Silvia erscheint oben an ihrem Fenster.
Protheus.
Ich wünsche Euer Gnaden einen guten Abend.
Silvia.
Ich danke euch für eure Musik, ihr Herren - - Wer war das,
der hier redete?
Protheus.
Einer, den ihr gar bald an seiner Stimm' erkennen lerntet, wenn
die Stärke seiner unverfälschten Liebe euer Herz gewinnen
könnte.
Silvia.
Signor Protheus, wie mich däucht?
Protheus.
Protheus, schönste Princeßin, und euer Verehrer.
Silvia.
Was ist euer Wille?
Protheus.
Den eurigen zu erhalten.
Silvia.
Ihr sollt euern Wunsch haben; mein Wille ist, daß ihr augenbliklich
heim zu Bette gehen sollt. Wie? du falscher, arglistiger, treuloser,
meineydiger Mann? Hältst du mich für so schwach und
unverständig, mich durch Schmeicheleyen verführen zu
lassen, womit du schon so manche betrogen hast? Zurük, zurük,
und suche bey deiner vorigen Liebsten die Vergebung deiner Treulosigkeit.
Was mich betrift, so schwör' ich bey dieser blassen Königin
der Nacht, ich bin so weit entfernt deinem Gesuch Gehör zu
geben, daß ich dich vielmehr von Herzen deßwegen verachte,
und mir selbst kaum verzeihen kan, daß ich nur so viele
Zeit verschwendet habe mit dir zu reden.
Protheus.
Ich gestehe, daß ich eine junge Dame liebte, aber sie ist
todt.
Julia (bei Seite.)
Ich könnte am besten Zeugniß geben, daß das
falsch ist.
Silvia.
Gesezt, sie sey todt, so lebt doch Valentin, dein Freund, noch;
dem ich, (du selbst bist ein Zeuge,) meine Treue versprochen habe:
Und du schämst dich nicht, ihn durch deine Zudringlichkeit
bey mir zu beleidigen?
Protheus.
Ich höre, Valentin sey gleichfalls todt.
Silvia.
So bin ich es auch; denn in seinem Grabe, das versichre dich,
ligt meine Liebe begraben.
Protheus.
Schönste Princeßin, erlaubt mir, sie wieder hervor
zu graben.
Silvia.
Geh zum Grabe deiner Geliebten, und ruffe sie hervor, und wenn
du's nicht kanst, so laß wenigstens dein Herz bey dem ihrigen
zurük.
Julia (bey Seite.)
Das hört' er nicht.
Protheus.
Gnädigste Princeßin, wenn denn euer Herz ja so verhärtet
ist, so laßt wenigstens euer Bildniß statt euer den
Gegenstand meiner Liebe seyn, das Bildniß das in euerm Zimmer
hängt: Zu ihm will ich reden, zu ihm will ich seufzen und
weinen; denn da Euer würkliches Selbst einem andern gewidmet
ist, so bin ich nur ein Schatten, und als ein Schatten will ich
euern Schatten lieben.
Silvia.
Ich bin sehr übel damit zufrieden, Herr, euer Göze zu
seyn; jedoch, da es sich für euer treuloses Herz sehr wol
schiken wird, Schatten zu verehren und eitle Bilder anzubeten,
so schikt nur morgen zu mir, und ihr sollt es haben: Und hiemit
gute Nacht.
Protheus.
Eine so gute Nacht, als die Elenden haben, die morgen hingerichtet
werden sollen.
(Silvia und Protheus gehen ab.)
Julia.
Wirth, wollen wir gehen?
Wirth.
Bey unsrer Frauen, ich war schon eingeschlaffen.
Julia.
Ich bitte euch, wo hat Signor Protheus sein Quartier?
Wirth.
In meinem eignen Hause: Glaubt mir, ich denk' es ist schon beynahe
Tag.
Julia.
Das nicht; aber das war die längste und schlimmste Nacht,
die ich in meinem Leben durchwacht habe.
(Sie gehen ab.)