Ich lasse mirs gefallen - Aber du,
mein Piso - dies verspricht uns dein Verstand
und guter Sinn - du wirst, in deinem Leben, mit
Minervens Widerwillen nichts beginnen.
Doch wenn du jemals etwas schreiben solltest,
laß Tarpas(K) Ohr, und deines edeln Vaters
und meines Richter sein; verschließ es dann
in deinen Pult und halts ins neunte Jahr zurück,
so bleibst du Meister wieder auszulöschen
was nicht ediert ist. Ein entflognes Wort
ist nun aus unserm Recht, und kommt nicht wieder.
Indessen, daß du über deine Liebe
zur Muse mit der goldnen Leier nicht errötest1),
so denke, was von ihrem Ursprung an
die Kunst der Dichter war. Ward nicht von Orpheus,
dem heiligen Seher, dem die Götter ihre
Mysterien offenbarten, weil er Thracens
halbtierische Bewohner aus dem Wust
der Wildheit zog und menschlich leben lernte,
gesagt, er habe Tiger zähmen, wütge Löwen
durch seiner Lieder Reiz besänftgen können?
Ward von Amphion, des Thebanschen Schlosses
Erbauer, nicht gesagt, er habe Felsen
und Wälder seiner Leier süßen Tönen,
wohin er wollte, folgsam nachgezogen?
Im Heldenalter wars der Weisen Amt,
ein rohes Waldgeschlecht aus ihren Grüften
zu ziehn, und an Geselligkeit, und Furcht
der Götter, Zucht und Ordnung, zu gewöhnen.
Sie stiftete der Ehe keuschen Bund,
sie legte Städte an und gab Gesetze:
und weil die Zauberkräfte des Gesangs
zu allem diesem ihr behülflich waren,
so stieg des Sängers Ansehn in den Augen
des Volkes, und ein Glaube, daß er näher
den Göttern wäre, goß was Göttliches
um seinen Mund, und seine Lieder wurden
Orakel des Vergangnen und der Zukunft.
Nun kam Homer, der über alle ragt,
und bald nach ihm Tyrtäus, dessen Lieder
den schönen Tod fürs väterliche Land
im Vorderreihn der Schlacht mit Eifersucht
zu suchen, Spartas Männerseelen2) spornte.
In Versen gab den Fragenden der Gott
zu Delphi Antwort; in der Musensprache
wies uns Pythagoras des Lebens Weg3).
Zu ihren süßen Weisen neigte sich
das Ohr der Könige, und endlich schloß
des Jahres Arbeit sich mit ihren Spielen4).
Den Göttern angenehm, den Menschen hold,
und mit des Krieges und des Friedens Künsten
gleich freundlich sich verschwisternd, ist fürwahr
die Kunst der Musen edler Schüler wert!
Man pflegt zu streiten, ob Naturkraft, oder
ob Kunst ein Dichterwerk vortrefflich mache?
Mir meines Orts scheint ohne reiche Ader
das strengste Studium, und ohne Kunst
das beste Naturell gleich unzulänglich:
Keins kann des andern mangeln: aber, freundlich
vereinigt, glänzen beide desto mehr.
Wer auf der Rennbahn siegen will, der muß
als Knabe schon viel tun und leiden, Frost
und Hitze dulden, und von Wein und Werken
der Venus sich enthalten. Lange hat zuvor
der Flötenspieler, der den Pythischen Preis5)
verdienen will, sich üben und die Strenge
des Meisters fürchten müssen. Nur mit unsern Dichtern
ists anders; zuversichtlich gibt sich jeder
wofür er will, schimpft tapfer auf die Pfuscher,
und will aufs mindste nicht der Letzte sein;
als ob es Schande wäre einem andern
in dieser einzgen Kunst was einzuräumen,
und nicht zu können, was man nie gelernt.
Ein Dichter, der an Renten reicher als
an Witz ist, ruft die Schmeichler zum Gewinn
herbei: mir ists, ich höre einen Mäkler
zu einer Auktion die Leute rufen.
Und ist er gar der Mann, bei dem die Herren
auf eine gute Tafel rechnen können,
der willig ist, für einen armen Schelm
sich zu verbürgen, und Kredit hat, einem
aus einem schlimmen Handel auszuhelfen;
so wärs ein Wunder, wenn er von den vielen Freunden,
die ihm dies Alles macht, den Wahren aus den Falschen
zu kennen wüßte.
Du, mein Piso, wenn
Du einem was geschenkt hast, oder schenken willst,
nimm dich in acht, ihm in der ersten Wallung
der Freude deine Verse vorzulesen;
dann da versteht sichs, daß er alle Augenblicke
o! schön! vortrefflich! herrlich! rufen wird.
Bei jener Stelle wird er ordentlich erblassen,
ja wohl aus seinen treuergebnen Augen
dankbare Tränen tröpfeln: wird bei dieser
aufspringen und den Boden vor Entzücken stampfen.
So wie die Weiber, die bei einer Leiche
zum Weinen sich verdingen, ärger schrein
als jene denen es von Herzen geht:
so macht ein Schalk von Schmeichler allemal
mehr Lärmens, als wer aus Gefühl dich lobt.
Die Fürsten, sagt man, sollen große Humpen
als eine Art von Folter brauchen, wenn sie jemand
probieren wollen, ob er ihrer Freundschaft wert sei(L):
Um einen Freund im Fuchsbalg auszufinden
mach einer Verse! - Wenn man dem Quintil6)
was las, so hieß er euch bald dies bald das
verbessern. Sagte man: es gehe nicht,
man hab es schon vergebens zwei- bis dreimal
versucht: so hieß er euch die ganze Stelle
durchstreichen, und die schlecht geprägten Verse
noch einmal auf den Amboß legen. Wenn
nun aber jemand seine Fehler lieber
behaupten als verbessern wollte, so
verlor er auch kein Wörtchen mehr, und konnt
es wohl geschehen lassen, daß der Mann
sich und sein Werkchen ohne Nebenbuhler liebte.
Ein Freund, ders redlich meint und richtig denkt,
wird keine Härte, wird nichts mattes dulden;
die üppgen Ranken schneidt er frisch hinweg,
dem was nicht klar genug ist zwingt er euch
mehr Licht zu geben, läßt nichts doppelsinnigs,
nichts schielends, oder was am rechten Ort nicht steht,
unangezeichnet, kurz, er wird ein Aristarch7),
und denkt nicht: ei, was soll ich meinem Freunde
Verdruß mit solchen Kleinigkeiten machen?
O! solche Kleinigkeiten können für den Freund,
der gleich aufs erstemal sich lächerlich
gemacht und schlecht vom Publikum
empfangen wird, sehr große Folgen haben.
Denn kluge Leute gehen einem abgeschmackten
Poeten überall behutsam aus dem Wege,
und scheuen sich so sehr ihn anzurühren,
als einen den ein böser Aussatz oder
der Zorn Dianens plagt8); nur Kinder, der Gefahr
unkundig, laufen schreiend hinter drein.
Wenn so ein Mensch in seinem Aberwitz,
unwissend wo, die Nase in der Luft,
durch alle Gassen läuft und Verse - rülpst9)
und drüber, wie ein Vogler, der aufs Amselfangen
zu sehr erpicht ist, plump! in eine Grube fällt:
so zieh ihn ja, wie laut er schreien mag,
kein Mensch heraus! Denn wenn du ihm
mit einem Seil zu Hülfe springen wolltest,
was weißt du, ob er nicht mit Vorsatz sich
hineingestürzt? wie einst Empedokles
die kühle Tat beging, und in den Feuerschlund
des Aetna sprang, damit die Leute dächten
er sei ein Gott geworden. Frei
und unbenommen seis den Verslern, nach Belieben
den Hals zu brechen! Jemand wider Willen
zum Leben zwingen, ist im Grunde nicht
viel besser als ihn morden10). Laßt ihn springen
wohin er will; dadurch, daß man heraus
ihn ziehet, wirds nicht besser mit ihm werden.
Die Wut, mit einer Art die Aufsehns macht
zu sterben, wird darum ihn nicht verlassen.
Warum er Verse macht, ist ohnehin
nicht sehr begreiflich, wenns nicht Strafe ist,
weil er die Asche seines Vaters einst
besudelt, oder sonst an heilger Stätte
was Greuliches begangen; immer ist gewiß,
er raset, und verjagt, sobald man ihn
mit seinem Heft in Händen kommen sieht,
Gelehrt' und Ungelehrte, wie ein Bär,
der durch die Latten seines Käfigs durchgebrochen.
Weh aber dem, den er ergriffen hat!
Er hält ihn fest, und - gleich dem Egel, der
nicht abläßt bis er voll ist - wird er ihn
mit Lesen quälen, bis der arme Patient
den Geist, vor Gähnen, aufgegeben hat.
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