treten auf.

3. Strassen-Räuber.
Halt, Herr, und gebt uns was ihr bey euch habt; wo nicht, Herr, so brauchen wir Gewalt.

Speed.
Gnädiger Herr, wir sind verlohren; das sind die Spizbuben, die diese Gegend für alle Reisende so unsicher machen.

Valentin.
Meine Freunde - -

1. Räuber.
Das sind wir nicht, Herr; wir sind eure Feinde.

2. Räuber.
Still, wir wollen ihn anhören.

3. Räuber.
Ja, bey meinem Bart, das wollen wir; er sieht einem feinen Manne gleich.

Valentin.
Wisset also, daß ich wenig zu verlieren habe; ich bin ein unglüklicher Mann; mein ganzer Reichtum besteht in diesen armen Kleidern; wenn ihr mir diese abzieht, so nehmt ihr mir alle meine Habseligkeiten.

1. Räuber.
Wohin reiset ihr?

Valentin.
Nach Verona.

2. Räuber.
Woher kommt ihr?

Valentin.
Von Meiland.

3. Räuber.
Habt ihr euch lange da aufgehalten?

Valentin.
Ungefehr sechszehn Monate, und vermuthlich würde ich noch da seyn, wenn ein feindseliges Geschik mich nicht daraus vertrieben hätte.

1. Räuber.
Wie? Seyd ihr von dort verwiesen worden?

Valentin.
Das bin ich.

2. Räuber.
Um was für eines Verbrechens willen?

Valentin.
Um einer That willen, an die ich nicht ohne Schmerzen denken kan: Ich tödtete einen Mann, dessen Tod ich sehr bedaure; doch erschlug ich ihn wie ein ehrlicher Mann, in einem Zweykampf, ohne Hinterlist oder meuchelmördrische Tüke.

1. Räuber.
So laßt euch's nicht gereuen; und um eines so kleinen Fehlers willen seyd ihr bannisirt worden?

Valentin.
Ja, und war noch froh über ein so gelindes Urtheil.

1. Räuber.
Versteht ihr die Sprachen?

Valentin.
Es ist ein Vortheil, den ich von meinen frühen Reisen gezogen habe, und ohne den ich oft unglüklich gewesen wäre.

3. Räuber.
Beym Glaz-Kopf von Robie Hood's schmeerbauchigem Bettelmönchen, dieser Bursche wäre ein König für unsre Bande!

1. Räuber.
Wir wollen ihn haben. Ein Wort, ihr Herren.

(Die Räuber reden besonders mit einander.)

Speed.
Gnädiger Herr, werdet einer von ihnen: es ist eine ehrenfeste Art von Dieberey.

Valentin.
Schweigt, Schurke!

2. Räuber.
Sagt uns noch das; habt ihr irgend was besonders im Sinn?

Valentin.
Nichts, als mein Schiksal.

3. Räuber.
Wisset also, daß einige von uns Leute von edler Abkunft sind, die um Ausschweiffungen einer zügellosen Jugend aus der Gesellschaft ausgestossen worden. Ich selbst wurde aus Verona verbannt, weil ich den Anschlag gemacht, eine junge Dame zu entführen, die dem Herzog nah verwandt und eine reiche Erbin war.

2. Räuber.
Und ich von Mantua, weil ich in zornigem Muth einem Edelmann den Dolch ins Herz gestossen.

1. Räuber.
Und ich um eben dergleichen Kleinigkeiten willen. Aber zur Sache; denn wir führen unsre Vergehungen bloß darum an, um euch die Ursache zu geben, warum wir diese gesezwidrige Lebensart führen; und da wir sehen, daß ihr ein hübscher Mann seyd, von edler Gestalt, und wie ihr versichert ein Sprachen-Verständiger; kurz, ein Mann, desgleichen wir in unsrer Gesellschaft sehr benöthigt sind.

2. Räuber.
In der That, die Qualität eines Verbannten die ihr mit uns gemein habt, flößt uns, neben euern andern Eigenschaften, eine Art von Anmuthung zu euch ein; habt ihr Lust unser Anführer zu seyn? Aus der Noth eine Tugend zu machen, und wie wir in der Wildniß zu leben?

3. Räuber.
Was sagst du dazu? Willt du von unsrer Gesellschaft seyn? Sprich ja, und sey der Oberste von uns allen: Wir wollen dir Treue schwören, uns von dir regieren lassen, und dich als unsern Befehlshaber und König lieben.

1. Räuber.
Wenn du aber unsre Freundschaft ausschlägst, so must du sterben.

2. Räuber.
Du sollst nicht leben, um mit unserm Anbieten prahlen zu können.

Valentin.
Ich nehm' euer Anbieten an, und will mit euch leben; vorausbedungen, daß ihr schwache Weibsbilder und arme Reisende nicht mißhandeln sollt.

3. Räuber.
Nein, wir verabscheuen solche niederträchtige Gewaltthätigkeiten. Komm, folg' uns, wir wollen dich zu unsrer Bande führen, und dir die Schäze zeigen, die wir zusammengebracht haben, und die, nebst uns, von nun an zu deinen Diensten stehen.

(Sie gehen ab.)


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