Horaz hat die wahre Ursache, warum der sogenannten alten Komödie zu Athen die unbeschränkte Freiheit, deren Aristophanes sich in seinen Rittern, Fröschen, Wolken, Vögeln, u. a. so überschwenglich bedient hat, benommen wurde, nicht richtig genug angegeben. Diese Freiheit muß nicht etwa als ein Mißbrauch betrachtet werden, den die Regierung zu Athen eine Zeitlang bloß duldete; sie war vielmehr, wie der Ostracismus, in der Verfassung dieses Aristokratisch-Demokratischen Staats in den Zeiten des Perikles gegründet. Es ist wider alle Wahrscheinlichkeit, sich einzubilden: der Magistrat zu Athen würde 40 oder 50 Jahre lang mehr als 370 Stücke dieser Art öffentlich autorisiert haben, wenn sie die Ungebundenheit dieser Komödie nicht der Republik im Ganzen für zuträglich angesehen, und nicht geglaubt hätten, daß der Verdruß und Schaden, den einige wenige mit Unrecht mißhandelte Personen dabei leiden könnten, durch die Furcht, die den Bösen dadurch eingejagt wurde, reichlich vergütet werde. Der stärkste Beweis, daß die Athener diese Freiheit ihres Theaters für einen sehr wichtigen Teil ihrer politischen Freiheit angesehen, ist, deucht mich: daß ein Aristophanes das ganze Volk, d. i. den Souverain selbst, so lächerlich machen durfte als es ihm beliebte: weil sie, bei allem ihrem Leichtsinn und Übermut, doch gesunden Verstands genug hatten, um zu fühlen, daß es ihnen gut sei, sich zuweilen lachend die Wahrheit, und selbst die bittersten Wahrheiten, sagen zu lassen. Auch ging dieses kostbare Stück ihrer Freiheit nicht eher als mit ihrer Verfassung verloren. Denn nicht der Magistrat der freien Republik, sondern die sogenannten dreißig Tyrannen, die mit Hülfe des Lysanders von Sparta zu Ende der 93sten Olymp. sich der Regierung von Athen bemächtigten, waren es, die das Gesetz, dessen Horaz hier erwähnt, aus Ursachen, die leicht zu erraten sind, durchsetzten, und hierin freilich einen großen Teil der Stadt, nämlich einen jeden
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- qui dignus erat describi, quod malus, aut fur, quod moechus foret aut sicarius, aut alioqui famosus, -1) |
auf ihrer Seite hatten. Der Despotismus der Oligarchie konnte sich mit einer Freiheit des Theaters, die keines Lasters und keiner Torheit schonte, sich weder durch Geburt, Reichtum, und Würden, noch selbst durch Verdienste in Respekt setzen ließ, nicht vertragen; und je verdorbner die Sitten wurden, je geneigter fühlte man sich auch, einander zu ertragen, und je verhaßter wurde ein öffentlicher Zensor, dessen unhöfliche Geißel niemanden erlauben wollte, ungestraft ein Narr oder Schurke zu sein, wenn er Vergnügen oder Vorteil dabei fand. Die alte Komödie fiel also zu Athen mit der Demokratie. Die mittlere, die an ihre Stelle trat, gab sich, um wenigstens noch einen Schatten ihrer ehemaligen Vorrechte beizubehalten, größtenteils mit Parodien ab, worin den Poeten erlaubt war sich untereinander so lächerlich zu machen als sie wollten; sie travestierte die Helden und Heldinnen aus der Fabelzeit, aus der Iliade und Odyssee, und fand dabei immer Gelegenheit satirische Züge anzubringen, die der Malignität der Zuschauer freie Hand ließen, sie nach eignem Belieben anzuwenden. So bildete sich endlich unter den Macedonischen Königen nach und nach die neue Komödie (in welcher Menander und Philemon sich so viel Ruhm erwarben), die sich gänzlich auf Intrigen-Stücke und allgemeine Charakter, und auf eine so feine und elegante Art von Kritik der herrschenden Sitten und Mode-Torheiten einschränkte, daß niemand beleidigt werden konnte, wenn er sich selbst in einem Spiegel erblickte, worin man wenigstens nicht häßlicher aussah als sein Nachbar. Die alte Komödie war die Lieblingsbelustigung eines von seinem Glücke und von ausschweifenden Hoffnungen trunknen, aber auf seine Freiheit und Rechte eifersüchtigen demokratischen Pöbels gewesen: die Neue wurde der angenehmste Zeitvertreib eines herabgekommnen müßigen, aber äußerst verfeinerten Volkes, das die hochfliegenden Entwürfe seiner Vorfahren endlich aufgegeben hatte, und bei Schauspielen und Kurzweilen zu vergessen suchte was es ehemals gewesen war.