Ob du dem Hügel die Rebe vertraun sollst oder dem Blachfeld, | |
| 275 |
Dicht sie bepflanzt; auch in dichtem Gedräng' nicht träger ist Bacchus. Wählst du des schrägen Gefild's Anhöh'n und Hügelgelände, Gib den Ordnungen Raum. Nicht minder auch füge genau sich Rings den gemessenen Bäumen der Gang mit kreuzendem Quergang45), Wie wenn zu schrecklichem Streite die Legion die Kohorten |
| 280 |
Lang ausdehnt, und geordnet in offener Eb'ne der Heerzug Steht, und die Kampfreihn streckt, dann weit umher von des Erzes Blinkendem Glanz aufwallet die Flur, noch Schlachtengewühl nicht Tobt, und der schwankende Mars noch irrt in der Mitte der Heere. Ringsum gleich sei alles verteilt durch Zahlen der Gänge, |
| 285 |
Nicht daß dem Geist nur biete der Anblick nichtige Nahrung, Nein, weil sonst nicht alle mit gleicher Stärke das Erdreich Nährt, noch empor ins Freie den Wuchs ausbreiten die Äste.
Jetzo wie tief man grabe den Pflanzungen, forschest du etwa. |
| 290 |
Aber der Baum wird tiefer hinab in die Erde gesenket, Jupiters Eiche zumal, die, soweit ihr Haupt zu des Äthers Lüften sie hebt, gleichweit in den Tartarus strecket die Wurzel. Darum vermag kein Winter, kein Sturm noch Regenerguß sie Auszudrehn; sie steht unbewegt, und viele der Enkel, |
| 295 |
Viel hinrollende Leben besiegt ausdauernd ihr Alter: So kraftvollen Gezweigs, so weithin streckend die Arme Ringsum, wirft in der Mitte sie selbst den unendlichen Schatten.
Nicht sei dir abhängig zur sinkenden Sonne der Weinberg, |
| 300 |
Oberstes nimm, noch schere vom obersten Baume den Setzling: So sehr liebt er die Erde. Auch nicht mit gestumpfetem Eisen Kränke den Sproß, noch misch' ihm des Ölbaums waldige Stämme47). Denn nicht selten entsank unachtsamen Hirten48) ein Funke, Welcher anfangs geheim, von der öligen Rinde genähret, |
| 305 |
Glomm und das Holz angriff, dann hoch in die Äste sich schwingend, Himmelan mit Getös' aufprasselte, und immer weiter Rings siegreich die Zweige beherrscht, rings luftige Wipfel Ganz in Glut einhüllet die Pflanzungen, und aus der pechschwarz Qualmenden Nacht gen Himmel die dunkele Wolke hinaufwälzt: |
| 310 |
Wenn zumal noch Sturmes Gewalt hochher in den Rebhain Niederstürzt und zuckend im Schwall fortdrängt die Entflammung. Ist das, nimmer geneset der Stamm, noch kehrt die beschnitt'ne Rebe zurück und entgrünt mit ähnlichen Ranken dem Erdreich: Heillos erhebt sein bitteres Laub der wildernde Ölbaum. |
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315 |
Nicht auch laß dich verleiten vom klügelnden Rat des Belehrers, |
| 320 |
Kam der weißliche
Vogel49), das Graun
langwindender Schlangen, Auch in der herbstlichen Kühl' Annäherung, wenn mit Gewalt Sol Winterwärts schon treibt das Gespann, und der Sommer dahin ist.
Frühling zumal macht grün die Pflanzungen, Frühling die Wälder; |
| 325 |
Doch der allmächtige Vater mit fruchtbarem Regen, der Äther, Senkt in den Schoß sich herab der lüsternen Gattin und nähret Alles Geschlecht, der Große zum großen Leibe gesellet. Jetzo erschallt entlegnes Gebüsch von melodischen Vögeln, Und es begehen die Herden das jährige Fest der Vermählung. |
| 330 |
Nährender Acker gebiert, und der Zephire mildem Gesäusel Öffnen die Felder den Schoß; es berauscht sich alles in Wachstum. Sicher auch wagen nun mehr der verjüngeten Sonne die Knospen Sich zu vertraun, nicht scheut aufsteigende Süde das Weinlaub, Noch vor gewaltigem Nord ansausende Güsse des Regens. |
| 335 |
Ringsum drängt es die Keime und grünt mit entfalteten Blättern. Daß nicht andere Tag' im Beginn der erwachsenden Schöpfung Angeleuchtet die Welt, noch andere Folge bewahret, Glaub' ich gern. Lenz blühet' allein, Lenz feiert der große Weltumfang, und es hemmte den frostigen Atem der Eurus; |
| 340 |
Als zuerst Lichtströme die Herd' einsog, und der Männer Erdengeschlecht50) aufstreckte das Haupt aus harten Gefilden, Als Waldtier' in die Forst', und Sterne eilten am Himmel51). Schwerlich ertrug auch die zarte Natur das Toben des Jahres, Wenn nicht ruhige Milde, von Frost und Hitze gesondert, |
| 345 |
Herrschte, der neuen Erde ein freundlicher Himmel sich annahm.
Übrigens, welcherlei Sprosse du einsenkst in die Gefilde, |
| 350 |
Abwärts dring' und die Pflanzen ermutige. Manche sogar sind, Die mit Gestein von oben und aufgehügelten Scherben Lasteten; dies beut Schutz vor ergossenen Regengewittern, Dies, wenn der feurige Hund die lechzenden Fluren zerspaltet. Hast du die Pflanzen gereiht, dann trennt die Erd' auseinander |
| 355 |
Oft um die Stämm' und schwinge mit Macht zweizahnige Karste, Oder durchackre den Grund mit lastender Pflugschar, und selber Zwischen das Rebengehölz lenk' hin arbeitende Stiere. Jetzt glattstämmiges Rohr und geschälete Stäbe des Reisigs Füg', und eschene Pfähle daran und Gabeln der Weide, |
| 360 |
Deren Kraft aufstreben sie lehr' und Winde verachten, Bis sie den Wipfel der Ulm' auf ästigen Stufen erklettern.
Wenn zuerst aufgrünete der Reblinge jugendlich Alter, |
| 365 |
Werde sie selbst noch nicht von schneidender Hippe versuchet, Nein, mit gekrümmetem Finger pflück ab auslesend die Sprossen. Aber sobald sie, die Ulme mit rüstigen Stämmen umwindend, Hoch aufstieg, dann scher' ihr das Haar, dann stutze die Arme. Früher verzagt dem Eisen ihr Mut, dann übe der Herrschaft |
| 370 |
Strenges Gebot und zähme die wild ausschweifenden Ranken.
Flicht auch Zäune zur Wehr dem ganzen Viehe, besonders |
| 375 |
Treiben ihr Spiel, abnasche das Schaf und die lüsterne Milchkuh. Nie auch hat so Kälte, mit graulichem Reife gefrierend, Oder den sonnigen Fels anprallende Schwüle des Sommers, Ihr ein Verderb wie die Herde gebracht, und des grausamen Zahnes Gift, und die Narb' umher im benageten Stamme gezeichnet. |
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380 |
Nicht ob anderer Schuld muß allwärts auf den Altären |
| 385 |
Auch, die Troja gesandt, der ausonischen Fluren Bewohner, Feiern mit rohem Gesang' ihr Fest und lustigem Lachen, Und abscheuliche Larven gehöhleter Rinde sich nehmend, Rufen sie dich, o Bacchus, in fröhlichen Liedern und hängen Dir an ragender Fichte herab die beweglichen Bilder. |
| 390 |
Davon erblüht ringsum mit reichlicher Lese der Weinberg, Vollgedrängt sind Buchten des Tals und gewundene Anhöh'n, Und wohin nur der Gott hinwendet sein strahlendes Antlitz. Laßt denn nach heiligem Brauch sein Lob hochtönen dem Bacchus In der Väter Gesang und tragt ihm Fladen und Schüsseln; |
| 395 |
Steht auch am Horne geführt der verschuldete Bock vor dem Altar, Daß sein fettes Gekrös' am haselnen Spieße wir braten.
Noch wird andere Mühe geheischt zur Pflege des Weinstocks, |
| 400 |
Stets mit gewendetem Karste zermalmt; auch vom Laube gereinigt Ganz der Hain. So kehret des Landmanns kreisende Arbeit Und in sich selbst rollt immer durch eigene Spuren das Jahr um. Schon vorlängst, wenn herbstlich der Weinberg senkte die Blätter, Und kaltatmender Nord dem Gehölz entraffte die Schönheit, |
| 405 |
Dann schon dehnet die Sorg' in das kommende Jahr der Besteller Eifrig, und mit gezahnter Saturnusklinge54) verfolgt er Scherend verödete Reben umher und bildet sie schneitelnd. Grabe zuerst das Gefilde, zuerst auch brenne das Reisig Abgeführt, und zuerst verwahre die Pfähle im Obdach; |
| 410 |
Weinles' ernte zuletzt. Zweimal drängt Schatten den Weinstock, Zweimal sproßt Fruchthainen in stickender Geile das Unkraut. Hart ist beiderlei Müh'. Du lob' unermeßliche Felder, Aber das kleine bestell'. Auch wird des gestachelten Brusches Zähes Band in dem Wald', und am Flußgestade das Röhricht |
| 415 |
Abgehaun; auch Sorge der wildernden Weide beschäftigt. Schon ist gebunden der Wein, schon scheidet die Hippe vom Ulmhain, Schon singt der Winzer, ans Ende der Rebenpflanzung gekommen, Dennoch stör' aufs neue die Flur und rege den Staub auf. Ja der reifen Traub' ist Jupiters Wetter noch furchtbar. |
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420 |
Keiner Pfleg' hingegen bedarf die Oliv' und erwartet |
| 425 |
Darum pflanz' dir den fetten, dem Frieden geheiligten Ölbaum.
Ferner das Obst, sobald es die Macht erst fühlte des Stammes, Auch nicht minder indes hängt fruchtschwer jegliche Waldung. |
| 430 |
Blutig von Beeren erglühet die einsame Vogelbehausung. Zytisuslaub schert man, Kienfeuerung spendet der Bergforst, Daß die nächtliche Flamme sich nährt und Leuchtung umhergießt. [Und doch säumet der Mensch, auf Pflanzungen Sorge zu wenden!] Soll ich das Größre durchgehn? Schon Weid' und niedrige Ginster, |
| 435 |
Jetzo dem Vieh gewähren sie Laub, jetzt Hirten des Schattens Kühlungen, jetzt auch Gehege der Saat und dem Honige Nahrung, Und er erfreut, dort wallend von Buxus zu schaun den Cytorus55), Dort des narycischen Peches Gehölz56) und den Segen der Äcker, Die nichts menschlichem Karst, nichts einiger Sorge verdanken. |
| 440 |
Selbst auf des Kaukasus Scheitel die fruchtlos grünenden Wälder, Welche des Ostes Orkan' ohn' Ende durchwehn und zerschmettern, Geben verschiednen Ertrag; sie geben uns nützliches Bauholz, Fichtene Masten für Schiff' und Zypress' und Zeder den Häusern, Dorther Speichen ins Rad, und dorther Rollen der Lastfuhr, |
| 445 |
Rundet der ländliche Mann und bäuchige Kiele den Schiffen. Fruchtbar an biegsamem Reis ist die Weid', an Laube der Ulmbaum, Aber die Myrt' an tüchtigem Speerholz, samt der Kornelle Krieg'rischem Stamm, auch krümmt ituräische57) Bogen der Taxus. Nicht glattädrige Linde, noch Meißelung liebender Buchsbaum58), |
| 450 |
Sträubt sich Gestalt zu empfahn und scharfem Stahl sich zu fügen. Gern auch schwimmt leichtwallend die Erd' in des reißenden Padus Vollem Erguß, und gerne verkriechen sich Schwärme der Bienen In umwölbender Rind' und der Steineich' fauligem Schoße. Was so würdigen Ruhms hat baccische Gabe gewähret? |
| 455 |
Bacchus gab auch zu Schuld Anreizungen, er bezwang auch Tolles Zentaurengeschlecht59) durch Mord, und Rhötus und Tholus, Und, der des Mischkrugs Last auf Lapithen erhob, den Hyläus.
Wahrlich, allzu beglückt, wenn eigenes Wohl er erkennte, |
| 460 |
Willig den leichten Bedarf darbeut die gerechteste Erde. Wenn kein hoher Palast ihm gedrängt durch prangende Pforten Frühe den Schwall der Begrüßer60) aus ganzen Sälen hervorströmt; Nicht nach Pfosten er giert von schöngesprenkeltem Schildpatt, Oder nach goldgesticktem Gewand und ephyrischem Erze61), |
| 465 |
Nicht schneefarbige Woll' in Assyrierbeize sich schminket, Noch von Zimt der Gebrauch des lauteren Öles gefälscht wird; Doch behagliche Ruh', und ein truglos gleitendes Leben, Reich an mancherlei Gut, doch Muß' bei geräumigen Feldern, Grotten und lebende Teich', ein Kühlung atmendes Tempe, |
| 470 |
Rindergebrüll, und im Wehen des Baums sanftwiegender Schlummer Fehlen ihm nicht. Bergwälder sind dort und Lager des Wildes, Dort, unermüdet zum Werk, bei wenigen fröhliche Jugend, Heilige Götterfest', und ein Alter in Ehren; zuletzt noch Hat die Gerechtigkeit dort, von der Erd' abscheidend, gewandelt. |
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475 |
O daß mich doch zuerst die vor allem geliebtesten Musen, |
| 480 |
Über die Dämm' aufschwellt und zurück die flutenden senket; Warum winternde Sonne so rasch zum Oceanus nieder Taucht und welcher Verzug die säumigen Nächte so aufhält.
Doch wenn diesem Gebiet der Natur annahen zu können, |
| 485 |
Sein mir Felder erwünscht und wässernde Flüss' in den Tälern, Lieb' ich Bäch' und Gehölz' auch ruhmlos. Oh, in Spercheos'62) Ebenen, und wo Taygetos63) hallt von laconischer Jungfrau'n Bacchustanz, oh, wer leitet in kühlende Täler des Hämus Meinen Gang, mich zu decken in mächtiger Schattenbelaubung? |
|
490 |
Selig, wem es gelang, der Ding' Ursprung zu ergründen, |
| 495 |
Nicht Machtstäbe des Volks, nicht Purpur der Könige rührt ihn, Nicht Zwietracht, die zum Kampf aufregt treulose Gebrüder, Noch ob der Dacier Schar vom verschworenen Ister herabsteigt, Nicht romanische Mächt' und zerfallene Größen, und niemals Kümmerten ihn Verarmte mit Gram noch Reiche mit Scheelsucht. |
| 500 |
Was sein Baum ihm an Frucht, was selbst sein williger Acker Gerne gebracht, das pflückt' er; er sah nicht eiserne Rechte Oder den tobenden Markt und des Volks urkundenden Tempel.
Andere stören mit Rudern des Meers Heimtück', in den Mordstahl |
| 505 |
Dieser droht Zerstörung der Stadt und den armen Penaten, Daß er trink' aus Juwelen64) und schlaf' in sarranischem65) Purpur. Gut häuft jener und liegt auf vergrabenem Schatz des Goldes, Dieser starrt vor der Bühne des Redenden; jener im Schauplatz Gafft dem Geklatsch, (zwiefach ja erscholl's, von dem Volk und den Vätern) |
| 510 |
Tieferstaunt. Man freut sich, besprengt mit dem Blute der Brüder, Und landflüchtig vertauscht man das Haus und die süßen Gemächer, Suchend ein Vaterland, das andere Sonnen beleuchten.
Aber der Landmann furcht mit gebogenem Pfluge das Erdreich: |
| 515 |
Enkelchen, so die Herde der Küh' und den würdigen Pflugstier. Nie auch rastet das Jahr, ihn bald mit Obst zu beglücken, Bald mit Segen der Trift, bald körnigen Garben der Ceres, Daß von Erträgen belastet die Flur und der Speicher bedrückt wird. Nahte der Frost, dann preßt er das Öl sekyonischer Beeren66); |
| 520 |
Fröhlich kehren die Säu' aus der Eichmast; Arbutusreiser Bietet der Wald, und es häufet der Herbst vielfarbige Früchte, Und hoch reifet die Traube, gereift an sonniger Felswand. Schmeichelnd hangen indes um Vaterküsse die Kindlein; Keuschheit wahret das züchtige Haus, milchschwellende Euter |
| 525 |
Senken die Kühe herab, und fett in fröhlicher Grasung Kämpfen mit angestrengtem Gehörn wetteifernde Böcklein. Feste ordnet er selbst; gelagert auf rasigem Anger, Wo um den flammenden Herd den Krug die Genossen bekränzen, Sprenget er dir, Lenäus, und fleht, und den Hirten der Walddrift |
| 530 |
Hängt er des hurtigen Speers Kampfspreis' an den ragenden Ulmbaum, Und zum ländlichen Ringen entblößen sie stämmige Glieder.
Solch ein Leben führten vordem die alten Sabiner, |
| 535 |
Sieben Höhen sich selbst mit vereinender Mauer umschließend. Eh' auch das Zepter empfing der diktäische König67), und ehe Noch ein Frevlergeschlecht geschwelgt in geschlachteten Stieren68), Führete solch ein Leben die Welt des goldnen Saturnus. Nicht auch hörete man, wie das Kriegshorn schmetterte, nie auch |
| 540 |
Daß von Hammergedröhn auf dem Amboß klirrten die Schwerter.
Doch unermeßliche Räum' hat uns vollendet die Laufbahn; |
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